18.10.2024
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Dokument-Nr. 33403

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Bundesverfassungsgericht Beschluss18.10.2023

Erfolgloser Eilantrag gegen die gesetzliche Altersgrenze für NotareBVerfG setzt Altersgrenze für Notare nicht aus

Das Bundes­verfassungs­gericht hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit dem sich der als Anwaltsnotar tätige Beschwer­de­führer gegen das Erlöschen seines Notaramtes durch Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze für Notare wendet.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nach § 47 Nr. 2, § 48 a Bundes­no­ta­r­ordnung (BNotO) erlischt das Amt des Notars durch Erreichen der Altersgrenze von 70 Jahren. Das Notaramt des Beschwer­de­führers wird mit Ablauf des 30. November 2023 erlöschen, weil er die gesetzliche Altersgrenze von 70 Jahren erreicht. Der Beschwer­de­führer erhob Klage beim OLG Köln mit dem Antrag festzustellen, dass sein Notaramt nicht mit Erreichen der Altersgrenze erlösche. Das OLG Köln wies die Klage ab. Die hiergegen eingelegte Berufung des Beschwer­de­führers wies der Bundes­ge­richtshof zurück. Zur Begründung führte er aus, die Regelung der Altersgrenze sei nach ständiger Rechtsprechung mit dem Verfas­sungsrecht, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar. Mit seiner Verfas­sungs­be­schwerde wendet sich der Beschwer­de­führer unmittelbar gegen die fachge­richt­lichen Entscheidungen und mittelbar gegen § 47 Nr. 2, § 48 a BNotO. Er sieht sich insbesondere in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt. Die Altersgrenze sei im Anwaltsnotariat weder erforderlich noch angemessen, um das Ziel einer geordneten Altersstruktur im Interesse einer funkti­o­ns­tüchtigen Rechtspflege zu erreichen. Denn inzwischen herrsche ein erheblicher, demographisch bedingter Mangel an Bewerbern für Stellen als Anwaltsnotar. Zugleich beantragt der Beschwer­de­führer, im Wege der einstweiligen Anordnung das Erlöschen seines Notaramtes bis zur Haupt­sa­cheent­scheidung vorläufig aufzuschieben. Erginge die Anordnung nicht, entstünden ihm bei Erreichen der Altersgrenze irreversible und besonders schwerwiegende Nachteile. Insbesondere wäre seinem Notariat im Fall des Erlöschens seines Notaramtes die wirtschaftliche Grundlage entzogen.

Besonders schwerwiegende Nachteile nicht ausreichend dargelegt

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg. Der Beschwer­de­führer hat keine für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe von ganz besonderem Gewicht substantiiert dargelegt. Die von ihm vorgetragenen Nachteile, die ihm in der Zeit bis zur Entscheidung der Hauptsache entstehen, sind zwar gewichtig. Gemessen an den strengen Voraussetzungen, die für den Erlass einer auf Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes gerichteten einstweiligen Anordnung gelten, genügen sie für sich genommen jedoch nicht. Der Beschwer­de­führer legt insbesondere nicht hinreichend dar, dass mit dem Erlöschen seines Notaramtes ein irreversibles oder erschwert revidierbares Ausscheiden aus dem Notarberuf verbunden wäre. Der Beschwer­de­führer trägt nicht vor, dass im Fall eines Obsiegens in der Hauptsache sein Wiedereintritt in das Notaramt bereits aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist. Zwar führt er an, infolge eines faktischen Verlusts seiner Kanzleistrukturen der Sache nach wieder neu beginnen zu müssen. Er macht jedoch nicht geltend, dass ihm dies berufsrechtlich unmöglich sei. Weiter ist nichts dazu vorgebracht, dass – sollte sich der Beschwer­de­führer erneut einem Bewer­bungs­ver­fahren unterziehen müssen – er aufgrund einer bestehenden Konkur­renz­si­tuation nicht zum Zuge kommen könnte. Im Gegenteil trägt er selbst vor, dass in dem Amtsge­richts­bezirk, in dem sich sein Amtssitz befindet, ein Bewerbermangel herrsche. Seit dem Jahr 2012 könnten ausgeschriebene Notarstellen dort nicht oder nur zum Teil besetzt werden. Dies legt die Möglichkeit eines Wiedereintritts in das Anwaltsnotariat nahe. Hinzu kommt, dass § 6 Abs. 3 Satz 2 BNotO bei der Auswah­l­ent­scheidung Erleichterungen für bereits vormalig bestellte Notare vorsieht. Auch der Sachvortrag zum faktischen Verlust seines Notariats macht nach den Umständen des Einzelfalls besonders schwere Nachteile nicht plausibel. Der Beschwer­de­führer hat selbst vorgetragen, sich vor kurzer Zeit mit einer Anwaltsnotarin zur gemeinsamen Berufsausübung verbunden zu haben, zu deren Notarvertreter er überdies bestellt ist. Es ist daher jedenfalls ohne ergänzende Darlegungen nicht plausibel, dass mit Verlust des Notarstatus auch sämtliche Geschäfts­stel­len­strukturen verloren gehen. Ein erheblicher Verlust von Geschäfts­stel­len­strukturen ist auch deshalb nicht ohne Weiteres plausibel, weil der Beschwer­de­führer weiterhin als Rechtsanwalt tätig sein kann. Er hat nicht nachvollziehbar dargetan, weshalb es nicht möglich sein soll, das Notari­ats­personal jedenfalls teilweise für die Rechts­an­walts­kanzlei einzusetzen.

Nachteile "nicht gewichtig genug"

Soweit der Beschwer­de­führer darauf verweist, er werde sein bisheriges Beurkun­dungs­auf­kommen verlieren, führt dies nicht zu einer für ihn günstigeren Beurteilung. Denn dass die Wiedergewinnung eines erheblichen Teils seiner früheren Auftraggeber vollständig unmöglich sein wird und damit das zwischen­zeitliche Ausscheiden aus dem Beruf die behaupteten Folgen zeitigen wird, ergibt sich bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller dargelegten Umstände nicht. Darüber hinaus verbleibende wirtschaftliche Nachteile, die dem Beschwer­de­führer durch den Vollzug von § 47 Nr. 2, § 48 a BNotO entstehen, sind grundsätzlich nicht geeignet, die Aussetzung der Anwendung der Normen über die Altersgrenze zu begründen. Der Beschwer­de­führer ist bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht gehindert, notarielle Tätigkeiten – wenn auch in vermindertem Umfang – auszuüben. Nach eigenen Angaben ist er bereits jetzt als Notarvertreter bestellt, für den die Altersgrenze nicht gilt. Auch kann er zusätzlich anwaltlich tätig sein. Beides mildert etwaige finanzielle Härten zusätzlich ab. Da es damit bereits an der Darlegung von Nachteilen von ganz besonderem Gewicht fehlt, kommt es auf eine Folgenabwägung nicht mehr an. Ob sie unter geänderten tatsächlichen Umständen, wie sie der Beschwer­de­führer in Bezug auf die Anwaltsnotare vorträgt, den rechtlichen Anforderungen des Grundgesetzes und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nach wie vor genügt, bedarf einer Prüfung im Haupt­sa­che­ver­fahren.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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