15.11.2024
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Dokument-Nr. 28618

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Beschluss16.07.2020Bundesverfassungsgericht1 BvR 1541/20
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Bundesverfassungsgericht Beschluss16.07.2020

Coronavirus: Gesetzgeber muss Triage nicht regelnErfolgloser Eilantrag auf verbindliche Regelung der Triage im Rahmen der Covid-19-Pandemie

Das Bundes­ver­fassungs­gericht hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Untätigkeit des Gesetzgebers abgelehnt. Er zielte konkret auf die Einsetzung eines Gremiums zur verbindlichen Regelung der Behandlungs­entscheidung im Rahmen der Covid-19-Pandemie auf Grundlage der Triage.

Die Beschwer­de­füh­renden leiden unter verschiedenen Behinderungen und Vorerkrankungen. Sie gehören daher nach der Definition des Robert Koch-Instituts zu der Risikogruppe, bei der im Fall einer Covid-19-Erkrankung mit schweren Krank­heits­ver­läufen zu rechnen ist. Sie befürchten, aufgrund ihrer Behinderung oder Vorerkrankung medizinisch schlechter behandelt oder gar von einer lebensrettenden Behandlung ausgeschlossen zu werden, weil statistisch gesehen bei ihnen die Erfolgs­aus­sichten einer inten­siv­me­di­zi­nischen Behandlung schlechter seien. Diese sollen in der Situation der Triage aber nach den bisherigen Empfehlungen entscheidend sein. Sie wenden sich mit ihrer Verfas­sungs­be­schwerde gegen die Untätigkeit des Gesetzgebers, der bislang keine Vorgaben für die Triage gemacht habe. Sie sind der Auffassung, der Gesetzgeber müsse seiner Schutzpflicht für Gesundheit und Leben nachkommen. Vorläufig solle die Bundesregierung ein Gremium einsetzen, das die Triage verbindlich regele.

BVerfG hält eine Triage in Deutschland derzeit nicht für wahrscheinlich

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG hat keinen Erfolg. Zwar ist die Verfas­sungs­be­schwerde nicht von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Sie wirft vielmehr die schwierige Frage auf, ob und wann gesetz­ge­be­risches Handeln in Erfüllung einer Schutzpflicht des Staates gegenüber behinderten Menschen verfas­sungs­rechtlich geboten ist und wie weit der Einschätzungs-, Wertungs- und Gestal­tungs­spielraum des Gesetzgebers bei Regelungen medizinischer Priori­sie­rungs­ent­schei­dungen reicht. Dies bedarf einer eingehenden Prüfung, die im Rahmen eines Eilverfahrens nicht möglich ist. Es kann hier auch offenbleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber überhaupt im Eilverfahren zur Gesetzgebung verpflichtet werden kann. Vorliegend rechtfertigt schon die an den bisherigen strengen Maßstäben für eine einstweilige Anordnung orientierte Folgenabwägung deren Erlass nicht. Das momentan erkennbare Infek­ti­o­ns­ge­schehen und die inten­siv­me­di­zi­nischen Behand­lungs­ka­pa­zitäten lassen es in Deutschland derzeit nicht als wahrscheinlich erscheinen, dass die Situation der Triage eintritt.

Grsetz­ge­be­rische Entscheidung kann nicht durch ein Gremium mit Inter­es­sen­ver­tre­tungen der Betroffenen ersetzt werden

Soweit sich der Eilantrag im Übrigen konkret darauf richtet, zunächst durch die Bundesregierung ein Gremium auch mit Inter­es­sen­ver­tre­tungen der Betroffenen benennen zu lassen, das die Verteilung knapper inten­siv­me­di­zi­nischer Ressourcen vorläufig regelt, würde dies die Situation der Beschwer­de­füh­renden nicht wesentlich verbessern. Auch ein solches Gremium wäre nicht legitimiert, Regelungen mit der Verbindlichkeit einer gesetz­ge­be­rischen Entscheidung zu erlassen, auf die es den Beschwer­de­füh­renden gerade ankommt.

Quelle: Bundeverfassungsgericht, ra-online (pm/pt)

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