15.11.2024
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Sie sehen, wie während einer Hochzeit die Ringe angesteckt werden.

Dokument-Nr. 6704

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Urteil17.09.2008BundesgerichtshofXII ZR 72/06
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHReport 2009, 72Zeitschrift: BGH Report (BGHReport), Jahrgang: 2009, Seite: 72
  • BGHZ 178, 79Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 178, Seite: 79
  • FamRZ 2008, 2189Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2008, Seite: 2189
  • FuR 2008, 593Zeitschrift: Familie und Recht (FuR), Jahrgang: 2008, Seite: 593
  • MDR 2008, 1398Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2008, Seite: 1398
  • NJ 2009, 64Zeitschrift: Neue Justiz (NJ), Jahrgang: 2009, Seite: 64
  • NJW 2008, 3562Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2008, Seite: 3562
  • NJW-Spezial 2008, 708Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2008, Seite: 708
  • ZNotP 2009, 18Zeitschrift für die Notarpraxis (ZNotP), Jahrgang: 2009, Seite: 18
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Lingen, Urteil22.11.2005, 21 F 2269/04
  • Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil21.03.2006, 12 UF 154/05
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil17.09.2008

BGH: Split­ting­vorteil aus neuer Ehe beim Unterhalt für Kinder aus erster EheSteuervorteil ist auch als Einkommen zu betrachten

Der Vorrang des Unterhalts minderjähriger Kinder gegenüber Ehegatten gilt auch im Mangelfall für das gesamte verfügbare Einkommen des Unterhalts­pflichtigen und schließt den Split­ting­vorteil aus dessen neuer Ehe ein.

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich mit grundlegenden Fragen des Kindes­un­ter­halts­rechts zu befassen, die im Zusammenhang mit den am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Geset­ze­s­än­de­rungen im Unterhaltsrecht größere Bedeutung erlangt haben.

Zu entscheiden war über einen sog. Mangelfall. Das Einkommen des unter­halts­pflichtigen Vaters reichte nicht aus, um den Unterhalt seiner Kinder aus erster Ehe, seiner geschiedenen Ehefrau und – nach Wieder­ver­hei­ratung – auch seiner neuen Ehefrau sicherzustellen. Die erste Ehe war im Jahr 2001 geschieden worden. In der Folgezeit wurde der Unterhalt der geschiedenen Ehefrau und der drei Söhne (geb. 1990, 1994 und 1999) vom zuständigen Familiengericht zuletzt im Jahr 2003 festgesetzt. Weil das Einkommen des Unter­halts­pflichtigen für den Unterhalt aller Berechtigter nicht ausreichte, lagen die festgesetzten Unter­halts­beträge für die Kinder (58 € für den ältesten Sohn und 49 € bzw. 41 € für die beiden jüngeren Söhne) unterhalb des Existenz­mi­nimums.

Die geschiedene Ehefrau und die drei Söhne verlangten eine Erhöhung des Unterhalts und machten geltend, dass frühere Kredit­ver­bind­lich­keiten des Unter­halts­pflichtigen inzwischen weggefallen seien. Der Unter­halts­pflichtige wandte sich dagegen und begehrte seinerseits den vollständigen Wegfall des Unterhalts. Er berief sich unter anderem darauf, dass er durch einen Arbeits­platz­wechsel und den Umzug zu seiner (jetzigen) Ehefrau nicht mehr leistungsfähig sei. Der Split­ting­vorteil aus der neuen Ehe (rund 250 €) könne nicht berücksichtigt werden, sondern sei mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts der neuen Ehe vorzubehalten.

Das Amtsgericht ordnete den vollständigen Wegfall des Unterhalts an. Das Oberlan­des­gericht verringerte den Unterhalt auf monatlich 20 € pro Kind. Es berücksichtigte das Einkommen des Unter­halts­pflichtigen nur insoweit, wie es sich – ohne Split­ting­vorteil – bei (fiktiver) Einzel­ver­an­lagung des Unter­halts­pflichtigen ergeben würde.

Der Bundes­ge­richtshof ist dem nicht gefolgt. Er hatte bereits in anderen Fallge­stal­tungen entschieden, dass der Unter­halts­bedarf eines Kindes unter Berück­sich­tigung des gesamten Einkommens seines Vaters einschließlich des in der neuen Ehe erzielten Split­ting­vorteils zu ermitteln ist.

Im vorliegenden Fall war erstmals zu entscheiden, ob dieser Grundsatz auch in einem Mangelfall gilt, wenn der aus der Wieder­ver­hei­ratung stammende Split­ting­vorteil vollständig für den vorrangigen Kindesunterhalt verbraucht wird. Das ist zu bejahen.

Nach den am 1.1.2008 in Kraft getretenen Änderungen im Unterhaltsrecht steht der Kindesunterhalt minderjähriger Kinder gemäß § 1609 BGB an erster Rangstelle. Er ist somit allen anderen Unter­halts­ansprüchen gegenüber vorrangig. Für den Einsatz des gesamten Einkommens des Unter­halts­pflichtigen hat der XII. Zivilsenat eine schon seit dem Inkrafttreten des BGB am 1. Januar 1900 unverändert bestehende Geset­zes­be­stimmung (§ 1603 Abs. 2 S. 1 BGB) herangezogen, wonach Eltern im Mangelfall "alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden" haben (sog. gesteigerte Unter­halts­pflicht). Aus dieser Vorschrift ist ursprünglich hergeleitet worden, dass der Unter­halts­pflichtige mit seinen Kindern sogar "sein letztes Hemd" teilen müsse. Die Geset­zes­be­stimmung ist allerdings nach ständiger Rechtsprechung dahin einzuschränken, dass dem Unter­halts­pflichtigen von seinem Einkommen so viel verbleiben muss, wie er benötigt, um sein eigenes Existenzminimum zu sichern (sog. notwendiger Selbstbehalt; derzeit für Erwerbstätige nach Anm. 5 der Düsseldorfer Tabelle 2008: 900 €).

Der XII. Zivilsenat hat nunmehr klargestellt, dass das Einkommen, das über den Selbstbehalt hinausgeht, für den vorrangigen Kindesunterhalt vollständig zur Verfügung stehen muss. Ausnahmen nach dem jeweiligen Sinn und Zweck eines Einkom­mens­be­standteils oder einer Steuer­ver­güns­tigung sind entgegen der Annahme des Oberlan­des­ge­richts regelmäßig nicht veranlasst. Zur Begründung hat er vor allem darauf Bezug genommen, dass das Gesetz eine solche Einschränkung nicht vorsieht. Zum Vergleich hat er auf einzelne sozia­l­rechtliche Vorschriften verwiesen, welche zwar Ausnahmen von der Einkom­men­s­an­rechnung vorsehen, für die gesteigerte Unter­halts­pflicht aber dennoch dem Existenzminimum der Kinder ein höheres Gewicht zumessen. Eine gesonderte unter­halts­rechtliche Zuweisung des Einkom­mens­be­standteils an den neuen Ehegatten hat er demzufolge auch dann abgelehnt, wenn der Steuervorteil im Wesentlichen darauf beruht, dass der neue Ehegatte kein oder nur ein geringes steuer­pflichtiges Einkommen erzielt und deswegen meistens unter­halts­be­dürftig ist.

Aus der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts folge nichts anderes, weil diese sich nur auf das Verhältnis von erster und zweiter Ehe beziehe. Würde dagegen der Split­ting­vorteil ausschließlich für den neuen Ehegatten reserviert, so wirke sich dies auch zulasten der Kinder aus der neuen Ehe aus und liefe auf einen sachwidrigen Gegensatz von Ehe einerseits und Familie (Kinder) andererseits hinaus. Über die Verteilung des verfügbaren Einkommens entscheidet somit nicht dessen Zweckbestimmung im Einzelfall, sondern die in § 1609 BGB gesetzlich angeordnete und vorwiegend am Grad der Bedürftigkeit orientierte Rangfolge.

Eine Einschränkung der Einkom­men­s­an­rechnung ergibt sich nach dem Urteil allerdings dann, wenn der neue Ehegatte eigenes Einkommen erzielt und die Ehegatten – wie regelmäßig – die Steuerklassen III und V wählen. Dann verlagert sich wegen der ungünstigeren Steuerklasse V das Nettoeinkommen des weniger verdienenden Ehegatten auf den mehr verdienenden Unter­halts­pflichtigen. In diesem Fall muss auch der neue Ehegatte einen seinem Eigeneinkommen entsprechenden Anteil am Split­ting­vorteil behalten.

§ 1603 BGB Leistungs­fä­higkeit

(1) Unter­halts­pflichtig ist nicht, wer bei Berück­sich­tigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) 1Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. 2Den minderjährigen unverheirateten Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. 3Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unter­halts­pflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.

§ 1609 BGB Rangfolge mehrerer Unter­halts­be­rech­tigter

Sind mehrere Unter­halts­be­rechtigte vorhanden und ist der Unter­halts­pflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt folgende Rangfolge:

1.minderjährige unverheiratete Kinder und Kinder im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2,

2.Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unter­halts­be­rechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer; bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile im Sinne des § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 zu berücksichtigen,

3.Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nummer 2 fallen,

4.Kinder, die nicht unter Nummer 1 fallen,

5.Enkelkinder und weitere Abkömmlinge,

6.Eltern,

7.weitere Verwandte der aufsteigenden Linie; unter ihnen gehen die Näheren den Entfernteren vor.

§ 1610 BGB Maß des Unterhalts

(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt).

(2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.

Quelle: ra-online, BGH (pm)

der Leitsatz

BGB §§ 1603 Abs. 2, 1610 Abs. 1

Der aus einer neuen Ehe des Unter­halts­pflichtigen resultierende Split­ting­vorteil ist sowohl bei der Bemessung des Unter­halts­bedarfs minderjähriger Kinder gemäß § 1610 Abs. 1 BGB als auch bei der Beurteilung der Leistungs­fä­higkeit des Unter­halts­pflichtigen im Sinne von § 1603 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen, soweit er auf seinem alleinigen Einkommen beruht.

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