15.11.2024
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Dokument-Nr. 17980

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Beschluss03.03.2014Bundesverfassungsgericht1 BvR 1128/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2014, 2019Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 2019
  • ZD 2014, 408Zeitschrift für Datenschutz (ZD), Jahrgang: 2014, Seite: 408
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ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss03.03.2014

Berufs­ge­richt­liches Urteil darf bei besonders schwerwiegender berufs­recht­licher Verfehlung auch nicht­a­n­ony­misiert im Ärzteblatt veröffentlicht werdenVerfassungs­beschwerde gegen die Veröf­fent­lichung des Urteils erfolglos

Eine berufs­ge­richtliche Entscheidung, mit der besonders schwerwiegende berufs­rechtliche Verfehlungen sanktioniert werden, darf auf entsprechender gesetzlicher Grundlage kraft richterlicher Anordnung auch nicht­a­n­ony­misiert im Ärzteblatt veröffentlicht werden. Dies entschied das Bundes­verfassungs­gericht. Die maßgebliche Vorschrift des nordrhein-westfälischen Heilbe­rufs­ge­setzes enthält eine verfas­sungs­konforme Rechtsgrundlage für die Urteils­veröf­fent­lichung; die Berufsgerichte haben sie zudem im konkreten Fall nach verfassungs­rechtlichen Maßstäben zutreffend angewendet.

Der Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Verfahrens ist nieder­ge­lassener Facharzt. Die Ärztekammer hält ihm vor, er habe gegenüber Privatpatienten Rechnungen erstellt, die nicht in Einklang mit der Gebührenordnung für Ärzte stünden. Den Begriff der „Sitzung“ im Sinne der Gebührenordnung habe der Beschwer­de­führer zu seinem Vorteil dahingehend ausgelegt, dass Sitzungen auch an Tagen stattgefunden hätten, an denen die Patienten nicht in der Praxis waren.

Berufsgericht für Heilberufe stimmt Veröf­fent­lichung des Urteils im Ärzteblatt zu

Das Berufsgericht für Heilberufe stellte fest, dass der Beschwer­de­führer in allen vier zur Verhandlung stehenden Fällen gegen seine Berufspflichten verstoßen habe, und erkannte auf die Entziehung des passiven Berufs­wahl­rechts sowie auf eine Geldbuße in Höhe von 25.000 Euro. Es ordnete zudem an, dass die Ärztekammer nach § 60 Abs. 3 des nordrhein-westfälischen Heilbe­rufs­ge­setzes (HeilBerG NRW) berechtigt sei, das Urteil nach Rechtskraft im Ärzteblatt der zuständigen Ärztekammer zu veröffentlichen. Nach dieser Vorschrift kann „in besonderen Fällen ... auf Veröffentlichung der Entscheidung erkannt werden“. Das Landes­be­rufs­gericht für Heilberufe reduzierte die Geldbuße auf 20.000 Euro und bestätigte die weiteren Sanktionen. Die Verfas­sungs­be­schwerde wendet sich gegen diese beiden Entscheidungen sowie mittelbar gegen § 60 HeilBerG NRW.

Entscheidungen verletzen Beschwer­de­führer nicht in seinen Grundrechten

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied, dass die angegriffenen Entscheidungen den Beschwer­de­führer nicht in seinen Grundrechten verletzen. Die der berufs­ge­richt­lichen Verurteilung zugrunde liegenden Vorschriften stehen mit Art. 103 Abs. 2 GG in Einklang; sie sind hinreichend bestimmt. Aus der Tatsache, dass zu dem hier relevanten Tatbe­stands­merkmal der „Sitzung“ unter­schiedliche Auffassungen vertreten werden, kann nicht gefolgert werden, dass deshalb die der berufs­recht­lichen Sanktion zugrunde liegenden Regelungen nicht bestimmt genug seien, um eine berufs­ge­richtliche Verurteilung zu rechtfertigen. Für den Beschwer­de­führer war jedenfalls schon angesichts der Alltags­be­deutung des Begriffs hinreichend deutlich erkennbar, dass die von ihm vertretene, davon abweichende Auffassung mit einem Sanktionsrisiko belegt ist.

Die angegriffenen Entscheidungen stehen zudem mit dem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) in Einklang.

Berufsrecht kann Vertrauen erschütterndes Fehlverhalten mit geeigneten Maßnahmen sanktionieren

Eine Regelung, die zu Eingriffen in das allgemeine Persön­lich­keitsrecht ermächtigt, ist nur dann zulässig, wenn sie zum Schutz eines gewichtigen Gemein­schaftsgutes geeignet und erforderlich ist und der Schutzzweck hinreichend schwer wiegt, so dass er die Beein­träch­tigung des Persön­lich­keits­rechts in ihrem Ausmaß rechtfertigt. § 60 Abs. 3 HeilBerG NRW genügt diesen Anforderungen; die Regelung ist insbesondere verhältnismäßig. Sie betrifft Angehörige der Heilberufe, denen ein besonderes, schützenswertes Vertrauen entge­gen­ge­bracht wird. Das Berufsrecht kann Fehlverhalten, das dieses Vertrauen erschüttert oder zu erschüttern geeignet ist, mit geeigneten Maßnahmen sanktionieren.

Nicht­a­n­ony­mi­sierte Veröf­fent­lichung findet ihre Rechtfertigung in einem berechtigten Interesse an einer Information der Allgemeinheit

Nach dem naheliegenden, jedenfalls verfas­sungs­rechtlich vertretbaren Verständnis der angegriffenen Entscheidungen sieht die Vorschrift des § 60 Abs. 3 HeilBerG NRW vor, dass eine rechtskräftige berufs­ge­richtliche Verurteilung nicht­a­n­ony­misiert veröffentlicht wird. Eine solche Maßnahme findet ihre Rechtfertigung in einem berechtigten Interesse an einer Information der Allgemeinheit, insbesondere der Gemeinschaft der Versicherten, wie auch der Kamme­ran­ge­hörigen, die sodann ihr Verhalten nach Kenntnis einer solchen Verfehlung steuern können. Neben dieser im Grundsatz genera­l­prä­ventiven Wirkung dient die Veröf­fent­lichung auch der weiteren Sanktionierung eines beträchtlichen individuellen Fehlverhaltens, das auch die Gefahr einer höheren Kostenlast für die Gemeinschaft der Versicherten in sich trägt.

Einmalige Veröf­fent­lichung in berufs­recht­lichem Medium stellt Verhält­nis­mä­ßigkeit sicher

Eine Ermächtigung zur Veröf­fent­lichung eines nicht anonymisierten berufs­ge­richt­lichen Urteils ist jedenfalls dann verfas­sungs­rechtlich unbedenklich, wenn es sich um vereinzelte, herausgehobene Fälle handelt. Zudem ist die Verhält­nis­mä­ßigkeit gewahrt, sofern die Veröf­fent­lichung nur in einem berufs­recht­lichen Medium und einmalig erfolgt.

Anwendung der Vorschrift im Einzelfall verfas­sungs­rechtlich unbedenklich

Auch gegen die Anwendung der Vorschrift im Einzelfall ist verfas­sungs­rechtlich nichts einzuwenden. Die Anwendung der Sanktion bedarf einer Abwägung im Einzelfall; eine solche Abwägung haben die Berufsgerichte vorgenommen. Es ist verfas­sungs­rechtlich insbesondere nicht zu beanstanden, dass die Berufsgerichte das dem Beschwer­de­führer vorgeworfene Berufsvergehen als besonders schwerwiegend eingeordnet haben, weil in einer systematischen Vorgehensweise mit dem Ziel eines den Vorschriften der Gebührenordnung wider­spre­chenden Abrech­nungs­systems eine hohe Schadensneigung begründet liegt.

Aus dem vom Beschwer­de­führer weiterhin gerügten Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG folgt insoweit kein weitergehender Schutz.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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