21.11.2024
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Dokument-Nr. 25386

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Beschluss13.07.2017Bundesverfassungsgericht1 BvR 1202/17
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • FamRZ 2017, 1577Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2017, Seite: 1577
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Oldenburg, Beschluss20.02.2017, 5 F 1433/16 EASO
  • Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss25.04.2017, 4 UF 39/17
ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss13.07.2017

BVerfG: Fehlende tragfähige Beziehung zwischen Vater und Kind rechtfertigt allein keinen Entzug des SorgerechtsSorge­rechts­entzug trotz akzeptierter Notwendigkeit einer vorübergehenden Fremd­un­ter­bringung des Kindes unver­hält­nismäßig

Das Fehlen einer tragfähigen Beziehung zwischen dem Vater und dem minderjährigen Kind begründet für sich allein keine Kindes­wohl­gefährdung und somit einen Entzug des Sorgerechts. Zudem ist der Sorge­rechts­entzug unver­hält­nismäßig, wenn der Vater die Notwendigkeit einer vorübergehenden Fremd­un­ter­bringung des Kindes akzeptiert. Dies hat das Bundes­verfassungs­gericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im März 2016 gebar eine gebürtige Ivorerin zwei Zwilling­s­töchter. Die Kinder gingen aus einer kurzen Beziehung mit einem Belgier im Sommer 2015 hervor. Der Belgier erfuhr zwar erst im August/September 2016 von seiner Vaterschaft, erkannte diese aber im Dezember 2016 mit Zustimmung der Mutter an. Noch im selben Monat wurde der Mutter durch das Amtsgericht Oldenburg das Sorgerecht größtenteils entzogen und die Kinder in eine Pflegefamilie verbracht. Zur Begründung wurde angeführt, dass aufgrund der psychischen Erkrankung der Mutter eine Kindeswohlgefährdung bestehe. Im Februar 2017 wurde zudem dem Belgier das Sorgerecht vom Amtsgericht entzogen, was durch das Oberlan­des­gericht Oldenburg bestätigt wurde. Das Gericht sah eine Kindes­wohl­ge­fährdung, da der Vater den Wunsch geäußert habe, dass die Kinder zurück zur Mutter sollten. Zudem habe er im Leben der Kinder bisher keine Rolle gespielt, so dass er keine tragfähige Beziehung zu ihnen habe aufbauen können. Der Vater hielt den Sorge­rechts­entzug für unzulässig und legte Verfas­sungs­be­schwerde ein. Er führte an, nie etwas gegen die vorübergehende Fremd­un­ter­bringung seiner Kinder gehabt zu haben. Einen unbeauf­sich­tigten Umgang der Mutter mit den Kindern habe er ebenfalls nie gewollt.

Verletzung des Elternrechts durch Sorge­rechts­entzug

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied zu Gunsten des Vaters und hob daher die Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts auf. Der Entzug des Sorgerechts habe den Vater und seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes verletzt. Es sei zum einen keine Kindes­wohl­ge­fährdung durch das Sorgerecht des Vaters erkennbar und zum anderen sei der Sorge­rechts­entzug unverhältnismäßig gewesen.

Kein Sorge­rechts­entzug aufgrund fehlender tragfähiger Beziehung

Nach Ansicht des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts begründe das Fehlen einer tragfähigen Beziehung des Vaters zu seinen Kindern allein keine Kindes­wohl­ge­fährdung, welche ein Sorge­rechts­entzug rechtfertige. Soweit das Oberlan­des­gericht aufgrund der Äußerung des Vaters befürchtete, er könne die Kinder der Mutter überlassen, ließ es außer Acht, dass er nachfolgend mehrfach zum Ausdruck gebracht hatte, dass er einen unbeauf­sich­tigten Umgang der Mutter mit den Kindern nicht befürworte und nicht anstrebe, die Kinder abrupt aus der Pflegefamilie zu nehmen und der Mutter unbeaufsichtigt zu überlassen. Die Ernsthaftigkeit dieser Angaben hätte das Oberlan­des­gericht etwa durch Befragung des Jugendamtes oder der Verfah­rens­bei­ständin sowie durch die persönliche Anhörung des Vaters überprüfen müssen.

Unver­hält­nis­mäßiger Sorge­rechts­entzug

Der Entzug der elterlichen Sorge sei ferner unver­hält­nismäßig gewesen, so das Bundes­ver­fas­sungs­gericht. Es sei zu beachten gewesen, dass der Vater die Notwendigkeit der vorübergehenden Fremd­un­ter­bringung akzeptiert hatte. Sind die Eltern willens, die Gefahr für ihr Kind im Wege der Fremd­un­ter­bringung abzuwenden, sei ein famili­en­ge­richt­liches Einschreiten grundsätzlich nicht erforderlich und damit unver­hält­nismäßig.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/rb)

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