18.10.2024
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Dokument-Nr. 15123

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Urteil12.12.2012BundesgerichtshofXII ZR 43/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHZ 196, 21Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 196, Seite: 21
  • DNotZ 2013, 385Deutsche Notar-Zeitschrift (DNotZ), Jahrgang: 2013, Seite: 385
  • FamRZ 2013, 363Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2013, Seite: 363
  • MDR 2013, 223Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2013, Seite: 223
  • NJW 2013, 686Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 686
  • NJW-Spezial 2013, 133Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2013, Seite: 133
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Wolfsburg, Urteil10.09.2009, 17 F 3114/09
  • Oberlandesgericht Braunschweig, Beschluss29.03.2011, 2 UF 161/09 - 51
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil12.12.2012

BGH: Kinder können gegenüber ihren Eltern unter­halts­pflichtig seinDies gilt auch für ein erwerbsloses Kind

Kann ein Elternteil die Kosten für eine Heimun­ter­bringung nicht aufbringen, kann das Kind zur Leistung eines Eltern­un­terhalts herangezogen werden. Hat das Kind mangels Erwer­bs­lo­sigkeit selbst kein Einkommen, kann auch der Taschen­geldan­spruch gegenüber dem Ehepartner zu Unter­halts­zwecken herangezogen werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall wurde die Tochter einer Heimbewohnerin zur Leistung eines Eltern­un­terhalts verpflichtet. Da die Mutter nicht in der Lage war, die Kosten des Heimaufenthalts vollständig zu zahlen, erhielt sie Sozialhilfe. Das Sozialamt war der Meinung, die Tochter sei, aufgrund des ihr gegen ihren Ehemann zustehenden Taschen­geldan­spruchs, unterhaltsfähig. Zudem sei zu berücksichtigen gewesen, dass sie in einer Eigen­tums­wohnung wohnte und somit ein Einkommen im Sinne eines Wohnwerts erhalten habe. Die Tochter war nicht berufstätig. Sie bewohnte zusammen mit ihrem berufstätigen Ehemann die Eigen­tums­wohnung. Da sich die Tochter weigerte zu zahlen, erhob das Sozialamt Klage. Das Amtsgericht Wolfsburg gab der Klage statt. Die Berufung der beklagten Tochter vor dem Oberlan­des­gericht Braunschweig blieb überwiegend erfolglos. Dagegen richtete sich ihre Revision.

Unter­halts­fä­higkeit der Tochter wurde falsch ermittelt

Der Bundes­ge­richtshof entschied teilweise zu Gunsten der Beklagten. Eine Unter­halts­pflicht der Tochter gegenüber der Mutter habe gemäß § 1601 BGB bestanden. Jedoch sei die Unterhaltsfähigkeit der Tochter durch das OLG Braunschweig falsch ermittelt worden.

Tochter erhielt kein Einkommen

Es sei nach Ansicht des BGH zum einen falsch, anzunehmen die Beklagte habe durch das Bewohnen einer Eigen­tums­wohnung ein Einkommen erzielt. Sie komme lediglich in den Genuss des Vorteils mietfrei zu wohnen. Dadurch haben ihr jedoch keine Mittel zur Verfügung gestanden, die sie für die Unter­halts­zahlung habe einsetzen können. Denn der Ehemann der Beklagten habe als Miteigentümer keine Nutzungs­ent­schä­di­gungen an die Beklagte zahlen müssen.

Unter­halts­pflicht bestand aufgrund eines Taschen­geldan­spruch

Die Unter­halts­ver­pflichtung habe aber aufgrund eines ihr gegen den Ehemann zustehenden Taschen­geldan­spruches bestanden, so der BGH weiter. Der Anspruch auf Taschengeld sei Bestandteil des Famili­en­un­terhalts gemäß §§ 1360, 1360 a BGB. Zum Famili­en­un­terhalt gehören neben den Kosten für Wohnung, Nahrung, Kleidung, medizinischer Versorgung, kulturelle Bedürfnisse, Kranken- und Altersvorsorge, Urlaub usw. auch ein Taschengeld. Dieser Geldbetrag solle nach Gutdünken und freier Wahl unabhängig eines Mitspra­che­rechts des anderen Ehegatten der Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse dienen. Das Taschengeld könne auch grundsätzlich zu Unter­halts­zwecken herangezogen werden. Die Höhe des Taschengelds richte sich nach den bestehenden Einkommens- und Vermö­gens­ver­hält­nissen der Ehegatten.

Vorliegend habe das OLG Braunschweig aber das Taschengeld falsch errechnet, da es von einem unzutreffenden Famili­en­un­terhalt ausgegangen sei.

Altersvorsorge des Ehemanns war zu berücksichtigen

Zwar sei es nach Auffassung des BGH richtig gewesen, bei der Berechnung des Famili­en­un­terhalts von dem Nettoeinkommen des Ehemanns auszugehen. Das OLG Braunschweig habe aber die zusätzliche Altersvorsorge des Ehemanns nur in Höhe von 5 % des Brutto­jah­res­ein­kommens berücksichtigt. Dies wäre hingegen nur dann zulässig gewesen, wenn der Ehemann selbst unter­halts­pflichtig gewesen wäre. Ein solcher Fall habe hier aber nicht vorgelegen. Denn seine Ehefrau sei unter­halts­pflichtig gewesen. Somit habe der Ehemann im Rahmen seiner Vermö­gens­bildung mehr als die 5 % ansparen dürfen.

Höhe des Unterhalts war zudem unangemessen

Der BGH führte schließlich aus, dass die Höhe des Unterhalts unangemessen gewesen sei. Es sei insofern zu berücksichtigen gewesen, dass die Verpflichtung zur Zahlung von Ehegat­ten­un­terhalt gemäß § 1603 Abs. 1 BGB begrenzt gewesen sei. Die Vorschrift ermögliche nämlich jedem Unter­halts­pflichtigen seinen eigenen angemessenen Unterhalt vorrangig zu sichern. Ihm sollen grundsätzlich die Mittel verbleiben, die er zur Deckung seines Lebensbedarfs brauche. Daher müsse das dem Ehegatten zustehende Taschengeld nicht in voller Höhe für den Elternunterhalt verwendet werden. Ein Betrag in Höhe von 5 -7 % sei ihm daher als Mindest­ta­schengeld anzuerkennen. Darüber hinaus müsse der Unter­halts­pflichtige nur etwa die Hälfte des den Selbstbehalt übersteigenden Taschengelds für den Unterhalt verwenden. Es sei daher nicht angemessen gewesen, dass die Beklagte fast in Höhe des gesamten, dem Mindest­ta­schengeld übersteigenden Betrages, Unterhalt leisten sollte.

Rechtsstreit wurde an das OLG zurückverwiesen

Die Entscheidung des OLG Braunschweigs habe daher aufgehoben und der Rechtsstreit zur Neuentscheidung an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen werden müssen.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

der Leitsatz

BGB §§ 1603, 1360, 1360 a

Das Taschengeld eines Ehegatten ist grundsätzlich auch für den Elternunterhalt einzusetzen. Dies gilt allerdings nicht in Höhe eines Betrages von 5 - 7 % des Mindest­selbst­behalts des Unter­halts­pflichtigen sowie in Höhe etwa der Hälfte des darüber­hin­aus­ge­henden Taschengeldes.

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