15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen vier Hände, die ineinander greifen.

Dokument-Nr. 27903

Drucken
Urteil26.09.2019BundessozialgerichtB 3 P 1/18 R
ergänzende Informationen

Bundessozialgericht Urteil26.09.2019

Schiedsstellen dürfen keinen pauschalen Gewinnzuschlag von 4 % für Pflege­ein­rich­tungen festsetzenForderung einer Pflege­ein­richtung auf Erhöhung der Pflegevergütung und der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung müssen zunächst auf Schlüssigkeit und Plausibilität überprüft werden

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat die Aufhebung eines Schiedsspruchs bestätigt, der die Festsetzung von Vergütungen und Entgelten einer Pflege­ein­richtung zum Gegenstand hatte. Die Schiedsstelle ist in mehrfacher Hinsicht nicht gesetzeskonform vorgegangen.

Das Bundes­so­zi­al­gericht verwies darauf, dass Schiedsstellen zunächst die Forderung einer Pflegeeinrichtung auf Erhöhung der Pflegevergütung und der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung anhand der dargelegten voraus­sicht­lichen Geste­hungs­kosten auf Schlüssigkeit und Plausibilität überprüfen müssen. Sodann sind die Pflegesätze einschließlich einkalkulierter Gewinnzuschläge mit den Kostensätzen anderer Einrichtungen zu vergleichen, um die Leistungs­ge­rech­tigkeit der Vergütung bewerten zu können. Trotz des weiten Beurtei­lungs­spielraums der Schiedsstelle muss sie - nicht zuletzt auch im Interesse der am Verfahren nicht beteiligten Heimbewohner/innen - alle gesetzlichen Vorgaben des SGB XI beachten, zu denen auch der Grundsatz der Beitrags­satz­sta­bilität gehört. Eine pauschale Festsetzung des Gewinnzuschlags orientiert an den Verzugszinsen für Sozia­l­leis­tungs­be­rechtigte in Höhe von 4 % beachtet diese Vorgaben nicht und ist deshalb sachlich nicht gerechtfertigt sowie rechtswidrig.

Schiedsstelle muss im Vorfeld von Pflege­sat­z­än­de­rungen Stellungnahme der Inter­es­sen­ver­tretung der Heimbewohner/innen einzuholen

Bei den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung sind Gewinn­mög­lich­keiten nicht zwingend zu berücksichtigen. Im Vorfeld von Pflege­sat­z­än­de­rungen ist stets eine Stellungnahme der Inter­es­sen­ver­tretung der Heimbewohner/innen einzuholen. Diese in erster Linie von den Preiserhöhungen betroffenen Personen können ihre Belange allein auf diese Weise in die Preisfindung zwischen Leistungs­er­bringern und sonstigen Kostenträgern einbringen. Ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten muss die Schiedsstelle entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht regelmäßig einholen, kann dies zu Einzelpunkten aber tun. Die Gesamt­be­ur­teilung der festzusetzenden Preise verbleibt in der Verantwortung der sachkundig und paritätisch besetzten Schiedsstelle.

Hinweise zur Rechtslage (Vorschriften jeweils in der in den Jahren 2015/16 geltenden Fassung):

Erläuterungen

§ 82 Sozial­ge­setzbuch Elftes Buch (SGB XI) Finanzierung der Pflege­ein­rich­tungen

(1) 1 Zugelassene Pflegeheime und Pflegedienste erhalten nach Maßgabe dieses Kapitels

1. eine leistungs­ge­rechte Vergütung für die allgemeinen Pflege­leis­tungen (Pflegevergütung) sowie

2. bei stationärer Pflege ein angemessenes Entgelt für Unterkunft und Verpflegung.

2 Die Pflegevergütung ist von den Pflege­be­dürftigen oder deren Kostenträgern zu tragen. [...]

§ 84 SGB XI Bemes­sungs­grundsätze

[...]

(2) 1 Die Pflegesätze müssen leistungs­gerecht sein. [...] 4 Die Pflegesätze müssen einem Pflegeheim bei wirtschaft­licher Betriebsführung ermöglichen, seine Aufwendungen zu finanzieren und seinen Versor­gungs­auftrag zu erfüllen (ab 1.1.2017 ergänzt: "unter Berück­sich­tigung einer angemessenen Vergütung ihres Unter­neh­mer­risikos"). [...] 6 Überschüsse verbleiben dem Pflegeheim; Verluste sind von ihm zu tragen. 7 Der Grundsatz der Beitrags­satz­sta­bilität ist zu beachten. 8 Bei der Bemessung der Pflegesätze einer Pflege­ein­richtung können die Pflegesätze derjenigen Pflege­ein­rich­tungen, die nach Art und Größe sowie hinsichtlich der in Absatz 5 genannten Leistungs- und Quali­täts­merkmale im Wesentlichen gleichartig sind, angemessen berücksichtigt werden.

§ 85 SGB XI Pflege­satz­ver­fahren

(1) Art, Höhe und Laufzeit der Pflegesätze werden zwischen dem Träger des Pflegeheimes und den Leistungs­trägern nach Absatz 2 vereinbart.

(2) 1 Parteien der Pflege­satz­ver­ein­barung (Vertrags­parteien) sind der Träger des einzelnen zugelassenen Pflegeheimes sowie

1. die Pflegekassen oder sonstige Sozia­l­ver­si­che­rungs­träger,

2. die für die Bewohner des Pflegeheimes zuständigen Träger der Sozialhilfe sowie

3. die Arbeits­ge­mein­schaften der unter Nummer 1 und 2 genannten Träger,

soweit auf den jeweiligen Kostenträger oder die Arbeits­ge­mein­schaft im Jahr vor Beginn der Pflege­satz­ver­hand­lungen jeweils mehr als fünf vom Hundert der Berechnungstage des Pflegeheimes entfallen. 2 Die Pflege­satz­ver­ein­barung ist für jedes zugelassene Pflegeheim gesondert abzuschließen; [...]

(3) 1 Die Pflege­satz­ver­ein­barung ist im Voraus, vor Beginn der jeweiligen Wirtschafts­periode des Pflegeheimes, für einen zukünftigen Zeitraum (Pflege­satz­zeitraum) zu treffen. 2 Das Pflegeheim hat Art, Inhalt, Umfang und Kosten der Leistungen, für die es eine Vergütung beansprucht, durch Pflege­do­ku­men­ta­tionen und andere geeignete Nachweise rechtzeitig vor Beginn der Pflege­satz­ver­hand­lungen darzulegen; es hat außerdem die schriftliche Stellungnahme der nach heimrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Inter­es­sen­ver­tretung der Bewohnerinnen und Bewohner beizufügen. 3 Soweit dies zur Beurteilung seiner Wirtschaft­lichkeit und Leistungs­fä­higkeit im Einzelfall erforderlich ist, hat das Pflegeheim auf Verlangen einer Vertragspartei zusätzliche Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. 4 Hierzu gehören auch pflege­sat­zer­hebliche Angaben zum Jahresabschluss entsprechend den Grundsätzen ordnungsgemäßer Pflege­buch­führung, zur personellen und sachlichen Ausstattung des Pflegeheims einschließlich der Kosten sowie zur tatsächlichen Stellen­be­setzung und Eingruppierung. [...]

(5) 1 Kommt eine Pflege­satz­ver­ein­barung innerhalb von sechs Wochen nicht zustande, nachdem eine Vertragspartei schriftlich zu Pflege­satz­ver­hand­lungen aufgefordert hat, setzt die Schiedsstelle nach § 76 auf Antrag einer Vertragspartei die Pflegesätze unverzüglich fest. 2 Satz 1 gilt auch, soweit der nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 zuständige Träger der Sozialhilfe der Pflege­satz­ver­ein­barung innerhalb von zwei Wochen nach Vertragsschluss widerspricht; [...] 3 Gegen die Festsetzung ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben [...]

(6) 1 Pflege­satz­ver­ein­ba­rungen sowie Schieds­stel­len­ent­schei­dungen nach Absatz 5 Satz 1 oder 2 treten zu dem darin unter angemessener Berück­sich­tigung der Interessen der Pflege­heim­be­wohner bestimmten Zeitpunkt in Kraft; sie sind für das Pflegeheim sowie für die in dem Heim versorgten Pflege-bedürftigen und deren Kostenträger unmittelbar verbindlich. 2 Ein rückwirkendes Inkrafttreten von Pflegesätzen ist nicht zulässig. 3 Nach Ablauf des Pflege­satz­zeitraums gelten die vereinbarten oder festgesetzten Pflegesätze bis zum Inkrafttreten neuer Pflegesätze weiter. [...]

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online (pm/kg)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil27903

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI