12.12.2024
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Dokument-Nr. 33306

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Bundesverfassungsgericht Beschluss18.09.2023

Verfassungs­beschwerde gegen wettbewerbs­rechtliche Eilentscheidung wegen fehlender Rechts­weg­erschöpfung erfolglosKeine ausnahmsweise direkt Verfassungs­beschwerde ohne eines hinreichend gewichtigen Feststellungs­interesses

Das Bundes­verfassungs­gericht hat eine Verfassungs­beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen eine ohne mündliche Verhandlung und ohne Anhörung der Beschwer­de­führerin im Verfahren ergangene wettbewerbs­rechtliche einstweilige Verfügung richtet. Damit wird der mit der Verfassungs­beschwerde verbundene Eilantrag gegenstandslos.

Die Beschwer­de­führerin wurde von einem Wettbewerber abgemahnt, der ihr vorhielt, auf einem Bewer­tungs­portal im Internet künstlich generierte, nicht auf echten Kunden­be­zie­hungen beruhende Rezensionen eingestellt zu haben. Am Tag nach Ablauf der in der Abmahnung gesetzten Frist beantragte der Wettbewerber beim Landgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Im Verfü­gungs­antrag sowie in der antragsgemäß und ohne Einbeziehung der Beschwer­de­führerin erlassenen einstweiligen Verfügung wurde das Unter­las­sungs­be­gehren, das in der Abmahnung noch durch Verweis auf einen Internetlink zum Profil der Beschwer­de­führerin auf dem Bewer­tungs­portal näher beschrieben worden war, unter Bezugnahme auf Bildschirm­fo­to­grafien (sogenannte Screenshots) fünf einzelner Rezensionen konkretisiert. Die Beschwer­de­führerin ist der Auffassung, die einstweilige Verfügung hätte nicht ohne ihre Anhörung im Verfahren ergehen dürfen.

Direkte Verfas­sungs­be­schwerde nur ausnahmsweise möglich

Das BVerG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil die gesetzlichen Annah­me­vor­aus­set­zungen nicht erfüllt sind. Insbesondere liegen die Voraussetzungen, unter denen eine Verfas­sungs­be­schwerde ausnahmsweise unmittelbar gegen eine einstweilige Verfügung selbst erhoben werden kann, nicht vor. Bei der Geltendmachung einer Verletzung prozessualer Rechte unter Berufung auf die prozessuale Waffen­gleichheit im Wege einer auf Feststellung gerichteten Verfas­sungs­be­schwerde bedarf es eines hinreichend gewichtigen Feststel­lungs­in­teresses. Dafür reicht es nicht aus, einen Verfah­rens­fehler geltend zu machen. Vielmehr müssen die Zivilgerichte die aus dem Grundsatz der prozessualen Waffen­gleichheit folgenden Anforderungen grundsätzlich verkennen und ihre Praxis hieran unter Missachtung der verfas­sungs­recht­lichen Maßstäbe nicht ausrichten. An der näheren Darlegung eines solchen Feststel­lungs­in­teresses fehlt es hier.

Gewichtiges Feststel­lungs­in­teresse nicht dargelegt

Soweit die Beschwer­de­führerin geltend macht, ihre Anhörung im Verfahren sei wegen des von der Abmahnung abweichenden Unter­las­sungs­be­gehrens im Verfü­gungs­antrag geboten gewesen, übergeht sie die Bedeutung der sogenannten Kerntheorie für lauter­keits­rechtliche einstweilige Verfügungen. Danach bezieht sich ein Unter­las­sungsgebot auf den Inhalt der zu unterlassenden Handlung und weniger auf ihre konkrete Formulierung im Einzelfall. Jedenfalls fehlt es an einem Feststellungsinteresse, weil das mit der einstweiligen Verfügung ergangene Unter­las­sungsgebot, bezogen auf fünf konkrete Rezensionen, in der Sache als „Minus“ bereits in dem mit der Abmahnung geltend gemachten Unter­las­sungs­be­gehren hinsichtlich aller Rezensionen auf dem Profil der Beschwer­de­führerin enthalten war. Auch hinsichtlich der angeblich abweichenden Begründung des Verfü­gungs­antrags verfehlt die Beschwer­de­führerin die gebotene Ausein­an­der­setzung mit den verfas­sungs­recht­lichen Maßstäben für lauter­keits­rechtliche einstweilige Verfügungen. Danach ist eine Identität der rechtlichen Begründung nicht erforderlich; eine Grenze ist erst dort zu ziehen, wo der gerichtliche Verfü­gungs­antrag den im Rahmen der außer­ge­richt­lichen Abmahnung geltend gemachten Streit­ge­genstand verlässt oder weitere Streit­ge­gen­stände und Sachver­halt­sum­stände neu einführt. Soweit die Beschwer­de­führerin geltend macht, dass der Wettbewerber im Verfü­gungs­antrag erstmals auf diverse Angebote von Unternehmen hingewiesen habe, bei denen die Beschwer­de­führerin gefälschte Bewertungen gekauft haben soll, erschließt sich aus ihren Ausführungen nicht, inwiefern darin eine waffen­gleich­heits­re­levante Begrün­dung­s­än­derung liegen soll. Denn die Mutmaßung, dass die Beschwer­de­führerin die beanstandeten Rezensionen „gekauft“ habe, dient nur der Illustration des streit­ge­gen­ständ­lichen Vorwurfs unlauteren Verhaltens durch Verwendung solcher Rezensionen, bildet aber keinen neuen Streit­ge­genstand. Soweit die Beschwer­de­führerin ferner damit argumentiert, dass der Verfü­gungs­antrag länger als die Abmahnung gewesen sei, zeigt sie allein damit noch keine inhaltliche Abweichung auf.

Darlegung des Feststel­lungs­in­teresses vorliegend auch nicht entbehrlich

Die Darlegung eines hinreichend gewichtigen Feststel­lungs­in­teresses ist vorliegend auch nicht entbehrlich. Allein die fortgesetzte Belastung durch einen einseitig erstrittenen Unter­las­sungstitel reicht hierzu nicht aus. Vielmehr müsste die Beschwer­de­führerin auch in der Sache durch die Unter­las­sungs­ver­pflichtung belastet sein. Dafür, dass die Beschwer­de­führerin einen durch die Schaden­s­er­satz­pflicht gemäß § 945 ZPO nicht ausgleichbaren Nachteil erlitte, wenn sie die beanstandeten Rezensionen erst nach Abschluss des fachge­richt­lichen Verfahrens wieder auf ihrem Profil auf dem verfah­rens­ge­gen­ständ­lichen Bewer­tungs­portal einstellen könnte, ist nichts vorgetragen oder ersichtlich.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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