18.10.2024
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Dokument-Nr. 2651

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Bundessozialgericht Urteil06.07.2006

Ehemaligem KZ-Wachmann kann Kriegs­op­fer­ver­sorgung entzogen werdenVerstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit rechtfertigt Streichung

Die Bewachung des Konzen­tra­ti­o­ns­lagers (KZ) Auschwitz-Birkenau durch Angehörige der SS verstieß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit. Einem Mitglied der SS-Wachmannschaft kann deshalb die Versorgung als Kriegsopfer entzogen werden. Mit dieser Entscheidung hat das Bundes­so­zi­al­gericht die Auffassung eines Klägers zurückgewiesen, er habe als SS-Wachmann lediglich der massenhaften Vernichtung von Menschen durch das NS-Regime Vorschub geleistet, nicht aber selbst gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen.

Der jetzt 83-jährige Kläger wurde im Oktober 1942 als Volksdeutscher in Kroatien zur Waffen-SS eingezogen und dem SS-Totenkopf-Sturmbann zugewiesen. Als Angehöriger des Wachsturmbanns beim KZ Auschwitz hatte er das Lager auf Wachtürmen und in Postenketten sowie Arbeits­kom­mandos von Häftlingen außerhalb des Lagergebiets zu bewachen. Dazu gehörte auch der sog Rampendienst, dh die Absperrung der außerhalb des KZ gelegenen Rampe, auf der die ankommenden Häftlinge unmittelbar nach dem Verlassen der Eisenbahnzüge zur Vernichtung oder zum Arbeitseinsatz selektiert wurden.

Mitte Januar 1945 wurde das KZ Auschwitz geräumt, und der Kläger an die Front versetzt. Beim Kampf um Breslau verlor er sein rechtes Auge. Bis 1947 war er in amerikanischer Kriegs­ge­fan­gen­schaft, dann bis 1952 in polnischer Strafhaft. In Deutschland wurde ihm anschließend nach dem "Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges" (Bundes­ver­sor­gungs­gesetz) wegen des Augenver­lustes ua Beschä­dig­ten­grundrente gewährt (aktueller Zahlbetrag: 118,-- € monatlich).

Am 21. Januar 1998 ist § 1 a Bundes­ver­sor­gungs­gesetz in Kraft getreten. Danach sind Leistungen mit Wirkung für die Zukunft ganz oder teilweise zu entziehen, wenn der Berechtigte während der Herr­schaft des Natio­nal­so­zi­a­lismus gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechts­s­taat­lichkeit verstoßen hat und das Vertrauen des Berechtigten auf die fortwährende Gewährung der Leistung im Einzelfall auch angesichts der Schwere der begangenen Verstöße nicht überwiegend schutzwürdig ist. Gestützt auf diese Vorschrift entzog das beklagte Land dem Kläger ab 1. Januar 2000 die Versor­gungs­leis­tungen (Grundrente und Heilbehandlung).

Sozialgericht und Landes­so­zi­al­gericht haben diese Entscheidung bestätigt. Das Bundes­so­zi­al­gericht hat den Wachdienst ebenfalls als konkreten Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit gewertet. Gleichwohl hat es das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Landes­so­zi­al­gericht zurückverwiesen. Das Tatsa­chen­gericht wird noch zu klären haben, ob der Kläger mit zwei - erfolglosen - Verset­zungs­ge­suchen alles ihm Zumutbare getan hat, um sich dem Dienst im KZ zu entziehen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 21/06 des BSG vom 06.07.2006

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