21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss07.11.2006

BVerfG erklärt Erbschaftsteuer in seiner derzeitigen Ausgestaltung für verfas­sungs­widrigErbschaftsteuer verstößt gegen das Grundgesetz - Gleichheitssatz verletzt

Heute hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht seine seit fünf Jahren ausstehende Entscheidung zur Erbschafts­steuer verkündet. Die derzeitige Ausgestaltung des Erbschafts­steu­er­rechts ist verfas­sungs­widrig. Es ging dabei um die Frage, ob Erben von Immobilien oder Betrieben weiterhin weniger Steuern bezahlen müssen, als Erben von Aktien oder Barvermögen. Hierin sah das Bundes­ver­fas­sungs­gericht eine Verletzung des Gleich­heits­grund­satzes. Es hat den Gesetzgeber aufgefordert bis zum 31.12.2008 diesbezüglich Neuregelungen zu treffen.

Die durch § 19 Abs. 1 ErbStG angeordnete Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen auf den Wert des Erwerbs ist mit dem Grundgesetz unvereinbar. Denn sie knüpft an Werte an, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermö­gens­ge­gen­ständen (Betrie­bs­vermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapital­ge­sell­schaften und land- und forst­wirt­schaft­lichen Betrieben) den Anforderungen des Gleich­heits­satzes nicht genügt. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens bis zum 31. Dezember 2008 eine Neuregelung zu treffen. Bis zu der Neuregelung ist das bisherige Recht weiter anwendbar. Dies entschied der Erste Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts mit Beschluss vom 7. November 2006 (Tag der Beschluss­fassung des Senats, nicht der Abfassung der schriftlichen Gründe).

Rechtlicher Hintergrund:

In § 19 Abs. 1 ErbStG ist unabhängig davon, aus welchen Vermögensarten sich Nachlass oder Schenkung zusammensetzen, für alle steuer­pflichtigen Erwerbe einheitlich ein nach dem Wert des Erwerbs progressiver, in drei nach Verwandt­schafts­graden abgestuften Steuerklassen unterteilter Prozentsatz des Erwerbs als der Steuertarif bestimmt. Um mittels dieses Tarifs zu einem in Geld zu entrichtenden Steuerbetrag zu gelangen, müssen die dem steuer­pflichtigen Erwerb unterfallenden Vermö­gens­ge­gen­stände in einem Geldbetrag ausgewiesen werden. Bei nicht als Geldsumme vorliegenden Steuerobjekten ist deshalb die Umrechnung in einen Geldwert mittels einer Bewer­tungs­methode erforderlich, um eine Bemes­sungs­grundlage für die Steuerschuld zu erhalten. Das Erbschaftsteuer- und Schen­kung­s­teu­er­gesetz bestimmt, dass sich die Bewertung nach den Vorschriften des Bewer­tungs­ge­setzes (BewG) richtet. Die Werte der einzelnen Vermö­gens­ge­gen­stände werden danach nicht einheitlich, sondern auf unter­schiedliche Art und Weise ermittelt. Das Gesetz nennt als Regelfall den gemeinen Wert, also den Verkehrswert. Bei der Bewertung inländischen Grundbesitzes kommt in wichtigen Teilbereichen ein Ertrags­wert­ver­fahren zur Ermittlung des Grund­be­sitzwerts zur Anwendung. Der Wert des Betriebsteils von land- und forst­wirt­schaft­lichem Vermögen bemisst sich nach seinem Ertragswert. Darüber hinaus bedient sich das Erbschaft­steu­errecht bei der Bewertung von Betrie­bs­vermögen des Steuer­bi­lan­zwerts.

Die Vorlage durch den Bundesfinanzhof betrifft die Frage, ob die Anwendung des einheitlichen Steuertarifs gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG auf alle Erwerbsvorgänge wegen gleich­heits­widriger Ausgestaltung der Ermittlung der Steuer­be­mes­sungs­grundlage bei den unter­schied­lichen Vermögensarten verfas­sungs­widrig ist.

Der Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

I. Dem geltenden Erbschaft­steu­errecht liegt die Belas­tungs­ent­scheidung des Gesetzgebers zugrunde, den beim jeweiligen Empfänger mit dem Erbfall oder der Schenkung anfallenden Vermö­gens­zuwachs zu besteuern. Diese Belas­tungs­ent­scheidung hat mit Blick auf den Gleichheitssatz Auswirkungen auf die Bewertung des anfallenden Vermögens als den ersten Schritt bei der Ermittlung der erbschaft­steu­er­lichen Bemes­sungs­grundlage. Die gleichmäßige Belastung der Steuer­pflichtigen hängt davon ab, dass für die einzelnen zu einer Erbschaft gehörenden wirtschaft­lichen Einheiten und Wirtschaftsgüter Bemes­sungs­grundlagen gefunden werden, die deren Werte in ihrer Relation reali­täts­gerecht abbilden. Eine diesem Gebot genügende Erbschafts- und Schen­kungs­be­steuerung ist nur dann gewährleistet, wenn sich das Gesetz auf der Bewertungsebene einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel orientiert. Nur dieser bildet den durch den Substanzerwerb vermittelten Zuwachs an Leistungs­fä­higkeit zutreffend ab und ermöglicht eine gleich­heits­ge­rechte Ausgestaltung der Belas­tungs­ent­scheidung. In der Wahl der Werter­mitt­lungs­methode ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei. Die Bewer­tungs­me­thoden müssen aber gewährleisten, dass alle Vermö­gens­ge­gen­stände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden. Stellt der Gesetzgeber schon bei der Bewertung auf andere Bewer­tungs­maßstäbe ab, so löst er sich von seiner Belas­tungs­grun­d­ent­scheidung und legt damit strukturell Brüche und Wertungs­wi­der­sprüche des gesamten Regelungs­systems an.

Bei den weiteren, sich an die Bewertung anschließenden Schritten zur Bestimmung der Steuerbelastung darf der Gesetzgeber auf den so ermittelten Wert der Bereicherung aufbauen und Lenkungszwecke, etwa in Form zielgenauer und normenklarer steuerlicher Verscho­nungs­re­ge­lungen, ausgestalten. Die Bewertungsebene dagegen ist aus verfas­sungs­recht­lichen Gründen bereits vom Ansatz her ungeeignet zur Verfolgung außer­fis­ka­lischer Förderungs- und Lenkungsziele im Erbschaft­steu­errecht.

II. Das geltende Erbschaft- und Schen­kung­s­teu­errecht genügt diesen verfas­sungs­recht­lichen Vorgaben nicht. Die erbschaft­steu­er­lichen Bewer­tungs­vor­schriften führen bei wesentlichen Gruppen von Vermö­gens­ge­gen­ständen nicht zu dem gemeinen Wert angenäherten Steuerwerten. Sie sind nicht ausreichend belas­tungs­gleich und folgerichtig ausgestaltet.

1. Beim Betrie­bs­vermögen verhindert die weitgehende Übernahme der Steuer­bi­lan­zwerte strukturell die Annäherung an den gemeinen Wert. Dies führt zu Besteu­e­rungs­er­geb­nissen, die mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar sind:

Nach der gesetzlichen Regelung (§ 109 Abs. 1 BewG) werden die zum Betrie­bs­vermögen gehörenden Wirtschaftsgüter mit ihrem Steuer­bi­lanzwert angesetzt. Dieser stimmt aber nur in Ausnahmefällen mit dem jeweiligen Verkehrswert des Wirtschaftsguts (Teilwert) überein. So können durch bilanz­po­li­tische Maßnahmen wie zum Beispiel die Wahl von degressiver oder linearer Abschreibung, Sofort­ab­schrei­bungen oder erhöhten Absetzungen und Sonder­ab­schrei­bungen sowie auch durch spätere Wertstei­ge­rungen so genannte stille Reserven – also vereinfacht ausgedrückt Differenzen zwischen dem Verkehrswert eines Wirtschaftsguts und seinem niedrigeren Buchwert – gebildet werden, die bei der Bewertung des Betrie­bs­ver­mögens nicht berücksichtigt werden. Zudem fließen immaterielle Wirtschaftsgüter wie etwa der Geschäfts- oder Firmenwert eines Unternehmens in die erbschaft­steu­erliche Bewertung nicht ein. Das hat regelmäßig zur Folge, dass der Steuerwert gerade von ertragstarken Unternehmen weit hinter dem gemeinen Wert zurückbleibt, weil der den Wert bestimmende Faktor des Ertrags keine Berück­sich­tigung findet. Die Übernahme der Steuer­bi­lan­zwerte bewirkt mithin für Betrie­bs­vermögen mit hoher Wahrschein­lichkeit – wenn auch nicht stets – einen deutlich unter dem gemeinen Wert liegenden Steuerwert.

Darüber hinaus bewirkt die durch den Steuer­bi­lan­z­wert­ansatz erzielte Begüns­ti­gungs­wirkung keine zielgerichtete und gleichmäßig wirkende Steue­r­ent­lastung, sondern tritt völlig ungleichmäßig und damit willkürlich ein. Durch den Steuer­bi­lan­z­wert­ansatz ist die erbschaft­steu­erliche Bemes­sungs­grundlage davon abhängig, ob und in welchem Umfang der Erblasser oder Schenker bilanz­po­li­tische Maßnahmen ergriffen hat. Die vielfältigen Möglichkeiten, über die Bilanzpolitik Einfluss auf den erbschaft­steu­er­lichen Wertansatz zu nehmen, eröffnen sich den Inhabern von Betrie­bs­vermögen in stark differierendem Ausmaß. Die Regelung kommt den Erwerbern von Betrie­bs­vermögen folglich in ganz unter­schied­lichem Umfang zugute.

Zudem fehlt es der Regelung mit Blick auf die vom Gesetzgeber genannten Lenkungsziele an einer ausreichend zielgerichteten Ausgestaltung. Mit der Übernahme der Steuer­bi­lan­zwerte wollte der Gesetzgeber insbesondere mittel­stän­dische Perso­nen­un­ter­nehmen von der Erbschaft- und Schenkungsteuer entlasten. Tendenziell wird aber gerade der Übergang des Betrie­bs­ver­mögens von solchen Unternehmen gefördert, die der Entlastung am wenigsten bedürfen. Denn begünstigt wird besonders der Erwerb ertragstarker Unternehmen, bei denen Entnahmen zur Begleichung der Erbschaft­steu­er­schuld am ehesten möglich sein dürften. Das Fehlen eines Nachver­steu­e­rungs­vor­behalts führt zusätzlich dazu, dass auch Erwerber eines Betrie­bs­ver­mögens in den Genuss der Steuer­be­güns­tigung kommen, die eine Fortführung des Unternehmens nicht beabsichtigen.

2. Auch beim Grundvermögen genügt die erbschaft­steu­erliche Ermittlung der Bemes­sungs­grundlage schon auf der Bewertungsebene nicht den Anforderungen des Gleich­heits­satzes und führt deshalb zu Besteu­e­rungs­er­geb­nissen, die mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren sind.

a) Bei bebauten Grundstücken wird durch das gesetzlich angeordnete (§ 146 Abs. 2 Satz 1 BewG) vereinfachte Ertrags­wert­ver­fahren mit einem starren Einheits­ver­viel­fältiger von 12,5 eine Bewertung mit dem gemeinen Wert regelmäßig verfehlt. Mit dem vereinfachten Ertrags­wert­ver­fahren wollte der Gesetzgeber ausweislich der Geset­zes­ma­te­rialien eine Bewertung mit durch­schnittlich ca. 50 % des Kaufpreises – also des gemeinen Werts – erreichen und durch diese niedrige Erbschafts­be­steuerung Inves­ti­ti­o­ns­anreize für Grundvermögen schaffen sowie die Bau- und Wohnungs­wirt­schaft positiv beeinflussen. Dieser gesetz­ge­be­rische Versuch einer steuerlichen Lenkung auf der Bewertungsebene steht aber in unauflösbarem Widerspruch zu den aus dem Gleichheitssatz folgenden verfas­sungs­recht­lichen Vorgaben. Die Bewer­tungs­methode führt im rechnerischen Durchschnitt nicht nur zu Grund­be­sitz­werten, die etwa 50 % des gemeinen Werts erreichen, so dass eine Annäherung an den gemeinen Wert nicht erfolgt. Vielmehr differieren die Einzel­er­gebnisse auch in erheblicher Anzahl zwischen weniger als 20 % und über 100 % des gemeinen Werts. Es ist offensichtlich, dass ein einheitlicher Vervielfältiger für bebaute Grundstücke ohne Berück­sich­tigung der Grundstücksart und der Lage zu erheblichen Bewer­tungs­un­ter­schieden im Verhältnis zum gemeinen Wert führen muss und der Bewertung daher Zufälliges und Willkürliches anhaftet.

Keiner abschließenden Prüfung und Entscheidung bedarf deshalb die Frage, ob der Gesetzgeber das auf der Bewertungsebene verfolgte Ziel, den Erwerb bebauter Grundstücke nur auf der Basis hälftiger Verkehrswerte mit Erbschaftsteuer zu belasten, verfas­sungs­rechtlich zulässig auf der zweiten Ebene der Bemes­sungs­grund­la­ge­n­er­mittlung – etwa im Wege einer eindeutigen Verscho­nungs­be­stimmung, nach der bebaute Grundstücke nur mit 50 % ihres gemeinen Werts zum Ansatz kommen – hätte erreichen können. Mit den Belangen der Bau- und insbesondere Wohnungs­wirt­schaft hat der Gesetzgeber gewichtige Gemein­wohl­gründe angeführt, die grundsätzlich geeignet erscheinen, Verscho­nungs­normen zu rechtfertigen, die den Erwerb von Grundvermögen aufgrund Erbschaft oder Schenkung steuerlich begünstigen. Die Frage, in welchem Umfang eine auf sie gestützte Entlastung verfas­sungs­rechtlich zulässig wäre, kann aber hier offen bleiben.

b) Die in § 148 BewG – seiner bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung – geregelte Bewertung von Erbbaurechten und mit Erbbaurechten belasteten Grundstücken ist ebenfalls mit dem Erfordernis einer Bewertung, die die Wertver­hältnisse in ihrer Relation reali­täts­gerecht abbildet, nicht vereinbar. Der Grundbesitzwert des belasteten Grundstücks wird schematisch starr durch einheitliche Verviel­fäl­tigung des nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteu­e­rungs­zeitpunkt zu entrichtenden jährlichen Erbbauzinses mit dem Faktor 18,6 bestimmt, ohne dass die Restlaufzeit des Erbbaurechts oder das Fehlen einer Heimfa­l­l­ent­schä­digung berücksichtigt oder die Höhe des Erbbauzinses hinterfragt werden. Das führt dazu, dass in einer Vielzahl von Fällen sowohl bei der Bewertung des Grundstücks als auch der des Erbbaurechts teils zugunsten des Erwerbers, teils zu seinen Lasten erheblich vom gemeinen Wert abgewichen wird. Zu dieser Erkenntnis ist auch der Gesetzgeber gelangt. Denn im Entwurf für das Jahressteu­er­gesetz 2007 wird ausgeführt, die jetzige Regelung führe insbesondere bei kurzen Restlaufzeiten zu nicht vertretbaren Bewer­tungs­er­geb­nissen.

c) Schließlich entspricht auch die Wertermittlung für unbebaute Grundstücke (§ 145 BewG) der Anforderung, die Wertver­hältnisse in ihrer Relation reali­täts­gerecht abzubilden, jedenfalls inzwischen nicht mehr. Grund hierfür ist die gesetzlich angeordnete, bis Ende 2006 geltende Festschreibung der Wertver­hältnisse auf den 1. Januar 1996. Die Preis­ent­wicklung auf dem Grund­s­tücksmarkt führt dazu, dass die vergan­gen­heits­be­zogenen Werte sowohl die Wertver­hältnisse innerhalb der Gruppe der unbebauten Grundstücke nicht mehr in ihrer Relation reali­täts­gerecht abbilden als auch nicht mehr den Gegen­warts­werten anderer Vermö­gens­ge­gen­stände entsprechen. Damit führt die Wertbemessung nach dem bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Recht zu verfas­sungs­widrigen Besteu­e­rungs­er­geb­nissen.

3. Auch die Erbschafts­be­steuerung der Erwerber von Anteilen an Kapital­ge­sell­schaften ist in nicht mit dem Gleichheitssatz vereinbarer Weise ausgestaltet. Bei den zu schätzenden, nicht börsennotierten Anteilen führt der vom Gesetzgeber angeordnete Steuer­bi­lan­z­wert­ansatz zu Steuerwerten, die im Regelfall deutlich hinter der Teilbewertung zurückbleiben. Zwar sind nach den gesetzlichen Vorgaben – anders als beim Betrie­bs­vermögen – die Ertrags­aus­sichten des Unternehmens zu berücksichtigen. Gleichwohl werden durch den vom Gesetzgeber angeordneten Steuer­bi­lan­z­wert­ansatz auch für die zu schätzenden Anteile an Kapital­ge­sell­schaften Steuerwerte erzielt, die im Durchschnitt deutlich unter dem gemeinen Wert liegen. Darüber hinaus wirkt sich die Übernahme der Steuer­bi­lan­zwerte – wiederum parallel zum Betrie­bs­vermögen – für die Anteile an Kapital­ge­sell­schaften in ganz unter­schied­licher Weise aus. Die Gesellschaften sind in höchst unter­schied­lichem Maße in der Lage, von den Bilan­zie­rungs­mög­lich­keiten Gebrauch zu machen. Das bewirkt zwingend eine große Streubreite der Steuerwerte im Verhältnis zu den Verkehrswerten. Darüber hinaus führt die für die zu schätzenden Anteile an Kapital­ge­sell­schaften angeordnete Übernahme der Steuer­bi­lan­zwerte auch zu einer großen Kluft gegenüber den übrigen Anteilen an Kapital­ge­sell­schaften, deren Bewertung anhand des Kurswerts beziehungsweise aus zeitnahen Verkäufen abgeleitet erfolgt und darum im Regelfall zu deutlich höheren Werten führt.

4. Schließlich verstößt auch die Bewertung von land- und forst­wirt­schaft­lichem Vermögen gegen die aus dem Gleichheitssatz folgenden Anforderungen und führt deshalb zu Besteu­e­rungs­er­geb­nissen, die mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren sind. Für den Betriebsteil ist der Ertragswert als Bewertungsziel vorgegeben. Damit wird bereits strukturell eine Erfassung der im Vermö­gens­zuwachs liegenden Steigerung der Leistungs­fä­higkeit des Erben oder Beschenkten verfehlt, die sich aufgrund der der Erbschaftsteuer zugrunde liegenden gesetz­ge­be­rischen Konzeption gerade nach dem bei einer Veräußerung unter objektivierten Bedingungen erzielbaren Preis, nicht aber allein nach dem vermittels der Vermö­gens­substanz erzielbaren Ertrag bemisst. Die Bewertung von Wohnteil und Betrie­bs­woh­nungen orientiert sich am gemeinen Wert als Wertkategorie. Insoweit gilt das zum Grundvermögen Gesagte entsprechend. Die dort festgestellten verfas­sungs­recht­lichen Mängel führen auch hier schon auf der Bewertungsebene zu Verstößen gegen den Gleichheitssatz.

III. Trotz Unver­ein­ba­r­keits­er­klärung mit dem Gleichheitssatz ist es im vorliegenden Fall geboten, ausnahmsweise die weitere Anwendung des geltenden Erbschaft­steu­er­rechts bis zur gesetzlichen Neuregelung zuzulassen. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 31. Dezember 2008 zu treffen. Dabei ist er verfas­sungs­rechtlich gehalten, sich auf der Bewertungsebene einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel zu orientieren. Dem Gesetzgeber ist es unbenommen, bei Vorliegen ausreichender Gemein­wohl­gründe in einem zweiten Schritt der Bemes­sungs­grund­la­ge­n­er­mittlung mittels Verscho­nungs­re­ge­lungen den Erwerb bestimmter Vermö­gens­ge­gen­stände zu begünstigen. Die Begüns­ti­gungs­wir­kungen müssen ausreichend zielgenau und innerhalb des Begüns­tig­ten­kreises möglichst gleichmäßig eintreten. Schließlich kann der Gesetzgeber auch mittels Diffe­ren­zie­rungen beim Steuersatz eine steuerliche Lenkung verfolgen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 11/2007 vom 31. Januar 2007

der Leitsatz

1.

Die durch § 19 Abs. 1 ErbStG angeordnete Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen auf den Wert des Erwerbs ist mit dem Grundgesetz unvereinbar, weil sie an Steuerwerte anknüpft, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermö­gens­ge­gen­ständen (Betrie­bs­vermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapital­ge­sell­schaften und land- und forst­wirt­schaft­lichen Betrieben) den Anforderungen des Gleich­heits­satzes aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht genügt.

2.

a) Die Bewertung des anfallenden Vermögens bei der Ermittlung der erbschaft­steu­er­lichen Bemes­sungs­grundlage muss wegen der dem geltenden Erbschaft­steu­errecht zugrunde liegenden Belas­tungs­ent­scheidung des Gesetzgebers, den durch Erbfall oder Schenkung anfallenden Vermö­gens­zuwachs zu besteuern, einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel ausgerichtet sein. Die Bewer­tungs­me­thoden müssen gewährleisten, dass alle Vermö­gens­ge­gen­stände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden.

b) Bei den weiteren, sich an die Bewertung anschließenden Schritten zur Bestimmung der Steuerbelastung darf der Gesetzgeber auf den so ermittelten Wert der Bereicherung aufbauen und Lenkungszwecke, etwa in Form zielgenauer und normenklarer steuerlicher Verscho­nungs­re­ge­lungen, ausgestalten.

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