Dokument-Nr. 3985
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- Sozialgericht Hamburg, , S 10 U 3426/03
- Landessozialgericht Baden-Württemberg, , L 1 U 1430/05
Bundessozialgericht Urteil20.03.2007
Bundessozialgericht bestätigt Zwangsmitgliedschaft der Arbeitgeber in gesetzlicher UnfallversicherungGesetzliche Unfallversicherung ist ein vom Solidarprinzip geprägter Teil des deutschen Sozialsystems
Arbeitgeber müssen auch weiterhin Mitglieder der gesetzlichen Unfallversicherung sein. Die Zwangsmitgliedschaft sei rechtmäßig, urteilte das Bundessozialgericht. Es wies damit die Klage eines Betriebes aus Baden-Württemberg gegen die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft ab. Das Unternehmen hatte argumentiert, dass die Zwangsmitgliedschaft gegen Europarecht und das Grundgesetz verstoße.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen des Tief- und Rohrleitungsbaus. Sie wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Unfallversicherungsbeiträgen für das Jahr 2002. Vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht war ihre Klage erfolglos. Mit der vom Landessozialgericht zugelassenen Revision rügt sie, ihre Zwangsmitgliedschaft bei einem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung verstoße gegen Europarecht.
Vortrag der Klägerin:
Die gewerblichen Berufsgenossenschaften müssten als Unternehmen im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts eingestuft werden. Ihre Leistungen seien zwar weitgehend gesetzlich festgelegt. Durch ihre Beitragsgestaltung könnten sie aber den Preis für ihr Versicherungsangebot unabhängig von staatlicher Beeinflussung selbst mit bestimmen und seien dadurch in der Lage, mit Unternehmen der privaten Wirtschaft zu konkurrieren. Entgegen den Urteilen des BSG vom 11.11.2003 (B 2 U 16/03 R BSGE 91, 263 = SozR 4 2700 § 150 Nr. 1) sowie vom 9.5.2006 B 2 U 34/05 R sei die gesetzliche Unfallversicherung in Deutschland nicht maßgeblich durch den Grundsatz der Solidarität geprägt, denn eine wirksame gegenseitige finanzielle Unterstützung durch die gewerblichen Berufsgenossenschaften gebe es nicht. Die zwangsweise Einbeziehung der Unternehmen in das derzeit bestehende System der gesetzlichen Unfallversicherung verletze zudem ihre Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 des Grundgesetzes. Der Strukturwandel in der Bauwirtschaft habe in dieser Branche zu einer unzumutbaren Beitragsbelastung geführt, der in ihrem Fall eine erdrosselnde Wirkung zukomme.
Entscheidung des Bundessozialgerichts
Das Bundessozialgericht wies die Klage ab. Die Pflichtmitgliedschaft der in Deutschland ansässigen Unternehmen bei der für ihre Branche zuständigen Berufsgenossenschaft verletze kein höherrangiges Recht.
Das deutsche Unfallversicherungsmonopol sei mit europäischem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) müsse nicht herbeigeführt werden. Der EuGH habe die einschlägige Fragestellung durch seine Entscheidung zum italienischen Unfallversicherungssystem (Urteil vom 22.1.2002 C 218/00 - INAIL) bereits beantwortet.
Die deutsche Unfallversicherung sei ebenso wie die italienische durch Elemente des Solidarausgleichs gekennzeichnet und unterliege staatlicher Aufsicht. Dass diese Elemente im Einzelnen unterschiedlich ausgestaltet seien, ändere nichts an der strukturellen Vergleichbarkeit der beiden Systeme. Für das verfassungsrechtliche Argument einer erdrosselnden Wirkung der Beitragslast in der Bauwirtschaft (Verstoß gegen Art. 14 GG) sei die Klägerin einen Beleg durch konkrete Zahlen schuldig geblieben.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.03.2007
Quelle: ra-online
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