18.10.2024
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Sie sehen einen Jäger, der in der Dämmerung mit geschultertem Gewehr einen Hügel hinaufgeht.
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Bundesverfassungsgericht Beschluss13.12.2006

Bundes­ver­fas­sungs­gericht sieht Zwangs­mit­glied­schaft in Jagdge­nos­sen­schaft als verfas­sungsgemäß anGrundrechte sind nicht verletzt

Die Zwangs­mit­glied­schaft in der Jagdge­nos­sen­schaft, die das Bundes­jagd­gesetz für Eigentümer von zusam­men­hän­genden Grundflächen mit mehr als 75 ha land-, forst oder fische­rei­wirt­schaftlich nutzbaren Flächen vorsieht, ist verfas­sungsgemäß. Das hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden.

Nach dem Bundes­jagd­gesetz bilden zusam­men­hängende Grundflächen mit einer land-, forst- oder fische­rei­wirt­schaftlich nutzbaren Fläche von 75 ha an, die im Eigentum ein und derselben Person stehen, einen Eigenjagdbezirk. Alle Grundflächen einer Gemeinde, die nicht zu einem Eigenjagdbezirk gehören, bilden einen gemein­schaft­lichen Jagdbezirk, wenn sie im Zusammenhang mindestens 150 ha umfassen. Die Eigentümer der Grundflächen, die zu einem gemein­schaft­lichen Jagdbezirk gehören, bilden kraft Gesetzes eine Jagdgenossenschaft. Ihr steht im gemein­schaft­lichen Jagdbezirk das Jagdaus­übungsrecht zu. Die Jagdge­nos­sen­schaft nutzt die Jagd in der Regel durch Verpachtung.

Der Beschwer­de­führer, der die Jagd auf Tiere aus Gewis­sens­gründen ablehnt, ist Eigentümer eines Grundstücks, das zu einem gemein­schaft­lichen Jagdbezirk gehört. Er hält die Zwangsmitgliedschaft in der Jagdge­nos­sen­schaft für verfas­sungs­widrig. Seinem Antrag auf Entlassung aus der Jagdge­nos­sen­schaft wurde nicht entsprochen; die hiergegen erhobene Klage blieb vor den Verwal­tungs­ge­richten (BVerwG, Urteil v. 14.04.2005 - BVerwG 3 C 31.04 -) ohne Erfolg. Seine Verfas­sungs­be­schwerde wurde von der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Das Eigen­tums­grundrecht ist nicht verletzt. Die Regelungen des Bundes­jagd­ge­setzes über die gemein­schaft­lichen Jagdbezirke und das Jagdaus­übungsrecht durch die Jagdge­nos­sen­schaften stellen eine zulässige Inhalts- und Schran­ken­be­stimmung des Eigentums dar. Sie verfolgen legitime Ziele, sind erforderlich und beeinträchtigen die Eigen­tü­me­r­in­teressen nicht unver­hält­nismäßig.

Die gesetz­ge­be­rischen Ziele erschöpfen sich nicht in der Ermöglichung der Jagdausübung und der Vermeidung von Wildschäden, sondern umfassen auch Gesichtspunkte des Naturschutzes, der Landschafts­pflege und des Tierschutzes. Der Gesetzgeber hat mit dem Jagdrecht ausdrücklich die Pflicht zur Hege verbunden. Die Hege hat die Erhaltung eines den landschaft­lichen und landes­kul­tu­rellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes, sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebens­grundlagen zum Ziel. Ein dem Gedanken der Hege verpflichtetes Jagdrecht dient auch dem Schutz der natürlichen Lebens­grundlagen (Art. 20 a GG).

Der Gesetzgeber durfte annehmen, dass die Zwecke des Jagdrechts einschließlich der Hege am besten in grund­s­tücks­über­grei­fender Weise verwirklicht werden können. Würde man einzelnen oder allen Eigentümern das Jagdrecht zur freien Ausübung belassen, bedürfte es – um die genannten Jagd- und Hegeziele zu erreichen – eines voraussichtlich erheblich höheren Regelungs- und Überwa­chungs­aufwands durch den Staat, als dies gegenwärtig gegenüber den auch selbst­ver­waltend tätigen Jagdge­nos­sen­schaften der Fall ist. Demgegenüber stellen sich die Einschränkungen der Eigen­tü­mer­be­fugnisse des Beschwer­de­führers nicht als besonders gravierend dar. Zudem sieht das Gesetz in den Mitwir­kungs­rechten des Beschwer­de­führers in der Jagdge­nos­sen­schaft und in seinem nicht abdingbaren Teilhaberecht am Pachterlös einen angemessenen Ausgleich für die Beschränkung des Eigentums vor.

2. Der Beschwer­de­führer ist nicht in seiner Gewis­sens­freiheit verletzt. Der Gewis­sens­freiheit des Beschwer­de­führers stehen kollidierende Verfas­sungsgüter gegenüber. Es handelt sich dabei um die gleichen, auf verfas­sungs­rechtliche Wertent­schei­dungen rückführbaren Ziele des Jagdrechts, die auch die jagdrechtliche Inhalts- und Schran­ken­be­stimmung des Grundeigentums rechtfertigen. Müssten das Grundstück des Beschwer­de­führers und die Grundstücke weiterer Eigentümer, die die Jagd ebenfalls ablehnen, aus der Jagdge­nos­sen­schaft ausscheiden, wäre die vom Gesetzgeber bezweckte Eigentums- und Hegeordnung in Gefahr. Demgegenüber wiegt die Beein­träch­tigung des Beschwer­de­führers dadurch, dass er die Ausübung der Jagd auf seinen Grundstücken hinnehmen muss, geringer, auch wenn sie ihn subjektiv nicht unerheblich belasten mag. Der Beschwer­de­führer wird nicht gezwungen, die Jagd auszuüben oder diese tätig zu unterstützen.

3. Die Gerichte haben in den angegriffenen Entscheidungen die Europäische Menschen­rechts­kon­vention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausreichend berücksichtigt. Insbesondere haben sie das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 29. April 1999 zum französischen Jagdrecht in den Blick genommen und hierbei die Unterschiede der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse nach deutschem Jagdrecht gegenüber den seinerzeit maßgeblichen nach französischem Recht heraus­ge­ar­beitet.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 3/2007 des BVerfG vom 12.01.2007

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