21.11.2024
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Dokument-Nr. 8606

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Bundesverfassungsgericht Beschluss22.09.2009

Verfas­sungs­be­schwerde gegen Anordnung einer Sicher­heits­leistung bei Aussetzung der Vollziehung einer Umsatz­steu­er­fest­setzung erfolgreichAnordnung einer Sicher­heits­leistung darf nicht zu unbilliger Härte für Steuer­pflichtigen führen

Das Finanzgericht darf die Aussetzung der Vollziehung einer Umsatz­steu­er­fest­setzung nicht von einer Sicher­heits­leistung abhängig machen. Dies hat der Bundesfinanzhof entschieden.

Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde betrifft ein Verfahren der Umsatz­steu­er­fest­setzung. Streitig ist, ob das Finanzgericht im einstweiligen Rechts­schutz­ver­fahren die Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 2 Satz 3 FGO) von einer Sicherheitsleistung abhängig machen durfte. Mit ihrer Verfas­sungs­be­schwerde rügt die umsatz­steu­er­pflichtige Beschwer­de­führerin, dass einem Steuer­pflichtigen, dessen wirtschaftliche Verhältnisse eine Sicher­heits­leistung nicht zuließen, der Rechtsvorteil der Aussetzung trotz ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids grundsätzlich nicht versagt werden dürfe.

Anordnung der Sicher­heits­leistung nicht tragfähig begründet

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat entschieden, dass das Finanzgericht die Anordnung der Sicher­heits­leistung verfas­sungs­rechtlich nicht tragfähig begründet hat. Die gesetzliche Möglichkeit, wonach die Anordnung einer Sicher­heits­leistung auch zu unterbleiben hat, wenn sie mit Rücksicht auf die wirtschaft­lichen Verhältnisse des Steuer­pflichtigen eine unbillige Härte für ihn bedeuten würde, etwa weil der Steuer­pflichtige auch im Rahmen zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage ist, Sicherheit zu leisten, hat das Finanzamt in der Entscheidung unter Verkennung der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) versagt. Statt der Frage der wirtschaft­lichen Zumutbarkeit einer Sicher­heits­leistung für die Beschwer­de­führerin durch entsprechende Aufklärung und substantiierte Ausein­an­der­setzung mit den vorliegenden Erkenntnissen im einzelnen nachzugehen, hat sich das Finanzgericht auf die abstrakte rechtliche Erwägung zurückgezogen, dass von einer Sicher­heits­leistung dann nicht abzusehen sei, wenn es um Steuer­for­de­rungen gehe, die laufend entstünden, weil das steuer­pflichtige Unternehmen dann laufende Erlöse zurückhalten und diese als Sicher­heits­leistung zur Verfügung stellen könne. Das Finanzgericht nimmt damit in Kauf, dass dem Steuerschuldner die Aussetzung der Vollziehung einer Steuerforderung trotz ernstlicher Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit nur gegen die Leistung einer Sicherheit gewährt wird, selbst wenn deren Aufbringung mit einer unbilligen Härte für ihn verbunden wäre.

Unbillige Härte

Dass in Fällen einer aus laufend vereinnahmten Steuern resultierenden Steuerschuld die Leistung einer Sicherheit, wie das Finanzgericht offenbar meint, nie zu einer unbilligen Härte für den Steuerschuldner führen könne, ist nicht erkennbar und vom Finanzgericht auch nicht tragfähig begründet. Insbesondere setzt es sich nicht mit dem nahe liegenden allgemeinen Einwand auseinander, dass ein Unternehmer die laufend und künftig vereinnahmte Umsatzsteuer schon deshalb nicht als Sicher­heits­leistung für alte Steuerschulden nutzbar machen kann, weil er diese Gelder ihrerseits als Steuern abführen muss.

Gruppen von Steuer­pflichtigen durch Regelung von Rechts­schutz­mög­lichkeit abgeschnitten

Diese Sichtweise des Finanzgerichts schränkt die dem Steuer­pflichtigen vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes unzumutbar ein. Die Entscheidung hat zur Folge, dass bei fortlaufend veranlagten und festgesetzten Steuern wie Lohn- und Umsatzsteuer zugunsten des Steuer­pflichtigen unabhängig von seinen individuellen wirtschaft­lichen Verhältnissen in aller Regel nicht von einer Sicher­heits­leistung abgesehen werden kann. Vielmehr wird von diesem Steuer­pflichtigen verlangt, sich die entsprechenden Mittel aus den laufenden Einnahmen - hier also der laufend vereinnahmten Umsatzsteuer - zu verschaffen. Dies soll unabhängig von der Tatsache gelten, ob die betroffenen Steuer­pflichtigen zu einer derartigen Rücklegung wirtschaftlich überhaupt in der Lage sind. Damit wird ganzen Gruppen von Steuer­pflichtigen die Rechts­schutz­mög­lichkeit abgeschnitten, ohne Sicher­heits­leistung die Aussetzung der Vollziehung auch eines ernsthaft in seiner Rechtmäßigkeit zweifelhaften Steuer­ver­wal­tungsakts zu erlangen, obwohl bei diesem rechtlichen Ausgangspunkt in keiner Weise gewährleistet ist, dass der Steuer­pflichtige in diesen Fällen wirtschaftlich hierzu stets in der Lage ist.

Quelle: ra-online, BVerfG

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