23.11.2024
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Dokument-Nr. 15779

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Urteil16.04.2013BundessozialgerichtB 14 AS 81/12 R
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2014, 1040Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 1040
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Vorinstanzen:
  • Sozialgericht Altenburg, Urteil, S 31 AS 3837/08
  • Thüringer Landessozialgericht, Urteil, L 7 AS 391/09
ergänzende Informationen

Bundessozialgericht Urteil16.04.2013

Hartz IV: Kindergeld des im Heim lebenden behinderten Kindes darf bei Grundsicherungs­bedarf der Mutter nicht als Einkommen angerechnet werdenMutter und Sohn bilden durch Aufenthalt des Kindes in Einrichtung der Behin­der­tenhilfe keine Bedarfs­ge­mein­schaft

Lebt ein behindertes Kind nicht zu Hause bei der Mutter, sondern in einer Einrichtung der Behin­der­tenhilfe und wird das für ihn erhaltene Kindergeld nachweislich direkt an den Sohn weitergeleitet, darf dieses Kindergeld bei der Berechnung des Grundsicherungs­bedarfs der Mutter vom Jobcenter nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Aufgrund der Tatsache, dass der Sohn seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einer stationären Einrichtung hat, bilden Mutter und Sohn keine Bedarfs­ge­mein­schaft. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­sozial­gerichts hervor.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls wendet sich gegen die von dem beklagten Jobcenter festgesetzte Höhe der Grund­si­che­rungs­leis­tungen; insbesondere gegen die Berück­sich­tigung von Kindergeld als Einkommen.

Sachverhalt

Die Klägerin ist verwitwet und Mutter eines im Jahre 1986 geborenen Sohnes. Bei diesem sind eine Schwer­be­hin­derung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G", "aG", "H", "RF" anerkannt. In der strittigen Zeit war der Sohn vollstationär in einer stationären Einrichtung untergebracht und besuchte von dort aus die Schule. In 14tägigen Abständen holte die Klägerin ihren Sohn an den Wochenenden nach Hause, ebenso in den Schulferien und versorgte ihn mit Hilfe eines Pflegedienstes.

Jobcenter rechnet bei Bemessung der Grund­si­che­rungs­leis­tungen der Mutter auch für den Sohn erhaltenes Kindergeld als Einkommen an

Die Klägerin bezog pro Monat neben ihrer Witwenrente von 179 Euro Kindergeld für ihren Sohn in Höhe von 154 Euro. Einen Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes an den Sohn hatte die Familienkasse abgelehnt. Das Kindergeld wurde auf das Konto des Sohnes überwiesen, von dem per Dauerauftrag 80 Euro pro Monat an die Einrichtung abgeführt wurden. Die Kosten der Heimun­ter­bringung des Sohnes, der eine Halbwaisenrente sowie Blindengeld bezog, wurden im Übrigen vom zuständigen Sozia­l­hil­fe­träger übernommen. Bei der Bemessung der Grundsicherungsleistungen der Klägerin rechnete das beklagte Jobcenter neben der Witwenrente das für den Sohn gezahlte Kindergeld als Einkommen der Klägerin an.

LSG: Kindergeld ist hier nicht als Einkommen des Leistungs­be­rech­tigten zu berücksichtigen

Das Sozialgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen, das Landes­so­zi­al­gericht hat auf die Berufung der Klägerin das Jobcenter verurteilt, der Klägerin Leistungen nach dem SGB II unter Außer­acht­lassung des für den Sohn gezahlten Kindergeldes zu bewilligen, und dem Beklagten Verschul­den­s­kosten in Höhe von 800 Euro auferlegt. Das Kindergeld sei nicht Einkommen der Klägerin, sondern ihres Sohnes nach § 1 Abs. 1 Nr. 8 der Arbeits­lo­sengeld II-Verordnung (Alg II-V)*. Nach dieser Vorschrift sei das Kindergeld nicht als Einkommen des Leistungs­be­rech­tigten zu berücksichtigen, "soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfe­be­dürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet wird".

Jobcenter legt Revision gegen Entscheidung des LSG ein

Mit der hiergegen gerichteten Revision rügte das Jobcenter die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Es machte geltend, dass die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 8 Alg II-V durch das Landes­so­zi­al­gericht der Begründung des Verord­nungs­entwurfs widerspreche, nach der sich die Regelung nur auf in Ausbildung befindliche Kinder beziehen solle. Es habe verhindert werden sollen, dass Eltern, die ihre in Ausbildung befindlichen Kinder unterstützen, schlechter stehen als Auszubildende mit Leistungsbezug nach dem BAföG, denen das Kindergeld nicht als Einkommen angerechnet werde. Der Sohn der Klägerin werde in der Einrichtung voll versorgt und sei auch wirtschaftlich nicht selbstständig.

Das Bundes­so­zi­al­gericht wies die Revision des Jobcenters jedoch zurück. Das Landes­so­zi­al­gericht hat eine Berück­sich­tigung der Kinder­geld­zahlung als Einkommen der Klägerin zu Recht abgelehnt. Die Klägerin bildet mit ihrem schwerst­be­hin­derten volljährigen Sohn, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einer stationären Einrichtung der Behin­der­tenhilfe hat, keine Bedarfs­ge­mein­schaft. Auch die Tatsache, dass sich der Sohn an Wochenenden bzw. in den Ferien bei der Klägerin aufhält, ist kein Anlass für die Berück­sich­tigung des Kindergeldes, das nachweislich an den Sohn der Klägerin weitergeleitet wird, als Einkommen der Klägerin.

Hintergrund zur Rechtslage:

Arbeits­lo­sengeld II-Verordnung

§ 1 Nicht als Einkommen zu berück­sich­tigende Einnahmen

(1) Außer den in § 11 a des Zweiten Buches Sozial­ge­setzbuch genannten Einnahmen sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen:

[...]

8. Kindergeld für Kinder des Hilfe­be­dürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfe­be­dürftigen lebende Kind weitergeleitet wird, [...]

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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