Dokument-Nr. 1341
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Bundessozialgericht Urteil24.11.2005
Entzug einer Versorgungsrente für ehemaliges Mitglied der Waffen-SS ist rechtmäßig
Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass Leistungen der Kriegsopferversorgung auch nach 50 Jahren noch entzogen werden können, wenn die Voraussetzungen des im Januar 1998 in Kraft getretenen § 1 a Bundesversorgungsgesetz (BVG) erfüllt sind.
Dazu gehört, dass der Berechtigte während der Herrschaft des Nationalsozialismus gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat und sein Vertrauen auf die fortwährende Gewährung der Leistung im Einzelfall auch angesichts der Schwere der begangenen Verstöße nicht überwiegend schutzwürdig ist.
Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts nahm der nunmehr 83-jährige Kläger 1941 als Mitglied eines SS-Totenkopf-Infanterieregiments im Grenzgebiet zwischen dem ehemals sowjetisch besetzten Polen und der Ukraine an Erschießungen von Männern, Frauen und Kindern teil. Im weiteren Verlauf des Krieges wurde er zwei mal leichter gesundheitlich geschädigt und erlitt 1948 in polnischer Kriegsgefangenschaft eine Rippenfellentzündung. Später wurde ihm wegen der gesundheitlichen Schädigungsfolgen ua eine Grundrente nach dem BVG bewilligt (zuletzt seit 1961 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 60 vH).
Unter Hinweis auf seine Beteiligung an der Erschießung von Zivilpersonen entzog das beklagte Land dem Kläger 1999 sämtliche Leistungen nach dem BVG. Während der Kläger vor dem Sozialgericht erfolgreich war, hat das Landessozialgericht die Entscheidung des Beklagten bestätigt. Das Bundessozialgericht hat der Revision des Klägers insoweit stattgegeben, als die durch die Kriegsgefangenschaft verursachten Schädigungsfolgen von der Entziehung betroffen sind. § 1 a BVG ist nämlich im Interesse einer grundsätzlichen Gleichbehandlung aller Kriegsopfer verfassungskonform so auszulegen, dass er nur dann eingreift, wenn sowohl der einen Entzug von Kriegsopferleistungen rechtfertigende Menschenrechtsverstoß als auch die den Leistungen zugrunde liegende Schädigung während der Herrschaft des Nationalsozialismus und in einem inneren Zusammenhang damit (also mit "Systembezug") erfolgt ist. Anderenfalls wäre es nicht zu rechtfertigen, dass der Gesetzgeber nur NS-Tätern und nicht auch anderen Verbrechern Leistungen der Kriegsopferversorgung vorenthalten und Kriegsopfer insoweit unterschiedlich behandelt hat. Der Entzug der Leistungen auf Grund der im Waffen-SS-Dienst erlittenen Schäden ist im konkreten Fall nicht zu beanstanden. Der Kläger kann sich insoweit auch angesichts der Schwere des Verstoßes nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen. § 1 a BVG ist in der vom Bundessozialgericht gefundenen Auslegung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 30.12.2005
Quelle: Pressemitteilung Nr. 29/05 des BSG vom 24.11.2005
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