21.11.2024
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Dokument-Nr. 10337

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Bundesverfassungsgericht Beschluss23.09.2010

BVerfG: Zeitliche Beschränkung staatlicher Förderung von Strom aus solarer Strah­lungs­energie nicht verfas­sungs­widrigBefristung dient zum effektiven Schutz von Natur und Landschaft

Eine zeitliche Beschränkung staatlicher Förderung für Stromgewinnung aus solarer Strah­lungs­energie auf ehemaligen Ackerflächen ist nicht verfas­sungs­widrig. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz - EEG) enthält die Verpflichtung der Netzbetreiber, Strom aus Erneuerbaren Energien abzunehmen und in bestimmter Höhe zu vergüten. Durch dieses System wird die Erzeugung von Strom aus Solar­stro­m­anlagen von Seiten des Staates gefördert. Die Vergütung für Strom aus solarer Strah­lungs­energie ist in § 32 EEG geregelt. Nach der bis zum 30. Juni 2010 geltenden Fassung bestand für Strom aus Solar­stro­m­anlagen auf früheren Ackerflächen eine Vergü­tungs­pflicht, wenn die Anlage vor dem 1. Januar 2015 errichtet worden war und sich auf Grünflächen befand, die zur Errichtung dieser Anlage im Bebauungsplan ausgewiesen waren. Zugunsten der Nutzung von Ackerflächen zur Nahrungs- und Futter­mit­tel­pro­duktion wurde diese Förderung durch das Erste Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 11. August 2010 zeitlich beschränkt. Die Neufassung des § 32 EEG sieht eine Vergü­tungs­pflicht für Strom aus solarer Strah­lungs­energie auf früheren Ackerflächen nur noch vor, wenn diese Flächen zur Errichtung einer solchen Anlage in einem vor dem 25. März 2010 beschlossenen Bebauungsplan ausgewiesen sind und die Anlage vor dem 1. Januar 2011 in Betrieb genommen wurde.

Antragssteller beanstandet, dass infolge der Geset­ze­s­än­derung begonnene Projekte für Solarparks nicht abgeschlossen werden können

Die Antragstellerin ist ein im Bereich der Erzeugung von Strom aus solarer Strah­lungs­energie tätiges Unternehmen. Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Aussetzung des Vollzugs der Neufassung des § 32 EEG macht sie geltend, diese verstoße gegen den Grundsatz des Vertrau­ens­schutzes in Verbindung mit ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit bzw. allgemeine Handlungs­freiheit. Infolge der Geset­ze­s­än­derung könnten 24 von ihr begonnene Projekte für Solarparks auf früheren Ackerflächen nicht abgeschlossen werden, weil die Überg­angs­fristen nicht eingehalten werden könnten.

Verfas­sungs­be­schwerde wäre unbegründet

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, weil eine von der Antragstellerin noch zu erhebende Verfas­sungs­be­schwerde auf der Grundlage ihres bisherigen Vorbringens offensichtlich unbegründet wäre.

Kein Verstoß gegen Grundsatz des Vertrau­ens­schutzes

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Der mit der Neuregelung einhergehende Eingriff in die Berufs- oder allgemeine Handlungs­freiheit der Antragstellerin verstößt nicht gegen den Grundsatz des Vertrau­ens­schutzes.

Allgemeine Erwartung des Bürgers hinsichtlich eines unveränderten Fortbestehens des geltenden Rechts ist verfas­sungs­rechtlich nicht geschützt

Dies gilt selbst dann, wenn die Neufassung des § 32 EEG für die Antragstellerin im Hinblick auf von ihr auf ehemaligen, aber bis zum 25. März 2010 noch nicht durch Bebauungsplan dafür ausgewiesenen Ackerflächen geplante Anlagen unechte Rückwirkung entfalten würde. Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechts­be­zie­hungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet. Die Grenzen ihrer verfas­sungs­recht­lichen Zulässigkeit sind erst überschritten, wenn sie zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestand­s­in­teressen der Betroffenen die Verän­de­rungs­gründe des Gesetzgebers überwiegen. Die allgemeine Erwartung des Bürgers, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, ist verfas­sungs­rechtlich nicht geschützt.

Verfas­sungs­rechtlich gewährleistete Vertrau­ens­schutz steht Neuregelung nicht entgegen

Der verfas­sungs­rechtlich gewährleistete Vertrau­ens­schutz steht der von der Antragstellerin beanstandeten Neuregelung nicht entgegen. Denn die Investitionen in Projekte auf ehemaligen Ackerflächen, für die zum 25. März 2010 noch nicht die baupla­nungs­recht­lichen Grundlagen geschaffen worden waren, beruhten auf einer ungesicherten Vertrau­ens­grundlage, da der Beschluss über die Aufstellung bzw. Änderung des Bebauungsplans noch ausstand.

Anspruch auf Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans besteht nicht

Die Förderung durch die Vergü­tungs­pflicht hing schon nach der bisherigen Regelung von der Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans ab. Erst der Beschluss über den Bebauungsplan bot eine verlässliche Grundlage für Investitionen und infolgedessen für berechtigtes Vertrauen. Maßstab bei der Aufstellung und Änderung eines Bebauungsplans sind die städtebauliche Entwicklung und Ordnung, nicht die Interessen Einzelner an der baulichen Nutzbarkeit von Grundstücken. Es besteht daher kein Anspruch auf die Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans. Dieser wird von der Gemeinde unter Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander beschlossen, was dazu führen kann, dass ein Bebauungsplan für ein von einem Investor ins Auge gefasstes Vorhaben gerade auch angesichts vorrangiger natur­schutz­recht­licher oder landwirt­schaft­licher Belange nicht aufgestellt wird.

Verbrauch von Freiflächen für Photo­vol­taik­anlagen ist zugunsten der Nahrungs- und Futter­mit­tel­pro­duktion effektiv zu begrenzen

Die Neuregelung trifft somit potentielle Investoren in einer unter Vertrau­ens­schutz­ge­sichts­punkten ohnehin ungesicherten Situation. Die nunmehr eingeführte Befristung, die sich am Zeitpunkt der Beschluss­fassung über den Bebauungsplan ausrichtet, belastet den Betroffenen nicht unangemessen und dient dem legitimen gesetz­ge­be­rischen Ziel, den künftigen Verbrauch von Freiflächen für Photo­vol­taik­anlagen zum Schutz von Natur und Landschaft und zugunsten der Nahrungs- und Futter­mit­tel­pro­duktion effektiv zu begrenzen. Die Wahl des 25. März 2010 als Stichtag stellt einen von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden Kompromiss des Gesetzgebers zwischen der Berück­sich­tigung berechtigter Vertrau­ens­schut­zer­war­tungen der von der Befristung Betroffenen einerseits und dem legitimen Ziel, im Hinblick auf das Auslaufen der Altregelung zu erwartende Mitnahmeeffekte zu vermeiden, auf der anderen Seite dar.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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