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Bundesverfassungsgericht Beschluss23.12.2020
Rundfunkbeitrag: Bundesverfassungsgericht lehnt Eilanträge von ARD, ZDF und Deutschlandradio abBegründung reichte dem Bundesverfassungericht nicht
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Eilanträge von ARD, ZDF und Deutschlandradio zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags abgelehnt. Damit bleibt er auch nach dem Jahreswechsel bei 17,50 Euro monatlich. Die Öffentlich-Rechtlichen wollten durch eine einstweilige Anordnung die Erhöhung der Rundfunkgebühren zum 1. Januar vorläufig erreichen.
Die Anträge hatten sich gegen die Entscheidung Sachsen-Anhalts gewandt, dem neuen Rundfunkstaatsvertrag vorerst nicht zuzustimmen. Es geht um eine Beitragserhöhung von 86 Cent.
Sachverhalt
Die Beschwerdeführer rügen mit ihren Verfassungsbeschwerden unter Verweis auf die Senatsrechtsprechung zur Rundfunkfinanzierung (BVerfGE 90, 60; 119, 181) eine Verletzung ihrer Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Mit dem Unterlassen der Zustimmung zum Ersten Medienänderungsstaatsvertrag (1. MÄStV) und in dessen Folge der unterlassenen Hinterlegung der Ratifikationsurkunde durch den Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt weiche der Landtag von Sachsen-Anhalt aus verfassungsrechtlich unzulässigen programmlichen und medienpolitischen Gründen von den durch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) überprüften und korrigierten Bedarfsanmeldungen der Rundfunkanstalten ab. Damit werde der Grundsatz der Programmneutralität und Programmakzessorietät der Finanzierungsentscheidung verletzt. Nachprüfbare Gründe für die Abweichung von den Feststellungen der KEF habe der Landtag Sachsen-Anhalt weder erörtert noch seien sie sonst ersichtlich. Art. 1 des 1. MÄStV sei einstweilen in Geltung zu setzen. Die Verfallsklausel des Art. 2 Abs. 2 des 1. MÄStV müsse vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Kraft gesetzt werden, um dem Land Sachsen-Anhalt auf Anordnung des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 35 BVerfGG ein Inkraftsetzen des geänderten Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags auch nach Ablauf des Jahres 2020 zu ermöglichen.
Zu dem Antrag der Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 2756/20 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben Stellung genommen: die Bundesregierung; in einer gemeinsamen Stellungnahme die Regierungen der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein; die Regierungen Bremens und des Saarlands. Die Regierung des Landes Sachsen-Anhalt hält den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache, jedenfalls aber für unbegründet.
Die Verfassungsbeschwerden sind weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet (vgl. zu diesen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung BVerfGE 134, 138 <140 Rn. 6>; stRspr). Angesichts der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erscheint eine Verletzung der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rundfunkfreiheit zumindest möglich.
Sender haben keine schweren Nachteile dargelegt, die eine einstweilige Anordnung begründen könnten
Die Beschwerdeführer haben jedoch nicht in der den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechenden Weise dargelegt, dass ihnen durch ein Abwarten bis zum Abschluss des Verfassungsbeschwerdeverfahrens schwere Nachteile im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG entstehen. Auf eine Folgenabwägung kommt es daher nicht an.
Die Beschwerdeführer legen nicht näher dar, dass eine verfassungswidrige Verzögerung des Inkrafttretens der Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags irreversibel zu schweren Nachteilen führte.
Der Senat hat früher ausgeführt, dass sich eine möglicherweise durch das Fehlen hinreichender Mittel ausgelöste Verschlechterung des Programmangebots angesichts der Zeitgebundenheit der Wirkungen des Rundfunks nicht schlicht durch eine entsprechende finanzielle Mehrausstattung in späteren Zeiträumen kompensieren lasse (vgl. BVerfGE 119, 181 <241>). Ist in vergangenen Zeiträumen ein verschlechtertes Angebot ausgestrahlt worden, kann dies durch spätere Mehrausstattung tatsächlich nicht mehr ausgeglichen werden. Daraus geht die Irrevisibilität der Folgen eines verspäteten Inkrafttretens des geänderten Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags jedoch nicht ohne Weiteres hervor. Dies hätten die Beschwerdeführer vielmehr näher aufzeigen müssen. Denn wenn das Programmangebot tatsächlich erbracht wird, ist nach den genannten Grundsätzen eine kompensierende Mehrausstattung in späteren Zeiträumen durchaus nicht ausgeschlossen. Sofern die Beschwerdeführer also geltend machen wollen, eine verfassungswidrige Verzögerung des Inkrafttretens der Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags löse eine Verschlechterung des Programmangebots aus und verletzte irreparabel ihre Rundfunkfreiheit, hätten sie substantiiert darlegen müssen, bei Nichtinkrafttreten ab dem 1. Januar 2021 mangels Beitragserhöhung zu dem von der KEF geprüften Programmangebot nicht in der Lage zu sein, obwohl im Fall des Obsiegens im Verfassungsbeschwerdeverfahren eine kompensierende Mehrausstattung in späteren Zeiträumen in Betracht kommt. Zwar ist ohne Weiteres plausibel, dass die Beschwerdeführer trotz der Aussicht auf spätere finanzielle Mehrausstattung nicht auf unbegrenzte Zeit in der Lage wären, das Programmangebot gewissermaßen in eigener „Vorleistung“ zu realisieren. Nicht ohne Weiteres plausibel ist hingegen, dass dies – mit Blick auf entsprechende spätere Mehrausstattung – nicht für eine gewisse Zeit möglich sein sollte. Insofern hätte es genauerer Angaben bedurft. Der Hinweis der Beschwerdeführer auf eine Deckungslücke bis Ende des Jahres 2024 oder aber jedenfalls bis Ende des Jahres 2022 reicht schon deshalb nicht aus, weil nicht nachvollzogen werden kann, warum im Falle eines Abwartens der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden der Finanzbedarf bis Ende des Jahres 2022 oder sogar bis Ende des Jahres 2024 ungedeckt bleiben sollte.
Im Übrigen wäre den Anstalten nach der bereits genannten Senatsentscheidung jedenfalls ein Ausgleich zu gewähren, falls ihnen auf der Grundlage einer verfassungswidrigen Festsetzung des Beitrags Mittel – etwa für nötige Investitionen – entgangen sein sollten, deren Bezug nach ihren früheren Bedarfsanmeldungen und den Feststellungen der KEF erforderlich war, um die Erfüllung des Rundfunkauftrags sicherzustellen (vgl. BVerfGE 119, 181 <242>). Auch insofern hätten die Beschwerdeführer darlegen müssen, warum ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung gleichwohl irreversible Nachteile eintreten sollten. Hierzu tragen die Beschwerdeführer ebenfalls nicht substantiiert vor.
Die Beschwerdeführer tragen auch hinsichtlich der Verfallsklausel in Art. 2 Abs. 2 des 1. MÄStV, deren einstweilige Außerkraftsetzung sie beantragen, die in § 32 BVerfGG vorausgesetzte Dringlichkeit nicht substantiiert vor. Sie begründen nicht näher, inwiefern die Verfallsklausel nach dem 31. Dezember 2020 einer Realisierung der angestrebten Beitragserhöhung rechtlich oder tatsächlich im Wege stehen sollte. Sie legen auch nicht dar, weshalb es für den Fall, dass eine einstweilige Außerkraftsetzung der Verfallsklausel in Art. 2 Abs. 2 des 1. MÄStV in dem vorliegenden Eilverfahren unterbleibt, nicht möglich sein sollte, dem Rechtsschutzbegehren der Beschwerdeführer in der Hauptsache zu entsprechen. Insbesondere erläutern sie nicht weiter, warum die Verfallsklausel – wie sie behaupten – vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Kraft gesetzt werden müsste, um dem Land Sachsen-Anhalt – etwa auf Anordnung des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 35 BVerfGG – ein Inkraftsetzen der Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags auch nach Ablauf des Jahres 2020 zu ermöglichen
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 23.12.2020
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/pt)
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