21.11.2024
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Dokument-Nr. 17932

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Urteil25.03.2014Bundesverfassungsgericht1 BvF 1/11 und 1 BvF 4/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • K&R 2014, 334Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R), Jahrgang: 2014, Seite: 334
  • ZUM 2014, 501Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM), Jahrgang: 2014, Seite: 501
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Bundesverfassungsgericht Urteil25.03.2014

Normen­kontroll­anträge gegen den ZDF-Staatsvertrag überwiegend erfolgreichBundes­verfassungs­gericht schränkt Einfluss von Staat und Parteien auf Fernsehsender ein

Das Grundrecht der Rundfunk­freiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) verlangt für die institutionelle Ausgestaltung der öffentlich-rechtlichen Rundfunk­an­stalten eine durchgehende Orientierung am Grundsatz der Vielfalt­si­cherung und eine konsequente Begrenzung des Anteils staatlicher und staatsnaher Mitglieder in den Aufsichts­gremien. Der ZDF-Staatsvertrag genügt diesem Maßstab nur teilweise. Dies hat das Bundes­verfassungs­gericht auf Antrag der Regierung von Rheinland-Pfalz und des Hamburger Senats entschieden.

Entgegen der derzeitigen Rechtslage ist der Anteil staatlicher und staatsnaher Personen im Fernseh- und im Verwaltungsrat auf ein Drittel zu begrenzen. Vertreterinnen und Vertreter der Exekutive dürfen auf die Auswahl der staatsfernen Mitglieder keinen bestimmenden Einfluss haben; auch sind Inkom­pa­ti­bi­li­täts­re­ge­lungen zu schaffen, die ihre Staatsferne in persönlicher Hinsicht gewährleisten. Die persönliche Unabhängigkeit bei der Aufga­ben­wahr­nehmung ist dadurch zu sichern, dass die Gremien­mit­glieder weisungsfrei gestellt werden und nur aus wichtigem Grund abberufen werden dürfen. Zudem muss ein Mindestmaß an Transparenz über die Arbeit der Aufsichts­gremien hergestellt werden. Die Länder sind verpflichtet, bis spätestens zum 30. Juni 2015 eine verfas­sungs­gemäße Neuregelung zu treffen.

Sachverhalt

Das Zweite Deutsche Fernsehen beruht auf dem ZDF-Staatsvertrag (im Folgenden auch: ZDF-StV), der durch Zustimmungsakte der Länder in Kraft gesetzt wurde. Neben dem Intendanten, der als zentrales Organ die Geschäfte der Anstalt leitet und die konkrete Programm­ver­ant­wortung trägt, richtet der ZDF-Staatsvertrag mit dem Fernsehrat und dem Verwaltungsrat zwei interne Aufsichts­gremien ein. Mit ihrem abstrakten Normen­kon­trol­lantrag wenden sich die Regierung des Landes Rheinland-Pfalz und der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg gegen einen ihrer Ansicht nach übermäßigen Einfluss des Staates im Fernseh- und Verwaltungsrat.

Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk muss möglichst breit und vollständig Ausdruck finden

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied, dass die zulässigen Anträge im Wesentlichen begründet sind. Der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Auftrag zur Gewährleistung der Rundfunk­freiheit zielt auf eine Ordnung, die sicherstellt, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk möglichst breit und vollständig Ausdruck findet. Die Ausgestaltung dieser Ordnung ist Aufgabe des Gesetzgebers, der dabei einen weiten Gestal­tungs­spielraum hat.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk hat zu inhaltlicher Vielfalt beizutragen

Die Anforderungen an die institutionelle Ausgestaltung der Rundfunk­an­stalten sind von Verfassungs wegen am Ziel der Vielfalt­si­cherung auszurichten. Sie stehen in enger Wechselwirkung mit der Grund­ent­scheidung des Gesetzgebers für eine duale Rundfunkordnung. In dieser Ordnung hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu inhaltlicher Vielfalt beizutragen, wie sie allein über den freien Markt nicht gewährleistet werden kann. Sein Auftrag beschränkt sich nicht auf eine Mindest­ver­sorgung oder auf ein Ausfüllen von Lücken und Nischen, die von privaten Anbietern nicht abgedeckt werden, sondern erfasst die gesamte Breite des klassischen Rundfunk­auftrags.

Zur Sicherung der Vielfalt ist innerhalb der staatlichen Mitglieder auf Berück­sich­tigung möglichst vielfältiger Perspektiven Bedacht zu nehmen

Die Zusammensetzung der Kollegialorgane muss darauf ausgerichtet sein, Personen mit möglichst vielfältigen Perspektiven und Erfah­rungs­ho­ri­zonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens zu erfassen. Dabei hat der Gesetzgeber insbesondere darauf zu achten, dass nicht vorrangig amtliche und sonstige Perspektiven und Sichtweisen, die für die staatlich-politische Willensbildung maßgeblich sind, abgebildet werden. Neben großen, das öffentliche Leben bestimmenden Verbänden müssen untereinander wechselnd auch kleinere Gruppierungen, die nicht ohne weiteres Medienzugang haben, und auch nicht kohärent organisierte Perspektiven abgebildet werden. Die Bestellung von Mitgliedern unter Anknüpfung an verschiedene gesell­schaftliche Gruppen setzt diese nicht als Vertreter ihrer jeweiligen spezifischen Interessen ein. Die Aufsichts­gremien sind vielmehr Sachwalter des Interesses der Allgemeinheit. Vielfalt­si­cherung meint nicht die Abschirmung einer dem Staat gegen­über­ge­stellten, eigenen gesell­schaft­lichen Sphäre. Der Gesetzgeber ist daher nicht gehindert, auch Vertreterinnen und Vertretern aus dem staatlichen Bereich einen Anteil einzuräumen. Angesichts des übergreifenden Ziels der Vielfalt­si­cherung ist auch innerhalb der staatlichen Mitglieder auf die Berück­sich­tigung möglichst vielfältiger Perspektiven Bedacht zu nehmen.

Beeinflussung der Berich­t­er­stattung durch staatliche und staatsnahe politische Akteure muss wirksam verhindert werden

Die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss zugleich dem Gebot der Staatsferne genügen, das das Gebot der Vielfalt­si­cherung konkretisiert. Danach hat der Staat den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zwar zu organisieren und dessen Auftrag durch eigene Anstalten zu erfüllen, muss dabei aber Sorge tragen, dass die Gestaltung des Programms und dessen konkrete Inhalte nicht in die allgemeine staatliche Aufga­ben­wahr­nehmung eingebunden werden. Die Gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunk­an­stalten sind daher so auszuformen, dass eine Beeinflussung der Berich­t­er­stattung durch staatliche und staatsnahe politische Akteure zur Durchsetzung eigener Interessen oder bestimmter, insbesondere partei­po­li­tischer Agenden wirksam verhindert wird. Schon die Zusammensetzung der Gremien muss die Möglichkeit einer derartigen Instru­men­ta­li­sierung wirksam ausschließen.

Anteil staatlicher und staatsnaher Mitglieder darf ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen

Insofern leiten sich von Verfassungs wegen folgende begrenzende Maßgaben ab:

Der Anteil staatlicher und staatsnaher Mitglieder darf ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen. Nur wenn die Aufsichts­gremien eine breite Vielfalt der Strömungen des Gemeinwesens widerspiegeln und ein bestimmender Einfluss staatlicher und staatsnaher Mitglieder wirksam ausgeschlossen ist, genügt ihre Ausgestaltung den Anforderungen der Vielfalt­si­cherung und dem Gebot der Staatsferne. Dabei ist auch die Prägekraft staatlicher und dabei insbesondere parteipolitisch gegliederter Kommu­ni­ka­ti­o­nss­trukturen zu berücksichtigen, wie sie zurzeit in den „Freundeskreisen“ zum Ausdruck kommt. Damit die staatlichen und staatsnahen Mitglieder über derartige informelle Gremien, deren Arbeit als solche unmittelbar kaum geregelt werden kann, auch tatsächlich keinen übermäßigen Einfluss erhalten, ist ihr Anteil konsequent zu begrenzen. Hinreichend ausgeschlossen ist ein bestimmender Einfluss nur dann, wenn jedem staatlichen und staatsnahen Mitglied mindestens zwei staatsferne Mitglieder gegenüberstehen, das heißt ihr Anteil ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigt. Soweit sich diese Gremien zur Vorbereitung der Arbeit in Ausschüsse gliedern, kann für deren Zusammensetzung nichts anderes gelten.

Von Hochschulen, aus der Richterschaft oder aus der funktionalen Selbst­ver­waltung entsandte Personen sind nicht als staatliche oder staatsnahe Mitglieder anzusehen

Wer im Sinne dieser Anteils­be­grenzung als staatliches und staatsnahes Mitglied zu gelten hat, bestimmt sich nach einer funktionalen Betrach­tungsweise. Maßgeblich ist hierfür, ob es sich um eine Person handelt, die staatlich-politische Entschei­dungsmacht innehat oder im Wettbewerb um ein hierauf gerichtetes öffentliches Amt oder Mandat steht und insoweit in besonderer Weise auf die Zustimmung einer breiteren Öffentlichkeit verwiesen ist. Diese Betrach­tungsweise schließt neben Regie­rungs­mit­gliedern, Abgeordneten, politischen Beamten auch Wahlbeamte in Leitungs­funk­tionen oder Mitglieder politischer Parteien mit herausgehobener Verantwortung ein. Demgegenüber sind Personen, die von Hochschulen, aus der Richterschaft oder aus der funktionalen Selbst­ver­waltung wie etwa den Industrie- und Handelskammern in die Aufsichts­gremien entsandt werden, nicht als staatliche oder staatsnahe Mitglieder in diesem Sinne anzusehen.

Gleich­stel­lungs­auftrag muss bei Vielfalt­si­cherung berücksichtigt werden

Die Anforderungen an die Vielfalt­si­cherung gelten zum einen für die Auswahl der staatlichen und staatsnahen Mitglieder. Hierzu gehört insbesondere, dass die verschiedenen politischen Strömungen und auch weitere perspektivische Brechungen etwa föderaler oder funktionaler Art - möglichst vielfältig Abbildung finden. Zudem ist der Gleich­stel­lungs­auftrag des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zu beachten. Insgesamt verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Gestal­tungs­spielraum. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht prüft lediglich, ob die Ausgestaltung am Maßstab der Vielfalt­si­cherung orientiert ist und bei reali­täts­ge­rechter Betrachtung zu einem vertretbaren Ergebnis führt.

Regie­rungs­mit­glieder und sonstige hochrangige Vertreter der Exekutive dürfen kein bestimmender Einfluss eingeräumt werden

Zum anderen müssen sich auch die Regelungen zur Auswahl und Bestellung der staatsfernen Mitglieder am Ziel der Vielfalt­si­cherung ausrichten. Um das Gebot der Staatsferne nicht zu konterkarieren, dürfen Regie­rungs­mit­glieder und sonstige hochrangige Vertreter der Exekutive insoweit keinen bestimmenden Einfluss haben. Soweit die Auswahl von Mitgliedern bestimmten gesell­schaft­lichen Gruppen überantwortet wird, darf deren Vorschlag allenfalls in Ausnahmefällen bei Vorliegen besonderer rechtlicher Gründe zurückgewiesen werden. Einer Dominanz von Mehrheits­per­spektiven sowie einer Versteinerung der Zusammensetzung der Rundfunkgremien hat der Gesetzgeber entge­gen­zu­wirken. Er verfügt hierbei über eine weite, verfas­sungs­rechtlich nicht im Einzelnen vorgezeichnete Spanne von Regelungs­mög­lich­keiten. Angesichts der praktischen Notwendigkeit, die Sitzzahl in den Gremien begrenzt zu halten, besteht die Gefahr, dass das Benennungsrecht in der Regel jeweils auf den größten und bestetablierten Verband zuläuft. Dies führt zu dem strukturellen Risiko, dass für die jeweiligen Bereiche nur die konventionellen Mehrheits­per­spektiven der durch­set­zungs­stärksten Verbände Berück­sich­tigung finden und kleinere Verbände mit anderen Sichtweisen kaum zum Zuge kommen können. Sofern die benen­nungs­be­rech­tigten Gruppen abschließend durch Gesetz festgelegt werden, droht überdies eine Versteinerung der Zusammensetzung der Gremien. Der Gesetzgeber hat dem wirksam entge­gen­zu­wirken.

Gesetzgeber hat bei Bestimmung der Unver­ein­ba­r­keits­re­ge­lungen staatsferner Mitglieder erheblichen Wertungs- und Typisie­rungs­spielraum

Von der Bestellung als staatsferne Mitglieder sind solche Personen auszuschließen, die Mitglieder von Regierungen, Parlamentarier, politische Beamte oder Wahlbeamte in Leitungs­funk­tionen sind. Unter die Inkom­pa­ti­bi­li­täts­re­ge­lungen müssen aber auch solche Personen fallen, die in herausgehobener Funktion für eine politische Partei Verantwortung tragen. Sie sind unweigerlich in staatlich-politische Entschei­dungs­zu­sam­menhänge und den Wettbewerb um Amt und Mandat eingebunden. Im Einzelnen hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Unver­ein­ba­r­keits­re­ge­lungen der staatsfernen Mitglieder einen erheblichen Wertungs- und Typisie­rungs­spielraum.

Sämtliche Mitglieder der Aufsichts­gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunk­an­stalten müssen hinsichtlich ihrer Aufga­ben­wahr­nehmung in den Rundfunk­an­stalten weisungsfrei gestellt werden und dürfen nur aus wichtigem Grund abberufen werden. Die nähere Ausgestaltung obliegt dem Gesetzgeber.

Gesetzgeber muss Mindestmaß an Transparenz für funkti­o­ns­ge­rechte Aufga­ben­wahr­nehmung gewährleisten

Der Gesetzgeber hat Regelungen zu schaffen, die für die Arbeit der Aufsichts­gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks jedenfalls ein Mindestmaß an Transparenz gewährleisten. Welches Maß an Transparenz für eine funkti­o­ns­ge­rechte Aufga­ben­wahr­nehmung sachgerecht ist, zeichnet die Verfassung nicht im Einzelnen vor. Zum erforderlichen Mindestmaß gehört es jedoch, dass die Zusammensetzung der Gremien und Ausschüsse sowie die anstehenden Tagesordnungen ohne weiteres in Erfahrung gebracht werden können und dass zumindest dem Grundsatz nach die Sitzungs­pro­tokolle zeitnah zugänglich sind oder die Öffentlichkeit über Gegenstand und Ergebnisse der Beratungen auf anderem Weg in substantieller Weise unterrichtet wird.

Die Regelungen zur Zusammensetzung des Fernsehrats gemäß § 21 ZDF-StV verstoßen in verschiedener Hinsicht gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitglieder des Fernsehrats übersteigt die verfas­sungs­rechtlich erlaubte Grenze von einem Drittel

Der Anteil der unmittelbar als staatliche und staatsnahe Personen bestellten Mitglieder des Fernsehrats übersteigt die verfas­sungs­rechtlich erlaubte Grenze von einem Drittel. Nach den dargelegten Maßstäben zählen zurzeit hierzu die 16 Vertreter der Länder, die drei Vertreter des Bundes, die 12 Vertreter der politischen Parteien und die drei Vertreter der Kommunen. Diese ergeben zusammen einen Anteil von rund 44 % der Mitglieder des Fernsehrats. Bei Entscheidungen, die einer Mehrheit von drei Fünfteln der gesetzlichen Mitglieder erfordern, bedeutet dies zugleich eine Sperrminorität.

Minis­ter­prä­si­denten sind grundsätzlich an Vorschlags­listen der entsen­de­be­rech­tigten Verbände oder Organisationen gebunden

§ 21 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 6 ZDF-StV, wonach die gemäß § 21 Abs. 1 g bis q ZDF-StV zu bestellenden staatsfernen Mitglieder auf der Grundlage eines Dreier­vor­schlags möglichst einmütig von den Minis­ter­prä­si­denten zu berufen sind, unterliegt nur bei verfas­sungs­kon­former Auslegung keinen Bedenken. Diese Vorschriften können und müssen in Übereinstimmung mit der derzeitigen Praxis so ausgelegt werden, dass die Minis­ter­prä­si­denten grundsätzlich an die entsprechenden Vorschlags­listen der entsen­de­be­rech­tigten Verbände oder Organisationen gebunden sind und ein Abweichen nur bei Vorliegen besonderer rechtlicher Gründe möglich ist.

Auswah­l­ent­scheidung über Bestellung staatsferner Mitglieder liegt derzeit unmittelbar bei staatlicher Exekutive

Demgegenüber genügt die Berufung der in § 21 Abs. 1 r ZDF-StV genannten Mitglieder, die gemäß § 21 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 6 ZDF-StV ohne weitere Maßgaben möglichst einmütig von den Minis­ter­prä­si­denten ausgewählt werden, nicht den Anforderungen an eine Bestellung von Mitgliedern als staatsferne Mitglieder. Die Auswah­l­ent­scheidung liegt derzeit unmittelbar bei der staatlichen Exekutive.

ZDF-Staatsvertrag genügt nicht verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen an staatsferne Ausgestaltung

§ 21 Abs. 1 ZDF-StV genügt den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen an eine staatsferne Ausgestaltung auch insoweit nicht, als für die staatsfernen Mitglieder keine hinreichenden Inkom­pa­ti­bi­li­täts­re­ge­lungen und für alle Mitglieder keine hinreichende Absicherung ihrer Eigen­stän­digkeit vorgesehen sind. Zudem fehlt es an Regelungen, die für die Arbeit des Fernsehrats ein Mindestmaß an Transparenz vorsehen; die restriktiven Bestimmungen in der Satzung des ZDF und in der Geschäfts­ordnung des Fernsehrats reichen dafür nicht aus.

Die Regelungen zur Zusammensetzung des Verwaltungsrats gemäß § 24 ZDF-StV verstoßen aus denselben Gründen gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

Anteil staatlicher Mitglieder übersteigt verfas­sungs­rechtliche Obergrenze von einem Drittel

Der Anteil der staatlichen Mitglieder gemäß § 24 Abs. 1 a und c ZDF-StV übersteigt mit sechs von insgesamt 14 Mitgliedern die verfas­sungs­rechtliche Obergrenze von einem Drittel. Überdies erlangen die staatlichen Mitglieder für Entscheidungen, die eine Mehrheit von drei Fünfteln der gesetzlichen Mitglieder erfordern, eine Sperrminorität. Nicht verfas­sungs­konform ist die Vorschrift auch insofern, als die gemäß § 24 Abs. 1 b ZDF-StV bestellten Mitglieder von einem nicht hinreichend staatsfern zusam­men­ge­setzten Fernsehrat gewählt werden und auch für diese keine ausreichenden Inkom­pa­ti­bi­li­täts­re­ge­lungen bestehen.

Regelungen zur Transparenz der Arbeit des Verwaltungsrats nicht ausreichend

Wie für einen Teil der Fernseh­r­ats­mit­glieder fehlt es für die Verwal­tungs­rats­mit­glieder an einer hinreichenden Absicherung ihrer persönlichen Rechtsstellung. Zudem mangelt es an einer gesetzlichen Bestimmung, die Regelungen zur Transparenz der Arbeit des Verwaltungsrats trifft.

Neuregelung muss bis spätestens 30. Juni 2015 geschaffen werden

Soweit die §§ 21 und 24 ZDF-StV gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, ist nur ihre Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz festzustellen, verbunden mit der Anordnung, dass sie bis zu einer Neuregelung übergangsweise weiter angewendet werden dürfen. Die Länder haben eine Neuregelung, die den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen entspricht und die jedenfalls für die nächsten regulären Wahlen der Aufsichts­gremien maßgeblich ist, bis spätestens zum 30. Juni 2015 zu schaffen.

Abweichende Meinung des Richters Paulus:

Dem Urteil kann ich nicht zustimmen, soweit es im staatsfreien oder auch nur „staatsfernen“ Zweiten Deutschen Fernsehen die Mitwirkung von Mitgliedern der Exekutive in den Aufsichts­gremien für verfas­sungs­rechtlich zulässig erklärt. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen dient nicht der Verbreitung staatlicher Informationen, sondern dem Ausdruck der Vielfalt von Meinungen und der gesell­schaft­lichen Breite des Sendeangebots. Diesen Grundansatz der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts halte ich in Einklang mit dem Urteil auch weiterhin für richtig. Das Urteil setzt seinen eigenen Ansatz aber nur zum Teil um, obwohl sich seit dem ersten Fernsehurteil herausgestellt hat, dass die Zusammensetzung der Aufsichts­gremien des Zweiten Deutschen Fernsehens dem Grundsatz der Staatsferne nicht gerecht wird. Die Gremien - und mit ihnen die Anstalten - passen sich der Politik an, nicht die Politik den Aufgaben der Gremien.

Wenn die Aufsichts­gremien von Rundfunk und Fernsehen von denen beherrscht werden, deren Kontrolle sie unter anderem ermöglichen sollen, ist damit eine Beein­träch­tigung ihrer Funktion verbunden. Durch die Möglichkeit der Entsendung von Exeku­tiv­ver­tretern definiert das Urteil die Staatsgewalt von einer Bedrohung der Vielfalt zu einem Element eben dieser Vielfalts­ge­währ­leistung um. Meiner Auffassung nach reicht eine Drittelquote, welche staatliche und „staatsnahe“ Vertreter umfasst, für die Gewährleistung der Vielfalt im Zweiten Deutschen Fernsehen nicht aus. Vielmehr halte ich eine weitgehende Freiheit der Aufsichts­gremien von Vertretern des Staates für erforderlich, um - nach dem Beispiel der meisten Länderanstalten - die Kontrollorgane des Zweiten Deutschen Fernsehens von staatlichem Einfluss zu emanzipieren. Bei ihnen ist die Gefahr einer politischen Instru­men­ta­li­sierung höher als bei Mitgliedern von Parlamenten und Parteien, die von der Verfassung als Volksvertreter und Vermittler zwischen dem Staat und den Bürgern vorgesehen sind.

Allenfalls mag es noch angehen, im Sinne einer föderalen „Brechung“ die Mitwirkung von Exeku­tiv­mit­gliedern im Fernsehrat zu einem geringen Maß zuzulassen. Ganz auszuschließen ist aber die Mitgliedschaft der Länderexekutive im Verwaltungsrat. Bei diesem führen die vagen Vorgaben des Urteils für die Pluralität der Staatsvertreter kaum eine wirksame Vielfalts­si­cherung herbei.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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