04.12.2024
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Bundessozialgericht Urteil09.04.2019

Krankenhäuser müssen Krankenkassen Umsatz­steuer­zahlungen auf Arznei­mittel­zubereitungen erstattenAnspruch ergibt sich aus ergänzender Vertrags­aus­legung oder beruht auf vertraglichem Schadens­ersatz­anspruch

Haben Krankenhäuser und Krankenkassen vereinbart, in Kranken­haus­apotheken an Versicherte abgegebene Arznei­mittel­zubereitungen mit Nettopreisen zuzüglich der jeweils geltenden Umsatzsteuer zu vergüten, und zahlen die Krankenkassen Umsatzsteuer, deren Anmeldung die Krankenhäuser später ohne Prozessrisiko korrigieren können, soweit sie sich nach Rechtsprechung und Steuererlassen als unzutreffend erweist, haben die Krankenkassen nach ergänzender Vertrags­aus­legung Anspruch auf Rückzahlung der zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer. Sind die maßgeblichen Steuer­an­mel­dungen nicht mehr abänderbar, beruht der Anspruch auf einem vertraglichen Schadens­ersatz­anspruch. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­sozial­gerichts hervor.

Das Bundes­so­zi­al­gericht verurteilte die beklagte Kranken­haus­trägerin dazu, der klagenden Krankenkasse 1.319,36 Euro Umsatzsteuer zurückzuzahlen. Lediglich hinsichtlich eines Teils der Prozesszinsen wies das Gericht die Revision der Klägerin zurück. Der Klägerin stehe der Rückzah­lungs­an­spruch aus ergänzender Auslegung des Vertrags zu, soweit die Steuer­an­mel­dungen der Beklagten noch nicht formell bestandskräftig oder jedenfalls noch abänderbar waren. Hätten die Vertrags­parteien bedacht, dass die Steuer­ver­waltung auch mit Rückwirkung die Umsatzsteuer-Pflicht in der vorliegenden Fallgestaltung verneint, hätten sie vereinbart, dass den vertrag­s­chlie­ßenden Krankenkassen ein Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Umsatzsteuer zustehe, wenn die Beklagte ihren Erstat­tungs­an­spruch gegen das Finanzamt ohne Prozessrisiko durchsetzen kann. So liegt es seit Veröf­fent­lichung des Umsatz­steu­er­an­wen­dungs­er­lasses des Bundes­mi­nis­teriums der Finanzen (20. Oktober 2016). Sind die maßgeblichen Steuer­an­mel­dungen nicht mehr abänderbar, beruht der Anspruch auf einem vertraglichen Schaden­s­er­satz­an­spruch. Die Beklagte wäre jedenfalls spätestens nach dem Urteil des Bundes­fi­nanzhofs vom 24. September 2014 verpflichtet gewesen, im Vorgriff auf mögliche Reaktionen der Steuer­ver­waltung innerhalb der noch laufenden Festset­zungsfrist die Abänderung zu beantragen. Dies wäre ihr angesichts der Kostenfreiheit des Verfahrens zumutbar gewesen.

Hinweise zur Rechtslage

§ 129 a SGB V - Kranken­hau­s­a­po­theken (in der bis 12.5.2017 maßgeblichen Fassung)

Die Krankenkassen oder ihre Verbände vereinbaren mit dem Träger des zugelassenen Krankenhauses das Nähere über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch die Kranken­hau­s­a­potheke an Versicherte, insbesondere die Höhe des für den Versicherten maßgeblichen Abgabepreises. Die nach § 300 Abs. 3 getroffenen Regelungen sind Teil der Vereinbarungen nach Satz 1. Eine Kranken­hau­s­a­potheke darf verordnete Arzneimittel zu Lasten von Krankenkassen nur abgeben, wenn für sie eine Vereinbarung nach Satz 1 besteht. Die Regelungen des § 129 Absatz 5c Satz 4 bis 5 gelten für Vereinbarungen nach Satz 1 entsprechend.

§ 4 UStG - Steuer­be­freiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen

Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

[...]

14. [...]

b) Kranken­h­aus­be­hand­lungen und ärztliche Heilbe­hand­lungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospiz­leis­tungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden. Die in Satz 1 bezeichneten Leistungen sind auch steuerfrei, wenn sie von

aa) zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 des Fünften Buches Sozial­ge­setzbuch

[...]

erbracht werden. [...]

Auszug aus der konsolidierten Fassung des Umsatzsteuer-Anwen­dungs­er­lasses vom 01.10.2010, BStBl I S 846 mit Stand 19.12.2016

(2) Unter diesen Voraussetzungen können zu den eng verbundenen Umsätzen gehören: 1. die stationäre oder teilstationäre Aufnahme von Patienten, deren ärztliche und pflegerische Betreuung einschließlich der Lieferungen der zur Behandlung erforderlichen Medikamente;

2. die Behandlung und Versorgung ambulanter Patienten;

3. die Abgabe von individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke des Krankenhauses hergestellten Arzneimitteln, wenn diese im Rahmen einer ambulant in den Räumen dieses Krankenhauses durchgeführten Heilbehandlung verwendet werden; auf die sozia­l­rechtliche Ermäch­ti­gungsform für die ambulante Heilbehandlung kommt es nicht an (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss v. 15.05.2012 - V R 19/11 -). Eine Behandlung im selben Gebäude ist nicht erforderlich. Für die Steuerbefreiung ist die Abgabe von patien­ten­in­di­viduell hergestellten Arzneimitteln durch die Kranken­hau­s­a­potheke eines Krankenhauses zur Behandlung eines Patienten in einem Krankenhaus desselben Unternehmers an einem anderen Standort unschädlich;

(Nummer 3 neu eingefügt durch BMF-Schreiben vom 28. September 2016 - III C 3 - S 7170/11/10004 (2016/0883539), BStBl I S. 1043. Die bisherigen Nummern 3 bis 8 wurden neue Nummern 4 bis 9. Die Grundsätze der Regelung sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für Umsätze, die vor dem 1. April 2017 ausgeführt werden, wird es für das Besteu­e­rungs­ver­fahren nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend von Abschnitt 4.14.6 Abs. 2 Nr. 3 UStAE dem allgemeinen Steuersatz unterwirft und insoweit aus den damit zusam­men­hän­genden Eingangs­leis­tungen unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG den Vorsteuerabzug geltend macht.)

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online (pm)

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