23.11.2024
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Dokument-Nr. 31774

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Beschluss22.03.2022Bundesverfassungsgericht1 BvR 2868/15, 1 BvR 354/16, 1 BvR 2887/15 und 1 BvR 2886/15
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Bundesverfassungsgericht Beschluss22.03.2022

Bundes­verfassungs­gericht bestätigt Bettensteuer als verfas­sungsgemäßÖrtliche Übernach­tung­s­teuern in Beherbergungs­betrieben mit dem Grundgesetz vereinbar

Das Bundes­verfassungs­gericht hat vier Verfassungs­beschwerden zurückgewiesen, die die Erhebung einer Steuer auf entgeltliche Übernachtungen in Beherbergungs­betrieben (Übernach­tung­steuer) in der Freien und Hansestadt Hamburg, in der Freien Hansestadt Bremen sowie in der Stadt Freiburg im Breisgau betreffen.

Seit dem Jahr 2005 führten zahlreiche Städte und Gemeinden unter Berufung auf Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG eine Steuer auf entgeltliche Übernachtungen in Beher­ber­gungs­be­trieben im Gemeindegebiet ein. Diese so genannte „Übernach­tung­steuer“, „Hotelsteuer“ oder „Bettensteuer“ (im Folgenden: Übernach­tung­steuer) beläuft sich zumeist auf einen niedrigen Prozentsatz des Preises einer beruflich veranlassten Übernachtung (Nettoentgelt) und wird in der Regel vom Übernach­tungsgast (Steuerträger) bei der Buchung oder der Anmeldung im Beherbergungsbetrieb erhoben. Steuerschuldner ist der jeweilige Beher­ber­gungs­betrieb. Er führt die Übernach­tung­s­teuern an das Finanzamt ab. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht entschied mit – nicht verfah­rens­ge­gen­ständ­lichem – Grundsatzurteil vom 11. Juli 2012 - BVerwG 9 CN 1.11 -, dass beruflich veranlasste Übernachtungen aus verfas­sungs­recht­lichen Gründen von der Steuer auszunehmen seien. Seither nehmen deutschlandweit sämtliche Übernach­tung­s­teu­er­gesetze solche Übernachtungen von der Besteuerung aus. Gegenstand der Verfas­sungs­be­schwerden waren Entscheidungen der Fachgerichte, denen die mittelbar angegriffenen Regelungen der Übernach­tung­steuer zu Grunde lagen. Sämtliche Beschwer­de­füh­re­rinnen sind Beher­ber­gungs­be­triebe. Ihre Beschwerden richten sich gegen die Erhebung von kommunalen Übernach­tung­s­teuern bzw. gegen die Steuer­an­mel­dungen in Hamburg, Bremen und der Stadt Freiburg im Breisgau.

BVerfG: Länder für Bettensteuer gesetz­ge­bungs­befugt

Die Verfas­sungs­be­schwerden haben keinen Erfolg. Die Gerichtsurteile und die ihnen zugrun­de­lie­genden Normen greifen zwar in die allgemeine Handlungs­freiheit der Beschwer­de­füh­re­rinnen im vermö­gens­recht­lichen Bereich aus Art. 2 Abs. 1 GG sowie in ihre Berufs­aus­übungs­freiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. Diese Eingriffe sind jedoch gerechtfertigt. Die Länder haben die der Besteuerung zugrun­de­lie­genden Gesetze kompetenzgemäß erlassen. Die streitigen Übernach­tung­s­teuern sind örtliche Aufwandsteuern im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, die bundes­ge­setzlich geregelten Steuern nicht gleichartig sind. Gegenstand der Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG ist die Verwendung von Einkommen für den persönlichen Lebensbedarf. Als Aufwand gilt dabei ein äußerlich erkennbarer Konsum, für den finanzielle Mittel verwendet werden und der typischerweise Ausdruck und Indikator wirtschaft­licher Leistungs­fä­higkeit ist, ohne dass es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln dieser Konsum finanziert wird und welchen Zwecken er dient. Bei der Hamburgischen Kultur- und Tourismustaxe, der Bremischen Tourismusabgabe und der Freiburger Übernach­tung­steuer handelt es sich demnach um Aufwandsteuern. Steuer­ge­genstand ist jeweils der Aufwand des Beher­ber­gungs­gastes für die Möglichkeit einer entgeltlichen Übernachtung in einem Beher­ber­gungs­betrieb. Dieser von den Übernach­tungs­gästen betriebene Aufwand wird bei den Beher­ber­gungs­be­trieben als Steuerschuldner erhoben (indirekte Steuererhebung). Die Übernach­tung­steuer ist damit auf Abwälzung auf die Konsumenten angelegt. Die hier streitigen Steuern sind weder der Umsatzsteuer noch einer anderen bundesrechtlich geregelten Steuer gleichartig. Das Gleich­ar­tig­keits­verbot des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG schränkt das Steue­rer­fin­dungsrecht der Länder ein, das mit ihrer Befugnis zur ausschließ­lichen Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern verbunden ist. Für die Beurteilung der Gleichartigkeit kommt es auf eine Gesamt­be­trachtung der konkreten Ausgestaltung einer Aufwandsteuer einerseits, eventuell gleichartiger Bundessteuern andererseits an. Eine weitreichende Sperrwirkung für das Besteu­e­rungsrecht von Ländern und Kommunen ist damit nicht verbunden. Bei den streit­ge­gen­ständ­lichen Übernach­tung­s­teuern handelt es sich weder um flächenartige Umsatzsteuern auf Landes- oder Kommunalebene noch ist der Aufwand einer entgeltlichen Übernachtung in einem Beher­ber­gungs­betrieb bisher durch eine spezielle Steuer des Bundes belegt. Demnach besteht keine Sperrwirkung für die Gesetz­ge­bungs­be­fugnis der Länder. Die Wahrnehmung der Steuer­ge­setz­ge­bungs­kom­petenz des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG verletzt im konkreten Fall auch nicht die Grenzen rechts- und bundess­taat­licher Kompe­ten­z­ausübung. Die angegriffenen Steuer­re­ge­lungen verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Wider­spruchs­freiheit der Rechtsordnung, weil sie keine Lenkungswirkung haben und daher von vornherein nicht in die Sachge­setz­ge­bungs­kom­petenz des Bundes­ge­setz­gebers eingreifen können. Sie verstoßen auch nicht gegen den Grundsatz der Bundestreue, weil die Landes­ge­setzgeber ihre Recht­set­zungs­kom­petenz nicht missbraucht haben.

Keine Verletzung des Grundsatzes der gerechten Lasten­ver­teilung

Die Übernach­tung­s­teuern sind auch materiell verfas­sungsgemäß. Die Besteuerung beruht in Hamburg und Bremen auf einer landes­ge­setz­lichen Grundlage, in Freiburg auf einer Satzung, die selbst auf landes­ge­setz­licher Grundlage steht. Der Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG ist ebenso gerechtfertigt wie die mit der Steuererhebung verbundenen Pflichten im Besteu­e­rungs­ver­fahren, die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG betreffen. Der mit der Besteuerung verbundene Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG ist gerechtfertigt, weil die Ausgestaltung der Übernach­tung­s­teu­er­re­ge­lungen die Anforderungen des Gleich­heits­grund­rechts (Art. 3 Abs. 1 GG) wahrt und die Beschwer­de­füh­re­rinnen nicht unver­hält­nismäßig belastet. Die Bestimmung der Beher­ber­gungs­be­triebe zu Steuer­schuldnern verletzt den Grundsatz der gerechten Lasten­ver­teilung nicht. Die indirekte Erhebung der Übernach­tung­s­teuern bei den Beher­ber­gungs­be­trieben ist im Sinne einer gleich­heits­ge­rechten Steuererhebung nachvollziehbar und nicht willkürlich. Die Beher­ber­gungs­be­triebe stehen in einer besonderen rechtlichen und wirtschaft­lichen Beziehung zum Steuer­ge­genstand, denn sie leisten einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung des steuer­be­grün­denden Tatbestands der Übernachtung. Die Übernach­tung­steuer ist zudem auf Abwälzung angelegt. Die Beschwer­de­füh­re­rinnen können die Übernach­tung­steuer ohne Weiteres von den Übernach­tungs­gästen, die aus nicht-beruflichem Anlass übernachten, vereinnahmen.

Ausnahme von beruflichen Übernachtungen zwar zulässig, aber nicht zwingend erforderlich

Auch die Ausnahmen von der Besteuerung für beruflich veranlasste Übernachtungen sind mit dem Gleich­heits­grundrecht (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar. Bei den Ausnah­me­tat­be­ständen handelt es sich um Abweichungen von der – mit der Wahl des Steuer­ge­gen­standes „entgeltliche Übernachtungen in Beher­ber­gungs­be­trieben“ – einmal getroffenen Belas­tungs­ent­scheidung, die ihrerseits am Gleichheitssatz zu messen sind. Danach kann ein Normgeber die berufliche Veranlassung als Anknüp­fungspunkt für eine Differenzierung bei der Aufwand­be­steuerung wählen und für die Berufsausübung zwingend erforderliche Übernachtungen von der Besteuerung ausnehmen, um etwa der (lokalen) Wirtschafts­för­derung zu dienen. Der Gesetzgeber ist indes von Verfassungs wegen nicht dazu gezwungen, von einer Besteuerung beruflich veranlasster Übernachtungen abzusehen. Die angegriffenen Vorschriften leiden auch nicht an einem mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren strukturellen Erhebungs- und Vollzugsdefizit. Dass die faktischen Erhebungs­schwie­rig­keiten, die aus der Steuerausnahme für zwingend beruflich veranlasste Übernachtung resultieren, derart in den angegriffenen Regelungen angelegt sind, dass das Recht widersprüchlich auf Ineffektivität angelegt wäre, ist angesichts der Nachweis-, Haftungs- und Sankti­o­ns­re­ge­lungen nicht ersichtlich.

Zusätzlicher Aufwand für Beschwer­de­füh­re­rinnen zumutbar

Der Eingriff in die Berufsfreiheit der Beschwer­de­füh­re­rinnen aus Art. 12 Abs. 1 GG durch deren Indienstnahme als Zahlstelle für die Übernach­tung­steuer ist ebenfalls gerechtfertigt. Eine für die Beschwer­de­füh­re­rinnen weniger belastende Bestimmung zum Steue­r­en­t­rich­tungs­pflichtigen stellt kein gleich geeignetes Mittel dar, da die Haftung als Steuerschuldner für die Durchsetzung der Steuerpflicht offensichtlich effektiver ist. Eine direkte Erhebung bei den Übernach­tungs­gästen wäre nicht praktikabel. Den Beschwer­de­füh­re­rinnen ist es insgesamt zumutbar, die Steuererhebung durch ihre Mitwirkung zu ermöglichen. Durch die Pflichten insbesondere zur Steueranmeldung sowie zur Abführung der Steuer entsteht ihnen zwar ein zusätzlicher, allein der Übernach­tung­steuer geschuldeter Aufwand. Diese zusätzlichen Pflichten im Besteu­e­rungs­ver­fahren stellen aber eine unter­neh­mens­ty­pische Tätigkeit dar, die über ähnliche Belastungen des Melderechts und des Umsatz­steu­er­rechts nicht hinausgeht

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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