Dokument-Nr. 22133
Permalink https://urteile.news/
- Sozialgericht Kiel, Urteil23.07.2012, S 30 AS 811/11
- Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Urteil22.09.2014, L 6 AS 115/12
Bundessozialgericht Urteil20.01.2016
Kein Anspruch auf Mehrbedarf für spezielle Nahrungsmittel bei psychischer ZwangsstörungObjektiver Bedarf an besonderer Ernährung wie bei Nahrungsmittelunverträglichkeit besteht nicht
Ein Bezieher von Arbeitslosengeld II, der aufgrund einer psychischen Zwangsstörung nur bestimmte Nahrungsmittel in einem speziellen Verfahren zu sich nimmt, kann vom Jobcenter hierfür keinen Mehrbedarf verlangen. Voraussetzung für einen solchen Anspruch auf Mehrbedarf für Ernährung wäre ein aus physiologischen Gründen objektiver Bedarf an einer besonderen Ernährung, der hier nicht gegeben ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundessozialgerichts hervor.
Bei dem 1962 geborenen Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens wurde ein Grad der Behinderung von 80 festgestellt. Er erhielt seit 2005 vom beklagten Jobcenter Leistungen nach dem SGB II und lebte mit seiner Lebensgefährtin in einer Wohnung. Beide hatten kein zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen. Der Kläger litt an einer psychischen Zwangsstörung und nahm nur bestimmte Nahrungsmittel in einem speziellen Verfahren zu sich. Nachdem ihm bisher ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 25,56 Euro monatlich gezahlt worden war, war ein solcher in der Leistungsbewilligung ab 1. Januar 2011 bis zum 30. Juni 2011 zunächst nicht mehr enthalten (Bescheid vom 29. November 2010, Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2011; letzter Änderungsbescheid vom 15. September2011).
SG bejaht ernährungsbedingten Mehrbedarf
Das Sozialgericht Kiel hat nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens und einer Auskunft der Verbraucherzentrale den Beklagten unter Änderung der Bescheide verurteilt, dem Kläger wegen eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs von insgesamt 42,82 Euro monatlich weitere Leistungen für die strittige Zeit zu zahlen, und die Berufung zugelassen. Aufgrund seiner Erkrankung könne der Kläger nur bestimmte Lebensmittel zu sich nehmen und es sei nicht möglich, dies kurzfristig zu ändern.
LSG weist Forderung nach höherem Mehrbedarf zurück
Die nur vom Kläger eingelegte Berufung, mit der er einen Mehrbedarf von 180 Euro monatlich begehrte, wies das Landessozialgericht Schleswig-Holstein zurück. Der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der gesundheitlichen Beeinträchtigung und der Notwendigkeit, sich in einer bestimmten Weise zu ernähren, sei bei Zwangserkrankungen nicht herstellbar.
In seiner vom Landessozialgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 21 Abs. 5 SGB II. Das Landessozialgericht habe in unzulässiger Weise zwischen physischen und psychischen Erkrankungen differenziert und auch bei ihm verhüte die besondere Ernährung eine Verschlimmerung seiner Krankheit.
Voraussetzungen für geltend gemachten Mehrbedarf nicht gegeben
Das Bundessozialgericht wies die Revision des Klägers zurück, weil er keinen Anspruch auf weiteres ALG II wegen eines höheren Mehrbedarfs hat. Die Voraussetzungen des von ihm geltend gemachten Mehrbedarfs für Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II sind nicht erfüllt, weil sie u.a. einen aus physiologischen Gründen objektiven Bedarf an einer besonderen Ernährung bedingen (vgl. BSG vom 20.2.2014 - B 14 AS 65/12 R -). Schon diese Voraussetzung ist bei dem Kläger nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Landessozialgerichts nicht gegeben, weil sich bei diesem eine Nahrungsmittelunverträglichkeit nicht hat feststellen lassen und nur ein bestimmtes Ernährungsverhalten besteht, in dem der Kläger teilweise hochpreisige Nahrungsmittel kauft und zum Teil ungenutzt wegwirft.
Voraussetzungen eines Härtefall-Mehrbedarfs ebenfalls nicht gegeben
Auch die Voraussetzungen eines Härtefall-Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II liegen nicht vor. Denn dieser setzt hinsichtlich Grund und Höhe einen unabweisbaren, laufenden nicht nur einmaligen Bedarf voraus. Jedenfalls hinsichtlich der Höhe der Leistung ist nicht zu erkennen, wieso der dem Kläger vom Sozialgericht zuerkannte Betrag von 42,82 Euro gegenüber dem zuvor gewährten Betrag von 25,56 Euro unabweisbar zu niedrig sein könnte.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 25.01.2016
Quelle: Bundessozialgericht/ra-online
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil22133
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.