15.11.2024
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Bundessozialgericht Urteil11.09.2018

Geneh­mi­gungs­fiktion: Versicherte dürfen sich auf Kosten der Krankenkasse auch privat Operation in der Türkei besorgenBSG zur Kostenübernahme der Krankenkasse bei verspäteter Entscheidung

Entscheidet eine Krankenkasse nicht zeitgerecht über einen Antrag auf Haut­straffungs­operation und lehnt sie es ab, dem Leistungs­berechtigten die deswegen fiktiv genehmigte Leistung als Naturalleistung zur Verfügung zu stellen, hat sie dem Leistungs­berechtigten die hierdurch entstandenen Kosten zu erstatten, auch wenn er sich eine entsprechende Leistung im Ausland selbst beschafft. Dies entschied das Bundes­so­zi­al­gericht.

Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger des zugrunde liegenden Falls beantragte, ihn nach massiver Gewichtsabnahme mit einer Hautstraf­fungs­ope­ration an Brust und Bauch zu versorgen. Die Beklagte entschied nicht zeitgerecht und verweigerte die Leistung. Der Kläger ließ sich daraufhin privat in einer Klinik in der Türkei operieren und zahlte hierfür 4.200 Euro.

Klage in den Vorinstanzen erfolglos

Das Sozialgericht Gießen wies seine auf Koste­n­er­stattung gerichtete Klage ab, da der Anspruch des Klägers während des Aufenthaltes in der Türkei geruht habe. Das Hessische Landes­so­zi­al­gericht wies die Berufung des Klägers zurück.

Kläger durfte sich beantragte Operation privatärztlich selbst verschaffen

Zu Unrecht, wie nun das Bundes­so­zi­al­gericht entschied. Der Kläger habe sich die beantragte Operation privatärztlich selbst verschaffen dürfen, weil die beklagte Krankenkasse unter Missachtung der fingierten Genehmigung deren Gewährung abgelehnt hatte. Dabei sei er weder verpflichtet, sich die genehmigte Leistung lediglich im Inland zu verschaffen noch bei einer Selbst­ver­schaffung im Ausland die Bedingungen einer Auslands­ver­sorgung zu Lasten der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung einzuhalten. Es fehle bei einer rechtswidrigen Leistungs­ab­lehnung ein innerer Grund, den Kreis der Leistungs­er­bringer entsprechend einzuschränken. Auch im Ausland praktizierende Ärzte unterlägen Sorgfalts- und gegebenenfalls Schaden­s­er­satz­pflichten. Sie böten grundsätzlich die Gewähr für eine ordnungsgemäße Leistungs­er­füllung.

Hinweise zur Rechtslage

Erläuterungen

§ 13 Fünftes Buch Sozial­ge­setzbuch

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst­be­schaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbst­be­schaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Kranken­ver­si­cherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungs­be­rech­tigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundes­man­tel­vertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutach­ter­ver­fahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungs­be­rech­tigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungs­be­rechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Koste­n­er­stat­tungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14, 15 des Neunten Buches zur Zustän­dig­keits­klärung und Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

§ 16 Fünftes Buch Sozial­ge­setzbuch

(1) Der Anspruch auf Leistungen ruht, solange Versicherte 1. sich im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, soweit in diesem Gesetzbuch nichts Abweichendes bestimmt ist, [...].

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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