21.11.2024
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Bundessozialgericht Urteil02.04.2014

Kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts aus einer Eingliederungs­verein­barungLeistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts darf nicht von Erbringung einer Gegenleistung abhängig gemacht werden

Das Jobcenter darf einem Arbeitslosen im Rahmen einer Eingliederungs­verein­barung nicht Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts zusagen, wenn der Leistungs­emp­fänger im Gegenzug dafür ein Studium an einer Hochschule absolviert. Dies entschied das Bundes­so­zi­al­gericht und erklärte die entsprechende Regelung des Jobcenters für nichtig.

Im zugrunde liegenden Fall hatte das beklagte Jobcenter mit dem Kläger eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen, in der sich der Beklagte verpflichtete, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts bis zu drei Jahren zu erbringen. Im Gegenzug verpflichtete sich der Kläger, während dessen ein Studium an einer Hochschule zu absolvieren und den Studi­e­n­ab­schluss nachzuholen. Den Antrag des Klägers, zur Ergänzung der von ihm während des Studiums bezogenen Ausbil­dungs­för­derung die ungedeckten Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu übernehmen, lehnte der Beklagte jedoch ab. Zur Begründung berief er sich darauf, dass der Kläger nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts nach dem SGB II ausgeschlossen sei. Auch habe der Kläger keinen Anspruch auf ergänzende Leistungen an Auszubildende nach § 22 Abs. 7 SGB II a.F. Das Sozialgericht hat die Rechts­auf­fassung des Beklagten bestätigt und das Landes­so­zi­al­gericht hat ihn zur Leistungs­ge­währung verpflichtet. Der Kläger habe einen Anspruch auf Unter­kunfts­leis­tungen auf Grundlage der Einglie­de­rungs­ver­ein­barung.

Beklagter ist als Studierender an einer Hochschule von Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts ausgeschlossen

Das Bundes­so­zi­al­gericht entschied, dass der Kläger weder Anspruch auf Zuschuss- oder Darle­hens­leis­tungen gegen den Beklagten noch den beigeladenen Träger der Sozialhilfe hat. Er ist als Studierender an einer Hochschule von Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II ausgeschlossen gewesen. Auch § 22 Abs. 7 SGB II scheidet als Anspruchs­grundlage für das klägerische Begehren aus.

Einglie­de­rungs­ver­ein­barung darf nur Einglie­de­rungs­leis­tungen, nicht Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts regeln

Ein Leistungs­an­spruch des Klägers gegen den Beklagten auf Grundlage der Einglie­de­rungs­ver­ein­barung besteht ebenfalls nicht. Die dort getroffenen Regelungen sind - unabhängig von der Einordnung der Rechtsqualität der Einglie­de­rungs­ver­ein­barung - nichtig. Soweit die Einglie­de­rungs­ver­ein­barung als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu bewerten ist - wozu das Bundes­so­zi­al­gericht in Fortsetzung der Rechtsprechung von 11. und 14. Senat des Bundes­so­zi­al­ge­richts neigt -, folgt dies aus dem Vertrags­form­verbot. Danach hat die Verwaltung auch hinsichtlich ihrer Handlungsform stets den rechts­s­taat­lichen Vorrang des Gesetzes zu beachten. Mit einer Einglie­de­rungs­ver­ein­barung dürfen nach § 15 Abs. 1 SGB II nur Einglie­de­rungs­leis­tungen, nicht jedoch Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts geregelt werden. Erkennt man in der Einglie­de­rungs­ver­ein­barung eine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X und damit einen Verwaltungsakt, ist dieser vorliegend ebenfalls nichtig. Es ist unzulässig, die bei Vorliegen der gesetzlichen Leistungs­vor­aus­set­zungen unbedingte Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts von der Erbringung einer Gegenleistung - hier einem Studium und dessen Abschluss - abhängig zu machen.

Besondere Härte liegt nicht vor

Die darlehensweise Leistungs­ge­währung gegen den Beklagten scheitert bereits an dem Fehlen des Vorliegens einer besonderen Härte im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II, denn der Kläger hat zur Finanzierung seines Studiums im streitigen Zeitraum Leistungen nach dem Bundes­aus­bil­dungs­för­de­rungs­gesetz im Höchstsatz erhalten. Dies steht letztlich auch einem Leistungs­an­spruch gegen die Beigeladene nach § 22 SGB XII entgegen.

Hinweise zur Rechtslage

§ 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II in der Fassung bis zum 31.12.2010

Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundes­aus­bil­dungs­för­de­rungs­ge­setzes oder der §§ 60 bis 62 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts.

§ 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB II in der Fassung bis 31.03.2011

Die Agentur für Arbeit soll im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jedem erwerbsfähigen Hilfe­be­dürftigen die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Einglie­de­rungs­ver­ein­barung). Die Einglie­de­rungs­ver­ein­barung soll insbesondere bestimmen,

1. welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält,

2. welche Bemühungen der erwerbsfähige Hilfebedürftige in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form er die Bemühungen nachzuweisen hat,

3. welche Leistungen Dritter, insbesondere Träger anderer Sozia­l­leis­tungen, der erwerbsfähige Hilfebedürftige zu beantragen hat.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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