15.11.2024
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Dokument-Nr. 28766

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Bundesverfassungsgericht Urteil26.05.2020

BVerfG: Externe Teilung im Versor­gungs­aus­gleich mit dem Grundgesetz vereinbarAufteilung von Betriebsrenten bei einer Scheidung verstößt nicht gegen das Grundgesetz

Bei verfassungs­konformer Anwendung ist die Regelung zur externen Teilung bestimmter Anrechte aus der betrieblichen Altersvorsorge mit den Eigentumsgrund­rechten der ausgleich­spflichtigen und der ausgleichs­berechtigten Person vereinbar. Sie wahrt dann auch die verfassungs­rechtlichen Grenzen faktischer Benachteiligung von Frauen. Dafür müssen die Gerichte den Ausgleichswert bei der Begründung des Anrechts bei einem anderen Versor­gungs­träger so bestimmen, dass die ausgleichs­berechtigte Person keine unangemessene Verringerung ihrer Versorgungs­leistungen zu erwarten hat. Der Versor­gungs­träger muss dabei entstehende Belastungen vermeiden können, indem ihm die Wahl der internen Teilung stets möglich bleibt. Mit dieser Begründung hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden, dass § 17 VersAusglG mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Das Vorla­ge­ver­fahren betrifft § 17 des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (VersAusglG), der bei Ehescheidung für bestimmte Anrechte aus der betrieblichen Altersvorsorge auch ohne Zustimmung der im Versor­gungs­aus­gleich ausgleichs­be­rech­tigten Person die externe Teilung ermöglicht. Grundsätzlich wird der Versor­gungs­aus­gleich heute im Wege der sogenannten internen Teilung durchgeführt, bei der das Familiengericht für die ausgleichs­be­rechtigte Person ein Anrecht bei dem Versor­gungs­träger überträgt, bei dem auch das im Versor­gungs­aus­gleich zu teilende Anrecht der ausgleichs­pflichtigen Person besteht. Nach § 17 VersAusglG ist hingegen auf Wunsch des Versor­gungs­trägers auch gegen den Willen der ausgleichs­be­rech­tigten Person die sogenannte externe Teilung vorzunehmen. Dies gilt für Anrechte aus einer Direktzusage oder einer Unter­stüt­zungskasse, sofern sie nicht die Beitrags­be­mes­sungs­grenze überschreiten. Bei der externen Teilung wird für die ausgleichs­be­rechtigte Person ein Anrecht nicht beim Versor­gungs­träger der ausgleichs­pflichtigen Person, sondern bei einem anderen Versor­gungs­träger begründet.

Verringerte Versor­gungs­leistung trifft meist Ehefrau

Im Zentrum des Vorla­ge­be­schlusses stehen sogenannte Trans­fer­verluste. Diese resultieren aus der Art und Weise, wie der aktuelle Kapitalwert des Ehezeitanteils des im Versor­gungs­aus­gleich zu teilenden Anrechts berechnet wird. Der aktuelle Kapitalwert ist Grundlage des Ausgleichswerts, den der Versor­gungs­träger der ausgleichs­pflichtigen Person als Kapitalbetrag an den Versor­gungs­träger der ausgleichs­be­rech­tigten Person zahlen muss. Dieser vom „alten“ Versor­gungs­träger zu zahlendem Betrag wird unter anderem ermittelt, indem der Gesamtbetrag der künftig voraussichtlich zu erbringenden Versor­gungs­leis­tungen auf den Bewer­tungs­zeitpunkt abgezinst wird. Ist dabei der Abzin­sungs­zinssatz höher als der Zinssatz, mit dem der Zielver­sor­gungs­träger aktuell kalkuliert, wird der Zielver­sor­gungs­träger aus dem an ihn gezahlten Kapitalbetrag Anrechte regelmäßig lediglich in solcher Höhe begründen, dass die ausgleichs­be­rechtigte Person entsprechend verringerte Versor­gungs­leis­tungen zu erwarten hat. Faktisch trifft dies ganz überwiegend die Ehefrau, nicht den Ehemann.

Unangemessene Verringerung der Versor­gungs­leis­tungen muss vermieden werden

Bei verfas­sungs­kon­former Anwendung ist § 17 VersAusglG mit den Eigen­tums­grund­rechten der ausgleichs­pflichtigen und der ausgleichs­be­rech­tigten Person vereinbar und wahrt die verfas­sungs­recht­lichen Grenzen faktischer Benachteiligung von Frauen. Die Gerichte müssen den Ausgleichswert bei der externen Teilung so bestimmen, dass die ausgleichs­be­rechtigte Person keine unangemessene Verringerung ihrer Versor­gungs­leis­tungen zu erwarten hat. Das Gesetz belässt den Gerichten den dafür erforderlichen Entschei­dungs­spielraum, den die Gerichte nutzen müssen.

Beschränkung der Teilung von Versor­gungs­rechte und -anwartschaften kann zur Verfas­sungs­wid­rigkeit führen

Zum einen wird beim Versor­gungs­aus­gleich das Eigen­tums­grundrecht der ausgleichs­pflichtigen Person durch die Teilung ihrer Versor­gungs­rechte und -anwartschaften beschränkt. Die Beschränkung ist zwar grundsätzlich verfas­sungs­rechtlich gerechtfertigt, weil sie dazu dient, für die ausgleichs­be­rechtigte Person eine eigenständige Alters- und Invali­di­täts­si­cherung zu begründen. Sofern sich allerdings die Kürzung nicht annähernd spiegelbildlich im Erwerb eines Anrechts durch die ausgleichs­be­rechtigte Person auswirkt, kann dies jedoch zur Verfas­sungs­wid­rigkeit führen.

Beschränkung des Eigen­tums­grundrecht bedarf bei Kürzung besondere Rechtfertigung

Auch das Eigen­tums­grundrecht der ausgleichs­be­rech­tigten Person wird durch die externe Teilung beschränkt. Auch diese Beschränkung bedarf besonderer Rechtfertigung, wenn die ausgleichs­be­rechtigte Person infolge externer Teilung mit niedrigeren Versor­gungs­leis­tungen rechnen muss als die Kürzung auf Seiten der ausgleichs­pflichtigen Person beträgt und als sie selbst erhielte, wenn auch ihr ein Anrecht durch interne Teilung beim ursprünglichen Versorger übertragen würde. Wenn die externe Teilung nach § 17 VersAusglG bei unterstellt identischen biometrischen Faktoren dazu führt, dass die aus dem neu begründeten Anrecht erwartbaren Versor­gungs­leis­tungen im Vergleich zum Ertrag bei interner Teilung und im Vergleich zur Kürzung des Anrechts der ausgleichs­pflichtigen Person verringert ist, bedarf dies also eigener Rechtfertigung sowohl gegenüber der ausgleichs­pflichtigen Person als auch gegenüber der ausgleichs­be­rech­tigten Person. Im Ergebnis kann die externe Teilung nach § 17 VersAusglG jedoch in verfas­sungs­kon­former Weise durchgeführt werden.

Regelung des § 17 VersAusglG dient mittelbar zur Förderung betrieblicher Alters­ver­sorgung

Es dient verfas­sungs­rechtlich legitimen Zwecken, die externe Teilung der in § 17 VersAusglG genannten Anrechte (Betriebsrenten aus einer Direktzusage oder Unter­stüt­zungskasse) auch über die Wertgrenze des § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG hinaus zu erlauben. Die Regelung zielt darauf ab, Arbeitgeber, die eine Zusage betrieblicher Alters­ver­sorgung in Gestalt einer Direktzusage oder aus einer Unter­stüt­zungskasse erteilt haben, davor zu schützen, weitere Personen in ihre Versorgung aufnehmen zu müssen, die sie nicht selbst als Vertragspartner ausgewählt haben. Mittelbar dient die Regelung des § 17 VersAusglG zudem der Förderung der betrieblichen Altersvorsorge. Diese als zweite Säule der sozialen Absicherung im Alter zu unterstützen, ist ein legitimes Ziel des Gesetzgebers.

Bei der Durchführung der externen Teilung sind die gegenläufigen Interessen angemessen in Ausgleich zu bringen

In die Abwägung einzustellen sind auf der einen Seite neben den Eigen­tums­grund­rechten der ausgleichs­be­rech­tigten und der ausgleichs­pflichtigen Person auch die verfas­sungs­recht­lichen Grenzen faktischer Benachteiligung von Frauen. Denn das Grundgesetz steht auch solchen Regelungen entgegen, die neutral formuliert und auch nicht verdeckt auf Benachteiligung ausgerichtet sind, jedoch tatsächlich ganz überwiegend Frauen benachteiligen. Auf der anderen Seite ist das berechtigte Interesse von Arbeitgebern zu berücksichtigen, im Fall der Zusage einer betrieblichen Alters­ver­sorgung im Wege der Direktzusage oder der Unter­stüt­zungskasse von zusätzlichen Lasten interner Teilung verschont zu bleiben, zugleich aber im Rahmen der externen Teilung lediglich aufwands­neu­tralen Kapitalabfluss hinnehmen zu müssen. Dabei dürfen die Nachteile der externen Teilung nicht um jeden Preis auf die ausgleichs­be­rechtigte Person verlagert werden.

OLG: Abweichung der Zielvorgaben von 10 % verfas­sungs­rechtlich vertretbar

Der einseitigen Belastung der ausgleichs­be­rech­tigten Person sind – zumal wegen der Aufteilung von famili­en­be­zogener und berufsbezogener Tätigkeit zwischen den Ehepartnern überwiegend Frauen ausgleichs­be­rechtigt und von den Nachteilen externer Teilung betroffen sind – enge Grenzen gesetzt. Das vorlegende Oberlan­des­gericht hat die Grenze bei einer Abweichung der Zielversorgung von der Ausgangs­ver­sorgung um mehr als 10 % gesehen. Dagegen ist verfas­sungs­rechtlich nichts einzuwenden. Zwar mag – je nach Zinsentwicklung – die Begrenzung der Leistungs­ver­min­derung bei externer Teilung nach § 17 VersAusglG auf maximal 10 % dazu führen, dass Ausgleichswerte in einer Höhe festgesetzt werden, die der Arbeitgeber nicht aufwandsneutral an den Zielversorger leisten kann. Wenn der Arbeitgeber den Aufwand der Zahlung eines entsprechenden Kapitalbetrags vermeiden will, kann er jedoch die interne Teilung nach § 10 VersAusglG wählen, was ihm nach § 17 VersAusglG immer möglich bleibt und auch im gerichtlichen Verfahren sichergestellt werden muss.

Trans­fer­verluste müssen bei externer Teilung vermieden werden

§ 17 VersAusglG hindert die Gerichte nicht daran, den Versor­gungs­aus­gleich im Fall externer Teilung in verfas­sungs­gemäßer Weise zu regeln und lässt insbesondere eine Festsetzung des Ausgleichswerts zu, die erwartbare verfas­sungs­widrige Effekte der externen Teilung vermeidet. Ob die Grundrechte der Ausgleichs­be­rech­tigten gewahrt sind, ist daher eine Frage der gerichtlichen Norm-anwendung im Einzelfall. Zwar unterbreitet der Versor­gungs­träger dem Familiengericht einen Vorschlag für die Bestimmung des Ausgleichswerts. Dieser Vorschlag ist jedoch nicht bindend. Kann aus dem vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Ausgleichswert weder bei dem gewählten Zielversorger noch bei der aufnah­me­ver­pflichteten Versor­gungs­aus­gleichskasse noch bei der aufnah­me­be­reiten gesetzlichen Renten­ver­si­cherung eine den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen genügende Versorgung begründet werden, muss das Familiengericht den Ausgleichswert so anpassen, dass Trans­fer­verluste, die außer Verhältnis zu den Vorteilen der externen Teilung stehen, vermieden werden.

Möglichkeit zum Wählen zwischen interner und externer Teilung muss trotz gerichtlich bestimmten Ausgleichs­betrag erhalten bleiben

Die Vorlage macht auch eine Verletzung des Halbtei­lungs­grund­satzes geltend. Die Frage der hälftigen Aufteilung von Anrechten zwischen den Geschiedenen betrifft jedoch allein deren Verhältnis, nicht aber den in § 17 VersAusglG angelegten Inter­es­se­n­aus­gleich im Verhältnis zwischen ausgleichs­be­rech­tigter Person und Arbeitgeber. Der auf Gleichheit im Innenverhältnis der Geschiedenen gerichtete Halbteilungsgrundsatz bietet dafür keinen geeigneten Maßstab.

Kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz

Auch am allgemeinen Gleichheitssatz gemessen ist § 17 VersAusglG verfassungsgemäß. Die Regelung benachteiligt zwar Inhaber von Versor­gungs­an­rechten aus Direktzusage und Unter­stüt­zungskasse gegenüber Inhabern sonstiger betrieblicher Versor­gungs­an­rechte, die eine einseitig verlangte externe Teilung nur in den deutlich geringeren Wertgrenzen des § 14 VersAusglG hinzunehmen haben. Zudem benachteiligt § 17 VersAusglG Inhaber von Versor­gungs­an­rechten, die sich innerhalb der Wertgrenze des § 17 VersAusglG halten und daher eine externe Teilung hinnehmen müssen, gegenüber jenen, deren Anrechte die Wertgrenze des § 17 VersAusglG überschreiten und daher intern geteilt werden. Beides ist jedoch bei verfas­sungs­kon­former Anwendung zu rechtfertigen. Auch insoweit kommt es auf die Rechtsanwendung durch die Gerichte an.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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