18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.
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Bundesgerichtshof Urteil04.05.2016

Berufsbedingter Wohnortwechsel berechtigt nicht zur außer­or­dent­lichen Kündigung des Fitnessstudio-VertragsFür Recht auf vorzeitige Kündigung muss wichtiger Grund in Form von Krankheit oder Schwangerschaft vorliegen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass ein berufsbedingter Wohnortwechsel einen Kunden grundsätzlich nicht dazu berechtigt, seinen langfristigen Fitnessstudio-Vertrag außerordentlich zu kündigen.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls verlangt als Betreiberin eines Fitnessstudios von dem Beklagten restliches Nutzungsentgelt für die Zeit von Oktober 2013 bis einschließlich Juli 2014. Die Parteien schlossen im Jahr 2010 einen Vertrag über die Nutzung des Fitnessstudios in Hannover für einen Zeitraum von 24 Monaten (Fitnessstudio-Vertrag). Sie vereinbarten ein monatliches Nutzungsentgelt von 65 Euro zuzüglich einer - zweimal im Jahr fälligen - Pauschale von 69,90 Euro für ein "Trainingspaket". Ferner enthält der Vertrag eine Verlän­ge­rungs­klausel um jeweils zwölf Monate für den Fall, dass er nicht bis zu drei Monate vor Ablauf gekündigt wird. Der Vertrag verlängerte sich entsprechend bis zum 31. Juli 2014.

Kläger kündigt Vertrag wegen berufsbedingten Wohnortwechsels

Im Oktober 2013 wurde der bis dahin in Hannover lebende Beklagte zum Soldaten auf Zeit ernannt. Ab diesem Zeitpunkt zahlte er keine Mitglieds­beiträge mehr. Als Soldat wurde er für die Zeit von Oktober bis Dezember 2013 nach Köln und für die Zeit von Januar bis Mai 2014 nach Kiel abkommandiert; seit Juni 2014 ist er in Rostock stationiert. Am 5. November 2013 kündigte er den Fitness-Studiovertrag.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Amtsgericht wies die Klage, mit der die Klägerin ein restliches Nutzungsentgelt von 719,90 Euro begehrt hatte, im Wesentlichen ab. Auf die Berufung der Klägerin gab das Landgericht der Klage in vollem Umfang statt. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.

Beklagter schuldet Fitnessstudio Nutzungs­entgelte bis zum regulären Vertragsende

Der Bundes­ge­richtshof wies die Revision des Beklagten zurück, weil der Beklagte den Vertrag nicht wirksam vorzeitig gekündigt hat und er deswegen bis zum regulären Vertragsende Nutzungsentgelt schuldet. Ein Dauer­schuld­ver­hältnis, wie der vorliegende Fitnessstudio-Vertrag, kann zwar von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrags­ver­hält­nisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Allerdings trägt der Kunde grundsätzlich das Risiko, die vereinbarte Leistung des Vertrags­partners aufgrund einer Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse nicht mehr nutzen zu können. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ihm aus Gründen, die er nicht beeinflussen kann, eine weitere Nutzung der Leistungen des anderen Vertrags­partners nicht mehr zumutbar ist.

Wohnsitzwechsel stellt grundsätzlich keinen wichtigen Grund dar

Bei einem Vertrag über die Nutzung eines Fitnessstudios kann ein solcher - nicht in seinen Verant­wor­tungs­bereich fallender - Umstand etwa in einer die Nutzung ausschließenden Erkrankung gesehen werden. Ebenso kann eine Schwangerschaft die weitere Nutzung der Leistungen des Studio­be­treibers bis zum Ende der vereinbarten Vertrags­laufzeit unzumutbar machen. Ein Wohnsitzwechsel stellt dagegen grundsätzlich keinen wichtigen Grund i.S.v. §§ 314 Abs. 1*, 543 Abs. 1**, 626 Abs. 1*** BGB für eine außer­or­dentliche Kündigung eines Fitness-Studiovertrags dar. Die Gründe für einen Wohnsitzwechsel - sei er auch berufs- oder familienbedingt - liegen in aller Regel allein in der Sphäre des Kunden und sind von ihm beeinflussbar. Besondere Umstände, die hier die Übernahme des Verwen­dungs­risikos für den Kunden gleichwohl als unzumutbar erscheinen ließen, sind weder festgestellt noch sonst ersichtlich.

Vorschriften für Sonder­kün­di­gungsrecht von Telekom­mu­ni­kations-Leistungen nicht auf Fitnessstudio-Verträge anwendbar

Die Vorschrift des § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG****, die dem Nutzer einer Telekom­mu­ni­kations-Leistung (etwa DSL) ein Sonder­kün­di­gungsrecht unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten einräumt, wenn die Leistung am neuen Wohnsitz nicht angeboten wird, ist weder unmittelbar noch entsprechend auf die Kündigung eines Fitnessstudio-Vertrags anzuwenden.

* § 314 Abs. 1 BGB

Erläuterungen
Dauer­schuld­ver­hältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrags­ver­hält­nisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

** § 543 Abs. 1 BGB

Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertrags­parteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietver­hält­nisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietver­hält­nisses nicht zugemutet werden kann.

*** § 626 Abs. 1 BGB

Das Dienst­ver­hältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienst­ver­hält­nisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienst­ver­hält­nisses nicht zugemutet werden kann.

**** § 46 Abs. 8 TKG

Der Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­diensten, der mit einem Verbraucher einen Vertrag über öffentlich zugängliche Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­dienste geschlossen hat, ist verpflichtet, wenn der Verbraucher seinen Wohnsitz wechselt, die vertraglich geschuldete Leistung an dem neuen Wohnsitz des Verbrauchers ohne Änderung der vereinbarten Vertrags­laufzeit und der sonstigen Vertragsinhalte zu erbringen, soweit diese dort angeboten wird. Der Anbieter kann ein angemessenes Entgelt für den durch den Umzug entstandenen Aufwand verlangen, das jedoch nicht höher sein darf als das für die Schaltung eines Neuanschlusses vorgesehene Entgelt. Wird die Leistung am neuen Wohnsitz nicht angeboten, ist der Verbraucher zur Kündigung des Vertrags unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats berechtigt [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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