14.11.2024
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Sie sehen, wie während einer Hochzeit die Ringe angesteckt werden.

Dokument-Nr. 3876

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Urteil28.02.2007BundesgerichtshofXII ZR 37/05
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Hamm, Urteil18.02.2004, 3 F 150/02
  • Oberlandesgericht Hamm, Urteil14.01.2005, 11 UF 59/04
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil28.02.2007

BGH zur Befristung des nachehelichen Aufsto­ckungs­un­terhalts

Der Bundes­ge­richtshof hat die Unter­halts­zah­lungen für geschiedene Partner mit einst unterschiedlich hohen Einkommen eingeschränkt. Es kann dem Partner zugemutet werden, dass der so genannte Aufsto­ckungs­un­terhalt zeitlich begrenzt wird.

Der u. a. für Familiensachen zuständige XII. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hatte sich mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf nachehelichen Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB zeitlich befristet werden darf.

Die Parteien hatten 1973 die Ehe geschlossen, aus der zwei 1975 und 1977 geborene Kinder hervorgegangen sind. Nachdem ihre Ehe 1986 geschieden worden war, schlossen sie 1987 einen gerichtlichen Vergleich, wonach der Beklagte an die Klägerin monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.610 DM zu zahlen hatte. Außerdem erhielt die Klägerin das Alleineigentum an der zuvor als Ehewohnung genutzten Doppel­haus­hälfte. 1987 ging der Beklagte seine zweite Ehe ein. Nachdem die Klägerin 1990 eine Halbtags­be­schäf­tigung aufgenommen hatte, reduzierten die Parteien die Unter­halts­pflicht des Beklagten mit weiterem gerichtlichem Vergleich auf monatlich 1.000 DM. Seit 1995 ist die Klägerin wieder in Vollzeit berufstätig und erzielt eine angemessene Vergütung als kaufmännische Angestellte. Daraufhin wurde die Unter­halts­pflicht des Beklagten durch Urteil des Oberlan­des­ge­richts auf monatlich rund 825 DM (rund 422 €) herabgesetzt.

In dem nun entschiedenen Rechtsstreit verlangte die Klägerin im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des Senats zur unter­halts­recht­lichen Bewertung der Haushalt­s­tä­tigkeit und Kindererziehung (Senatsurteil BGHZ 148, 105 = FamRZ 2001, 986 = BGH, Urteil v. 13.06.2001 - XII ZR 343/99 -) eine Erhöhung des Aufsto­ckungs­un­terhalts. Demgegenüber hat der Beklagte eine weitere Reduzierung des Unterhalts begehrt, weil nach der neuesten Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts (FamRZ 2003, 1821 = BVerfG, Beschluss v. 07.10.2003 - 1 BvR 246/93 -) und des Bundes­ge­richtshofs der steuerliche Split­ting­vorteil aus seiner zweiten Ehe und sein Famili­en­zu­schlag als Beamter nicht für die Bemessung des Unterhalts seiner geschiedenen Ehefrau herangezogen werden dürfen. Außerdem begehrt er eine Befristung des Aufsto­ckungs­un­terhalts, weil seine geschiedene Ehefrau inzwischen durch ihr eigenes Einkommen und ihre, inzwischen nahezu lastenfreie, Doppel­haus­hälfte hinreichend abgesichert sei. Das Oberlan­des­gericht hat den geschuldeten Aufsto­ckungs­un­terhalt auf 752 € erhöht, aber bis Ende 2006 befristet. Der Senat hat die Entscheidung hinsichtlich der Höhe des Unter­halts­an­spruchs aufgehoben und die Sache insoweit an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen; hinsichtlich der Befristung hat er die Entscheidung jedoch gebilligt.

Nach § 1573 Abs. 2 BGB kann ein geschiedener Ehegatte, auch wenn er wieder voll berufstätig ist, Aufsto­ckungs­un­terhalt in Höhe der Differenz seiner eigenen Einkünfte zu dem Unter­halts­bedarf nach den ehelichen Lebens­ver­hält­nissen verlangen. Dieser Unter­halts­an­spruch kann allerdings nach dem 1986 eingeführten § 1573 Abs. 5 BGB zeitlich begrenzt werden, soweit ein zeitlich unbefristeter Anspruch auf Aufsto­ckungs­un­terhalt, insbesondere unter Berück­sich­tigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushalts­führung und Erwer­b­s­tä­tigkeit, unbillig wäre; die Dauer der Betreuung eines gemein­schaft­lichen Kindes steht dabei der Ehedauer gleich. Von dieser Befris­tungs­mög­lichkeit wurde bislang nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht. Sie hat aber erheblich an Bedeutung gewonnen, seit der Senat ein nachehelich erzieltes Einkommen des Unter­halts­be­rech­tigten als Surrogat seiner Haushalt­s­tä­tigkeit und Kindererziehung berücksichtigt, was regelmäßig zu einem dauerhaft höheren Aufsto­ckungs­un­terhalt führt.

Der Senat hat entschieden, dass es dem Unter­halts­be­rech­tigten zumutbar sein kann, sich nach einer Übergangszeit mit dem Einkommen zu begnügen, das er ohne die Ehe durch eigenes Erwer­b­s­ein­kommen hätte und jetzt auch erzielt. Das gilt nur dann nicht, wenn die Differenz zwischen dem eigenen Einkommen und dem Unter­halts­bedarf nach den ehelichen Lebens­ver­hält­nissen einen ehebedingten Nachteil darstellt, den es auch weiterhin auszugleichen gilt. Dabei kommt der Ehedauer und der Dauer der Kindererziehung zwar erhebliches Gewicht, aber keine allein entscheidende Bedeutung zu. Im Rahmen der Abwägung aller relevanten Umstände ist daneben auch darauf abzustellen, ob der unter­halts­be­rechtigte Ehegatte inzwischen durch eigenes Einkommen und Vermögen dauerhaft abgesichert ist und auch allein mindestens einen Lebensstandard erreicht, den er ohne die Ehe erreicht hätte. Das hat das Oberlan­des­gericht im vorliegenden Fall trotz der rund 20-jährigen Dauer der Ehe und Kindererziehung festgestellt und deshalb den Unterhalt zu Recht befristet.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 31/07 des BGH vom 01.03.2007

der Leitsatz

BGB §§ 1573 Abs. 2, 3 und 5, 1578 Abs. 1; ZPO § 323 Abs. 1, 2;

EStG § 10 Abs. 1; BBesG § 40 Abs. 1

a) Ein nachehelicher Karrieresprung ist auch nach der neueren Rechtsprechung des Senats zu den wandelbaren ehelichen Lebens­ver­hält­nissen nicht als eheprägend zu berücksichtigen (im Anschluss an das Senatsurteil BGHZ 166, 351 = FamRZ 2006, 683). Anderes gilt für eine Verringerung des Nettoeinkommens, wenn der Unter­halts­pflichtige nach Rechtskraft der Ehescheidung in eine Religi­o­ns­ge­mein­schaft eintritt.

b) Die unter­halts­rechtliche Berück­sich­tigung von Beiträgen für eine zusätzliche Alters­ver­sorgung setzt voraus, dass solche Beträge tatsächlich auf die Altersvorsorge für die betreffende Person verwendet werden; ein fiktiver Abzug kommt nicht in Betracht.

c) Auf eine geänderte höchst­rich­terliche Rechtsprechung (hier: zum Split­ting­vorteil in zweiter Ehe und zum Famili­en­zu­schlag für einen in den Haushalt aufgenommenen Stiefsohn) kann sich auch der Abände­rungs­be­klagte erst ab Verkündung des entsprechenden höchst­rich­ter­lichen Urteils stützen (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 21. Februar 2001 -XII ZR 276/98 - FamRZ 2001, 1364).

d) Den Unter­halts­schuldner trifft eine Obliegenheit zur Geltendmachung des Realsplittings nur insoweit, als er den Unter­halts­an­spruch anerkannt hat, dieser rechtskräftig feststeht oder soweit er den Unter­halts­an­spruch freiwillig erfüllt.

e) Wenn der Famili­en­zu­schlag nach § 40 Abs. 1 BBesG sowohl wegen des Unter­halts­an­spruchs aus einer geschiedenen Ehe als auch wegen einer bestehenden (zweiten) Ehe gezahlt wird, ist er bei der Bemessung des vorrangigen Unter­halts­an­spruchs der geschiedenen Ehefrau nur hälftig zu berücksichtigen (Abweichung von dem Senatsurteil vom 14. Februar 1990 - XII ZR 51/89 - FamRZ 1990, 981).

f) Der Unter­halts­schuldner ist mit den für eine Befristung des Aufsto­ckungs­un­terhalts relevanten Tatsachen nicht nach § 323 Abs. 2 ZPO präkludiert, wenn die abzuändernde Entscheidung aus einer Zeit vor der Änderung der Senats­recht­sprechung zur eheprägenden Haushalt­s­tä­tigkeit und Kindererziehung stammt und die für die notwendige Gesamtwürdigung maßgebenden Umstände seinerzeit noch nicht sicher abgeschätzt werden konnten (Abweichung vom Senatsurteil vom 9. Juni 2004 - XII ZR 308/01 - FamRZ 2004, 1357).

g) Zur Befristung des Anspruchs auf Aufsto­ckungs­un­terhalt (im Anschluss an die Senatsurteile vom 12. April 2006 - XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006, 1007 und vom 25. Oktober 2006 - XII ZR 190/03 - FamRZ 2007, 200, 203).

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