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22.02.2025  
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Bundesverfassungsgericht Beschluss08.06.2010

Verfas­sungs­be­schwerden gegen die Eingliederung privater Unternehmen in den öffentlichen Rettungsdienst erfolglosSystemwechsel zu ausschließlich öffentlichen Rettungsdienst stellt keinen unzulässigen Eingriff in Berufsfreiheit dar

Die Eingliederung privater Unternehmen in den öffentlichen Rettungsdienst ist zulässig und mit dem Grundgesetz vereinbar. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht und erklärte zwei dagegen gerichtete Verfas­sungs­be­schwerden für unzulässig bzw. unbegründet.

In allen Bundesländern besteht derzeit ein bodengebundener Rettungsdienst, der Krankentransport und Notfallrettung umfasst, in öffentlicher Trägerschaft (öffentlicher Rettungsdienst). Die Durchführung des öffentlichen Rettungs­dienstes obliegt vereinzelt der Feuerwehr, ist aber in den meisten Ländern auf private Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen, wie u. a. das Deutsche Rote Kreuz, und auf private Unternehmen übertragen. Die rechtliche Gestaltung der Übertragung unterscheidet sich stark. Während teilweise nur ein öffentlicher Rettungsdienst vorgesehen ist, innerhalb dessen private Leistungs­er­bringer mitwirken können (Einheits- oder Einglie­de­rungs­modell), ist in anderen Ländern neben dem öffentlichen auch ein privater Rettungsdienst zulässig (duales System oder Trennungsmodell).

Sachverhalt

Im Freistaat Sachsen bestand ursprünglich neben dem öffentlichen auch ein privater Rettungsdienst. Der öffentliche Träger des Rettungs­dienstes übertrug durch öffent­lich­recht­lichen Vertrag die Durchführung von Notfallrettung und Kranken­transport auf private Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen oder auf andere Unternehmer. Daneben konnten Unternehmer mit entsprechender Genehmigung zur Notfallrettung oder zum Kranken­transport auch einen privaten Rettungsdienst im eigenen Namen, auf eigene Verantwortung und auf eigene Rechnung betreiben. Die Genehmigung war zu versagen, wenn zu erwarten war, dass durch ihren Gebrauch das öffentliche Interesse an einem funkti­o­ns­fähigen Rettungsdienst beeinträchtigt wird (Funkti­o­ns­schutz­klausel).

Mitwirkung privater Rettungs­un­ter­nehmen nur noch im Rahmen des öffentlichen Rettungs­dienstes möglich

Durch das Sächsische Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katas­tro­phen­schutz (SächsBRKG), insbesondere durch den am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen § 31 SächsBRKG, wurde für den Rettungsdienst der Wechsel vom dualen System zum Einglie­de­rungs­modell vollzogen. Danach ist die Mitwirkung privater Rettungs­un­ter­nehmen nur noch im Rahmen des öffentlichen Rettungs­dienstes möglich. Der öffentliche Träger des Rettungs­dienstes überträgt ihnen nach Durchführung eines Auswahl­ver­fahrens durch öffent­lich­recht­lichen Vertrag die Durchführung der Notfallrettung und des Kranken­transports. Er vereinbart mit den Kostenträgern einheitliche Entgelte für den Rettungsdienst bzw. legt die Gebühren durch Satzung fest. Dem öffentlichen Träger des Rettungs­dienstes obliegt ferner die Errichtung der Leitstellen, wobei es sich in der Regel um bereichs­über­greifende Einrichtungen handelt, die Einsätze des Rettungs­dienstes veranlasst und lenkt, die Feuerwehren alarmiert, deren Einsätze unterstützt und die Katas­tro­phen­schut­zein­heiten alarmiert.

Einheitlichkeit in Organisation und Durchführung soll effizienten Schutz der Bevölkerung gewährleisten

Vordringliches Ziel des neuen Gesetzes, das auch das bisherige Gesetz über den Brandschutz und die Hilfeleistung der Feuerwehren bei Unglücksfällen sowie das Gesetz über den Katas­tro­phen­schutz im Freistaat Sachsen ablöste, ist es, durch eine Einheitlichkeit in Organisation und Durchführung in allen Bereichen einen effizienten Schutz der Bevölkerung vor Bränden, Unglücksfällen, öffentlichen Notständen und Katastrophen zu gewährleisten.

Vorschrift verletzt Beschwer­de­führer nicht in Grundrechten oder Berufsfreiheit

Die hiergegen erhobenen Verfas­sungs­be­schwerden der beiden Beschwer­de­führer, die in Sachsen private Rettungs­dien­st­un­ter­nehmen betreiben, hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht teilweise als unzulässig verworfen und im Übrigen zurückgewiesen. Die angegriffene Vorschrift verletzt die Beschwer­de­führer nicht in ihren Grundrechten, insbesondere nicht in ihrer Berufsfreiheit. Die Neuordnung des Rettungs­dienstes rechtfertigt sich aus der Verfolgung überragend wichtiger Gemeinwohlziele.

Verfas­sungs­be­schwerde ist unzulässig

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Unzulässig ist eine der Verfas­sungs­be­schwerden insoweit, als sie sich auch gegen die Gestaltung des nach der neuen Regelung vorgesehenen Auswahl­ver­fahrens wendet, weil es der betreffenden Beschwer­de­führerin zumutbar ist, den Verga­be­rechtsweg vor den Fachgerichten zu beschreiten, wenn eine für sie nachteilige Entscheidung im Auswahl­ver­fahren ergehen sollte.

Auswahl­ver­fahren bei Bedarf an Kranken­kraftwagen und Notarzt-Einsatz­fahr­zeugen notwendig

Im Übrigen sind beide Verfas­sungs­be­schwerden unbegründet. Der Systemwechsel zu einem ausschließlich öffentlichen Rettungsdienst greift zwar in die Berufsfreiheit der Beschwer­de­führer ein. Denn für die Mitwirkung im öffentlichen Rettungsdienst ist nicht nur der Abschluss eines öffent­lich­recht­lichen Vertrags mit dem Träger des Rettungs­dienstes erforderlich; ein Interessent muss sich vielmehr zuvor in einem Auswahl­ver­fahren gegen seine Mitbewerber durchgesetzt haben. Ein solches Auswahl­ver­fahren findet aber nur statt, wenn und soweit ein Bedarf namentlich an Kranken­kraftwagen und Notarzt-Einsatz­fahr­zeugen besteht. Zudem können die privaten Unternehmer ihre Rettungsdienste nicht mehr auf der Grundlage eigener vertraglicher Vereinbarungen mit den Kostenträgern des Rettungs­dienstes und den Krankenkassen erbringen.

Eingriffe in Berufsfreiheit gerechtfertigt

Diese Eingriffe in die Berufsfreiheit der Beschwer­de­führer sind jedoch gerechtfertigt. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Neuordnung des Rettungs­dienstes legitime Gemeinwohlziele und durfte im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungs- und Progno­se­spielraums auch davon ausgehen, dass die angegriffene Regelung zur Erreichung dieser Ziele geeignet und erforderlich ist.

Abhängigkeit der Zulassung vom Bedarf an Kranken­kraftwagen und Notarzt-Einsatz­fahr­zeugen soll Entstehen von Überkapazitäten vermeiden

Die mit der Neuregelung erstrebte Verbesserung des Schutzes von Leben und Gesundheit der Bevölkerung betrifft überragend wichtige Gemein­wohl­belange, die ohne den Eingriff in die Berufsfreiheit einer ernsthaften Gefährdung ausgesetzt wären. Durch die Eingliederung privater Unternehmen in den öffentlichen Rettungsdienst ist deren Zulassung nun vom Bedarf an Kranken­kraftwagen und Notarzt-Einsatz­fahr­zeugen abhängig. Sie vermeidet daher das Entstehen von Überkapazitäten, die angesichts der hohen Investitions- und Vorhaltekosten einen Konkurrenzkampf unter den privaten Rettungs­un­ter­nehmern befürchten lassen, der die Funkti­o­ns­fä­higkeit des Rettungs­dienstes in empfindlicher Weise stören würde.

Schnellst­mögliche und umfassende zentrale Koordinierung verfügbarer Rettungsmittel und Rettungskräfte bei Großeinsätzen offenkundig vorteilhaft

Außerdem durfte der Gesetzgeber annehmen, dass die vollständige Überführung des Rettungs­dienstes in öffentliche Trägerschaft zu einer generellen Verein­heit­lichung des Schutzkonzepts aus Feuerwehr, Rettungsdienst und Katas­tro­phen­schutz beiträgt und geeignet sowie erforderlich ist, zu einer effizienteren Durchführung von Notfallrettung und Kranken­transport beizutragen. Die Eingliederung erlaubt die Zusammenfassung behördlicher Zuständigkeiten und Befugnisse und gewährleistet so eine bessere Koordination der Einsätze von Feuerwehr, Rettungsdienst und Katas­tro­phen­schutz sowie den Zugriff auf sämtliche im Einzelfall benötigte Ressourcen sowohl bei Alltag­s­e­in­sätzen als gerade auch bei komplexen Unglücksfällen, in Großscha­denslagen oder im Katas­tro­phenfall. Im Rahmen eines ausschließlich staatlich organisierten Rettungs­dienstes ist ferner eine flexible und einheitliche Planung der Leitstellen und Rettungswachen möglich, die auf bestehende Genehmigungen für private Unternehmer keine Rücksicht nehmen muss. So kann eine flächendeckende und fachgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Rettungs­dienst­leis­tungen unter Vermeidung unnötiger Doppel­vor­hal­tungen leichter sichergestellt werden. Gerade bei größeren bereichs­über­grei­fenden Einsätzen oder in Großscha­denslagen ist eine schnellst­mögliche und umfassende zentrale Koordinierung sämtlicher verfügbarer Rettungsmittel und Rettungskräfte offenkundig vorteilhaft. Die zuvor im dualen System geregelte Funkti­o­ns­schutz­klausel, wonach die Zulassung privater Unternehmen nur für den Fall erlaubt war, dass hierdurch die Funkti­o­ns­fä­higkeit des öffentlichen Rettungs­dienstes nicht beeinträchtigt oder gefährdet wird, ist zur Verbesserung der Funkti­o­ns­fä­higkeit des öffentlichen Rettungs­dienstes nicht in gleich effizienter Weise geeignet. Denn sie vermag nicht zu einer Verein­heit­lichung der Strukturen und Abläufe von Feuerwehr, Rettungsdienst und Katas­tro­phen­schutz sowie zu einer effizienteren Koordinierung der Rettungs­dien­ste­insätze beizutragen.

Eingriffe auch hinsichtlich der Wirtschaft­lichkeit gerechtfertigt

Die Eingriffe in die Berufsfreiheit der Beschwer­de­führer sind auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaft­lichkeit gerechtfertigt. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass die vollständige Eingliederung privater Anbieter in den öffentlichen Rettungsdienst durch die verbesserte Planbarkeit und die effizientere Koordinierung der Einsätze kosten­auf­wändige Doppel­vor­hal­tungen personeller und sächlicher Rettungsmittel auszuschließen, zumindest aber zu reduzieren vermag. So vermindert sich die Zahl der Leitstellen, die außerdem noch kostengünstiger arbeiten können. Einspa­r­po­tentiale ergeben sich ferner durch die bessere Vernetzung des Rettungs­dienstes mit Feuerwehr und Katas­tro­phen­schutz. Die organi­sa­to­rische Zusammenfassung von Notfallrettung und Kranken­transport im öffentlichen Rettungsdienst trägt ebenfalls zur Wirtschaft­lichkeit des Gesamtsystems bei. Private Unternehmer sind im Unterschied zu öffentlichen Trägern nicht gezwungen, ihre Leistungen auch in wirtschaftlich unrentablen Gegenden anzubieten. Der öffentliche Rettungsdienst ist zur Geringhaltung der Kosten deshalb darauf angewiesen, dass Einnahmen aus tendenziell eher einträglichen Kranken­trans­porten zum Ausgleich der Aufwendungen für die Bereitstellung eines umfassenden Rettungs­dienstes und hier insbesondere zu den Aufwendungen für die Notfallrettung beitragen.

Wettbewerb zwischen Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen und privaten Unternehmern eröffnet

Schließlich ist der nunmehr geregelte Systemwechsel geeignet und erforderlich, das ebenfalls angestrebte Ziel eines transparenten und chancengleichen Zulas­sungs­ver­fahrens zu erreichen. Nach der früheren Rechtslage bestand faktisch ein abgeschlossenes System der etablierten Anbieter; im öffentlichen Rettungsdienst waren die Verträge mit den Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen, im privaten Rettungsdienst die Genehmigungen der Unternehmer regelmäßig verlängert worden. Demgegenüber ist nunmehr durch die Aufgabe der Trennung zwischen öffentlichem und privatem Rettungsdienst erstmals ein Wettbewerb zwischen Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen und privaten Unternehmern um alle benötigten Kapazitäten zu gleichen Konditionen eröffnet worden; alle, insbesondere auch neue Bewerber, haben grundsätzlich die gleiche Chance, als Leistungs­er­bringer ausgewählt zu werden.

Beein­träch­ti­gungen der Berufsfreiheit im Hinblick auf effizienten Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung nicht unangemessen

Im Rahmen der Gesamtabwägung ist zu beachten, dass durch die Neuregelung den privaten Unternehmern der Zugang zur Tätigkeit im Rettungsdienst in Sachsen nicht schlechthin verwehrt ist; sie haben nach wie vor die Möglichkeit, sich in der Notfallrettung und im Kranken­transport als Anbieter beruflich zu betätigen. Die dennoch verbleibenden Beein­träch­ti­gungen der Berufsfreiheit erscheinen angesichts des ihnen gegenüber stehenden überragend wichtigen Gemeinwohlziels eines effizienten Schutzes von Leben und Gesundheit der Bevölkerung nicht unangemessen.

Dauerhafter Bestandsschutz für unter­neh­me­rische Tätigkeit im Rettungsdienst kann nicht beansprucht werden

Die Neuregelung des Rettungs­dienstes ist schließlich auch nicht aus Gründen des Vertrau­ens­schutzes verfas­sungs­rechtlich zu beanstanden. Durch das angegriffene Gesetz ist den Inhabern von Genehmigungen zur Durchführung von Notfallrettung und Kranken­transport eine vierjährige Übergangszeit eingeräumt worden, während der sie ihre Unternehmen nach der alten Rechtslage fortführen konnten. Nach Ablauf der vierjährigen Übergangsfrist ist es den Beschwer­de­führern zumutbar, sich wie alle anderen Interessenten um den Abschluss eines solchen Vertrags in einem transparenten und chancengleichen Auswahl­ver­fahren zu bewerben. Einen dauerhaften Bestandsschutz für ihre unter­neh­me­rische Tätigkeit im Rettungsdienst können sie nicht beanspruchen. Steht wie hier die Geset­ze­s­in­tention einer unveränderten beruflichen Betätigung entgegen, so gebietet es der Vertrau­ens­schutz nicht, den Betroffenen die Möglichkeit hierzu im bisherigen Umfang zu erhalten.

Quelle: ra-online, Bundesverfassungsgericht

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