15.11.2024
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Dokument-Nr. 27035

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Bundesverfassungsgericht Beschluss06.02.2019

Eilantrag gegen testweise Übermittlung perso­nen­be­zogener Daten für Zensus 2021 erfolglosNachteile durch möglicherweise unver­hält­nis­mäßige Speicherungen überwiegen nicht mit Deutlichkeit Interesse an Testlauf für reibungslose Durchführung des Zensus 2021

Das Bundes­verfassungs­gericht hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, der darauf gerichtet war, § 9 a ZensVorbG 2021 und die danach seit dem 14. Januar 2019 vorgenommene Übermittlung perso­nen­be­zogener Daten an das Statistische Bundesamt zur Vorbereitung des Zensus 2021 außer Kraft zu setzen. Nach dieser Vorschrift werden seit dem 14. Januar 2019 testweise bestimmte perso­nen­be­zogene Daten aus allen Melderegistern an das Statistische Bundesamt übermittelt, damit dieses in Vorbereitung des Zensus 2021 die Übermitt­lungswege und die Qualität der für den Zensus 2021 zu übermittelnden Daten aus den Melderegistern prüfen und die Programme für die Durchführung des Zensus weiter­ent­wickeln kann. Das Bundes­verfassungs­gericht entschied, dass eine gegebenenfalls noch zu erhebende Verfassungs­beschwerde zwar nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet wäre. Im Rahmen einer für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gebotenen Folgenabwägung überwiegen die Nachteile, die durch die testweise Übermittlung der Daten eintreten, jedoch nicht mit der für die Außer­kraft­setzung eines Gesetzes erforderlichen Deutlichkeit gegenüber dem Gewicht, das der Gesetzgeber einer guten Vorbereitung der Durchführung des Zensus 2021 beilegen durfte.

Die Bundesrepublik Deutschland ist verpflichtet, der Europäischen Kommission für das Bezugsjahr 2021 statistische Daten für eine geplante Volkszählung zu übermitteln. Zum Zweck der Prüfung der Übermitt­lungswege und der Qualität der hierfür zu übermittelnden Daten aus den Melderegistern sowie zum Test und zur Weiter­ent­wicklung der Programme für die Durchführung des Zensus 2021 sieht § 9 a des Zensus­vor­be­rei­tungs­ge­setzes 2021 - beginnend am 14. Januar 2019 - eine zentrale Erfassung, Speicherung und Verarbeitung der nicht anonymisierten Meldedaten aller zum 13. Januar 2019 gemeldeter Personen durch das Statistische Bundesamt vor. Die übermittelten Daten sind nicht anonymisiert und umfassen neben Name und Wohnanschrift, Geschlecht, Staats­an­ge­hö­rigkeit und Familienstand u.a. auch die Zugehörigkeit zu öffentlich-rechtlichen Religi­o­ns­ge­sell­schaften. Eine Speicherung ist für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren nach dem Stichtag vorgesehen; eine Verarbeitung der Daten zu anderen Zwecken als der Prüfung der Übermitt­lungswege, der Prüfung der Datenqualität und dem Test und der Weiter­ent­wicklung der Programme für die Durchführung des Zensus 2021 ist ausgeschlossen.

Antragsteller rügt Verletzung des Rechts auf informationelle Selbst­be­stimmung

Die Antragsteller machen eine Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbst­be­stimmung geltend. Die Übermittlung der nicht anonymisierten Daten lasse Rückschlüsse auf den Kernbereich der privaten Lebensführung zu. Dies stehe außer Verhältnis zum Nutzen einer Erprobung und Optimierung der bereits weitgehend erprobten Übermitt­lungswege und Programme, zumal der Zweck der Übermittlung auch durch eine Übermittlung anonymisierter Daten - gegebenenfalls ergänzt um nicht anonymisierte Stichproben in geringem Umfang - in vergleichbarer Weise erreicht werden könne.

BVerfG lehnt Erlass einstweiliger Anordnung auf Grundlage einer Folgenabwägung ab

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Grundlage einer Folgenabwägung abzulehnen sei. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht kann einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

Der Ausgang einer gegebenenfalls noch zu erhebenden Verfas­sungs­be­schwerde sei hier offen. Sie sei weder offensichtlich unzulässig noch unbegründet, da in der Kürze der Zeit beispielsweise nicht habe abschließend geklärt werden können, ob für den Testdurchlauf nicht auch geringere Datenmengen oder eine begrenztere Übermittlung oder Speicherung ausreichend gewesen wäre.

Bei möglichem Eingriff in Gestal­tungs­freiheit des Gesetzgebers ist besonders strenger Maßstab an Folgenabwägung anzulegen

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht habe daher auf Grundlage einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei habe es die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung erginge, die Verfas­sungs­be­schwerde jedoch erfolglos wäre, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung abgelehnt würde, die Verfas­sungs­be­schwerde letztlich aber Erfolg hätte. Werde - wie vorliegend - die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes begehrt, sei wegen des Eingriffs in die Gestal­tungs­freiheit des Gesetzgebers ein besonders strenger Maßstab an die Folgenabwägung anzulegen.

Probedurchlauf mit nicht anonymisierten Daten zur effektiven Überprüfung der Qualität der Merkmale und der Programme erforderlich

Ergehe die einstweilige Anordnung nicht, hätte eine potentielle Verfas­sungs­be­schwerde aber Erfolg, würden alle Daten der Beschwer­de­führer für die Testzwecke zusammengeführt, obwohl dies nicht erforderlich und damit unver­hält­nismäßig wäre. Angesichts der eng begrenzten Verwen­dungs­zwecke und der strengen Vorgaben der Geheimhaltung überwiege der Nachteil einer möglicherweise unver­hält­nis­mäßigen Speicherung nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit gegenüber dem Interesse daran, durch einen Testlauf eine reibungslose Durchführung des Zensus 2021 zu ermöglichen. Die Behörden dürfen die Daten nur zur Vorbereitung des Zensus nutzen. An den Inhalt der Daten selbst dürfen sie hierfür nicht anknüpfen und an ihm haben sie auch keinerlei Interesse. Demgegenüber ist nach dem bei vorläufiger Betrachtung nicht unplausibel erscheinenden Vortrag des Bundes­mi­nis­teriums des Innern, für Bau und Heimat der Probedurchlauf mit nicht anonymisierten Daten aller Meldebehörden erforderlich, um die Qualität der Merkmale und der Programme effektiv überprüfen zu können.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online (pm)

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