15.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss06.10.2016

Verfassungs­beschwerde gegen Einführung einer Mindestmenge bei Krankenhaus­behandlung von Früh- und Neugeborenen unzulässigUnmittelbare Betroffenheit in eigenen Grundrechten durch Betreiber von Krankenhäusern nicht ausreichend dargelegt

Das Bundes­verfassungs­gericht hat eine Verfassungs­beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die Einführung einer Mindestmenge von Versor­gungs­fällen bei der Krankenhaus­behandlung von Früh- und Neugeborenen mit höchstem Risiko als Mittel der Quali­täts­si­cherung wendet. Die klagenden Betreiber von Krankenhäusern, die eine Verbesserung der Versor­gungs­qualität durch die Neuregelung in Frage stellen, haben nicht hinreichend konkret dargetan, dass sie beschwer­de­befugt sind.

Die Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Verfahrens sind Betreiber von Krankenhäusern mit sogenannten Level-1-Perina­ta­l­zentren, die teils in kirchlicher, teils in kommunaler Trägerschaft stehen. Allein Krankenhäuser mit Perina­ta­l­zentren des Level 1 sind nach einem vom Gemeinsamen Bundesausschuss vorgesehenen Konzept für die Kranken­h­aus­be­handlung von Früh- und Neugeborenen mit höchstem Risiko zuständig (insbesondere für Frühgeborene mit einem geschätzten Geburtsgewicht von unter 1250 Gramm oder einem Alter von weniger als der 29. Schwan­ger­schaftswoche). Zur Quali­täts­si­cherung bei der Kranken­h­aus­be­handlung kann der Gemeinsame Bundesausschuss im Beschlusswege für zugelassene Krankenhäuser unmittelbar verbindliche Regelungen erlassen. Im Jahr 2010 legte der Gemeinsame Bundesausschuss für Level-1-Zentren eine verbindliche Mindestmenge von 14 Level-1-Geburten pro Jahr fest. Wird die festgelegte Mindestmenge voraussichtlich nicht erreicht, dürfen die Krankenhäuser entsprechende Leistungen nicht bewirken. Tun sie es dennoch, steht ihnen kein Vergü­tungs­an­spruch zu.

Beschwer­de­führer rügen Verletzung der Berufsfreiheit

Die Beschwer­de­führer erhoben daraufhin erfolglos Klage gegen die Einführung der Mindestmenge. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen sie insbesondere die Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sowie des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).

BVerfG verweist auf fehlende Beschwer­de­be­fugnis

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht erklärte die Verfas­sungs­be­schwerde für unzulässig. Die Beschwer­de­führer haben, soweit es nicht um den behaupteten Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter geht, nicht hinreichend konkret dargetan, dass sie beschwer­de­befugt sind.

Für die Beschwer­de­führer in kommunaler Trägerschaft ergibt sich die fehlende Beschwer­de­be­fugnis bereits daraus, dass sie sich überwiegend in öffentlicher Hand befinden und daher nicht grund­rechtsfähig sind. Vor allem aber ist nicht hinreichend dargetan, dass die Beschwer­de­führer durch die Festsetzung der Mindestmenge von jährlich 14 Level-1-Geburten gegenwärtig in ihren materiellen Grundrechten verletzt sein könnten. Zur Zulässigkeit der Verfas­sungs­be­schwerde gehört, dass die Beschwer­de­führer ihre gegenwärtige und unmittelbare Betroffenheit in eigenen Grundrechten oder grund­rechts­gleichen Rechten ausreichend darlegen. Gegenwärtig ist die Betroffenheit, wenn die angegriffene Vorschrift auf die Rechtsstellung der Beschwer­de­führer aktuell und nicht nur virtuell einwirkt, wenn die Norm ihre Adressaten mit Blick auf ihre künftig eintretenden Wirkungen zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen zwingt oder wenn klar abzusehen ist, dass und wie die Beschwer­de­führer in der Zukunft von der Regelung betroffen sein werden. Allein die vage Aussicht, dass einer der Beschwer­de­führer irgendwann einmal in Zukunft von der Norm und ihren Auswirkungen betroffen sein könnte, genügt hingegen nicht.

Konkrete Nachteile durch Mindest­men­gen­fest­setzung hätten substantiiert dargelegt werden müssen

Diesen Maßstäben wird die Begründung der Verfas­sungs­be­schwerde nicht gerecht. Nachdem die Beschwer­de­führer nicht geltend gemacht haben, dass sie durch die Mindest­men­gen­fest­setzung bislang einen konkreten Nachteil erlitten hätten, hätten sie substantiiert darlegen müssen, dass auf Grund der Zahl der von ihnen betreuten Level-1-Geburten und deren Entwicklung absehbar ist, dass sie von der angegriffenen Regelung nachteilig betroffen sein werden. Das ist der Begründung der Verfas­sungs­be­schwerde nicht zu entnehmen. Alle beschwer­de­füh­renden Kliniken in kirchlicher Trägerschaft weisen sogar Fallzahlen von im Schnitt über 20 Level-1-Geburten jährlich aus, so dass jedenfalls für diese Beschwer­de­führer in Ermangelung näherer Darlegungen nicht nachvollziehbar ist, ob und welcher Beschwer­de­führer ein Absinken der Level-1-Geburten auf unter 14 pro Jahr konkret zu befürchten hätte. Zudem fehlt es an einer Ausein­an­der­setzung mit dem Gesichtspunkt, dass die für die Kranken­haus­planung zuständigen Landesbehörden Leistungen bestimmen können, bei denen die Anwendung der Mindest­men­gen­re­gelung die Sicherstellung der Versorgung gefährden könnte, und dass sie auf dieser Grundlage das Erbrin­gungs­verbot und den Wegfall des Vergü­tungs­an­spruchs für nicht anwendbar erklären können. Schließlich geht die Verfas­sungs­be­schwerde nicht darauf ein, dass zwischen­zeitlich ausdrücklich vorgesehen ist, dass der Gemeinsame Bundesausschuss bei den Mindest­men­gen­fest­le­gungen Ausnah­me­tat­be­stände und Überg­angs­re­ge­lungen vorsehen soll, um unbillige Härten insbesondere bei nachgewiesener, hoher Qualität unterhalb der festgelegten Mindestmenge zu vermeiden. Eine Ausein­an­der­setzung mit dieser Neuregelung wäre notwendig gewesen; dies gilt umso mehr, als die bisherige, nunmehr aber in nicht unerheblichem Maße zu Gunsten der Krankenhäuser geänderte Rechtslage offenbar nicht zu konkret nachteiligen Folgen für die Beschwer­de­führer geführt hat. Nach allem ist eine Ausein­an­der­setzung mit den inhaltlichen Argumenten der Beschwer­de­führer, vor allem mit den durchaus gewichtigen Zweifeln an der demokratischen Legitimation des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses als Institution nicht veranlasst.

Keine Verletzung des Rechts auf gesetzlichen Richter

Eine Verletzung im grund­rechts­gleichen Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) durch die angegriffenen Entscheidungen ist ebenfalls nicht hinreichend substantiiert dargetan. Die Beschwer­de­führer machen nicht deutlich, warum in der Feststellung von Tatsachen durch das Bundes­so­zi­al­gericht ein Verstoß gegen dieses Recht liegen soll. Sie setzen sich weder näher mit dem Begriff der generellen Tatsache, die das Revisi­ons­gericht zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung anerkann­termaßen selbst feststellen kann, noch damit auseinander, warum im konkreten Fall die Willkürgrenze überschritten sein könnte. Zudem ist weder die Rüge, ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter ergebe sich aus der fehlenden Vorlage an den Großen Senat des Bundes­so­zi­al­ge­richts, noch der Vorwurf, das Landes­so­zi­al­gericht habe gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter verstoßen, hinreichend substantiiert dargetan.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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