21.11.2024
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Dokument-Nr. 29811

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Bundesverfassungsgericht Beschluss10.12.2020

Verfassungs­beschwerde gegen die Verweigerung einer Erlaubnis zum Erwerb eines Arzneimittels zum Zweck der Selbsttötung erfolglosSubsi­dia­ri­täts­grundsatz der Verfassungs­beschwerde nicht mehr gegeben

Das Bundes­verfassungs­gericht hat eine Verfassungs­beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, mit der ein Ehepaar die Erlaubnis zum Erwerb eines tödlichen Arzneimittels zum Zweck der Selbsttötung begehrt. Diese Erlaubnis wurde zuvor vom Bundesinstitut für Arzneimittel verweigert und dessen Entscheidung anschließend von den Fachgerichten bestätigt.

Die in den Jahren 1937 und 1944 geborene Eheleute, wenden sich gegen die im gerichtlichen Verfahren bestätigte Weigerung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, ihnen jeweils eine Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis Natri­um­pen­to­ba­rbital zum Zweck der Selbsttötung zu erteilen. Die Beschwer­de­führer meinen, dass sich ihr mit der Verfassungsbeschwerde verfolgtes Anliegen durch das Urteil des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 26. Februar 2020 nicht erledigt habe. Insbesondere seien sie nicht darauf zu verweisen, sich das begehrte Medikament ärztlich verschreiben zu lassen, weil das ärztliche Landess­tan­desrecht eine solche Verschreibung nicht gestatte. Angebote von Suizidbeihilfe bestünden auch nach Wegfall der Strafdrohung des § 217 StGB faktisch nicht. Andere Möglichkeiten, das Recht auf selbst­be­stimmtes Sterben zu realisieren, seien nicht vorhanden.

Verfas­sungs­be­schwerde genügt nach BVerfG-Urteil nicht mehr dem Subsi­dia­ri­täts­grundsatz

Die Verfas­sungs­be­schwerde ist unzulässig. Sie genügt angesichts des Urteils des Zweiten Senats nicht mehr dem Subsi­dia­ri­täts­grundsatz des § 90 Abs. 2 BVerfGG. Den Beschwer­de­führern ist in der vorliegenden Sondersituation mit Blick auf die Entscheidung des Zweiten Senats zuzumuten, ihre Bemühungen wieder­auf­zu­nehmen, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Realisierung ihres Wunsches nach einem selbst­be­stimmten Tod zu schaffen. Die Möglichkeit, diesen Wunsch zu verwirklichen, ist infolge der Entscheidung des Zweiten Senats wesentlich verbessert. Infolge der Nichti­g­er­klärung des § 217 StGB liegt nicht mehr auf der Hand, dass eine aktive Suche der Beschwer­de­führer nach medizinisch kundigen Suizid­bei­helfern und verschrei­bungs­willigen und -berechtigten Personen aussichtslos wäre. Unter straf­recht­lichem Blickwinkel dürfte eine solche Leistung vielmehr angeboten werden.

BVerfG wünscht Vorabklärung der grundlegend modifizierten tatsächlichen und rechtlichen Situation

Zugleich sind von einer Vorabklärung der grundlegend modifizierten tatsächlichen und rechtlichen Situation und der damit verbundenen Abklärung des nunmehr geltenden fachrechtlichen Rahmens erheblich verbesserte verfas­sungs­ge­richtliche Entschei­dungs­grundlagen zu erhoffen. Insbesondere lässt sich nur so ermessen, welche konkreten Gestal­tungs­mög­lich­keiten und tatsächlichen Räume die nunmehr geltende Rechtslage bietet. Nur auf Grundlage einer solchen Klärung der Sach- und Rechtslage ist absehbar, ob infolge der Nichti­g­er­klärung des § 217 StGB nun ausreichende praktische und zumutbare Möglichkeiten bestehen, einen Suizidwunsch zu realisieren. Im Rahmen dieser Abklärung könnten auch an die neue Situation angepasste Konzepte des medizinischen und pharma­ko­lo­gischen Missbrauchs­schutzes erarbeitet und zur Anwendung gebracht werden. Eine verfas­sungs­ge­richtliche Sachent­scheidung zum jetzigen Zeitpunkt müsste demgegenüber auf weitgehend unsicherer Grundlage hinsichtlich der gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten ergehen. Eben davor soll der Subsi­dia­ri­täts­grundsatz schützen.

Derzeit keine eigene Sachent­scheidung möglich

Eine verfas­sungs­ge­richtliche Sachent­scheidung zum jetzigen Zeitpunkt würde schließlich den im Urteil des Zweiten Senats anerkannten politischen Gestal­tungs­spielraum bei der Erarbeitung eines übergreifenden legislativen Schutzkonzepts weitgehend einschränken und die Gestal­tungs­ent­scheidung faktisch vorwegnehmen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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