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- DNotZ 2009, 294Deutsche Notar-Zeitschrift (DNotZ), Jahrgang: 2009, Seite: 294
- FamRB 2009, 66Zeitschrift: Familien-Rechts-Berater (FamRB), Jahrgang: 2009, Seite: 66
- FamRZ 2009, 198Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2009, Seite: 198
- MDR 2009, 266Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2009, Seite: 266
- NJ 2009, 115Zeitschrift: Neue Justiz (NJ), Jahrgang: 2009, Seite: 115
- NJW 2009, 842Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2009, Seite: 842
- NJW-Spezial 2009, 132Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2009, Seite: 132
- Amtsgericht Bruchsal, Urteil14.10.2005, 3 F 188/05
- Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil11.09.2006, 20 UF 164/05
Bundesgerichtshof Urteil05.11.2008
Ehevertrag ungültig: Geschiedener darf nicht zum Sozialfall werdenBGH entlässt erstmals einen Ex-Ehemann aus Ehevertrag
Ein Ehevertrag ist sittenwidrig, wenn ein Geschiedener wegen der hohen Unterhaltszahlungen in die Sozialhilfe getrieben wird. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden. Hätte der Mann die Forderungen seiner Ex-Frau erfüllt, hätte er auf staatliche Unterstützung zurückgreifen müssen.
Erstmals hat der Bundesgerichtshof einen Ehevertrag für ungültig erklärt, weil der zahlungspflichtige Mann überfordert sei. Der Mann, der türkischer Staatsangehöriger ist, heiratete seine Frau im Jahre 1997. Die Ehe blieb kinderlos. 1999 schlossen die Eheleute einen notariellen Ehevertrag unter Hinzuziehung eines für die türkische Sprache allgemein vereidigten Dolmetschers. Der Mann klagte auf Feststellung, dass seiner früheren Frau (Beklagte) aus der notariellen Urkunde keine Leibrenten- oder Unterhaltsansprüche zustehen, und die Regelung insoweit nichtig ist.
Ehevertrag
"Im Hinblick auf den Altersunterschied zwischen den Eheleuten regeln die Eheleute einen etwaigen nachehelichen Unterhaltsanspruch der Ehefrau durch eine Leibrente. Für den Fall der Ehescheidung verzichten die Eheleute gegenseitig völlig auf jeden gesetzlichen Unterhalt und nehmen diesen Verzicht wechselseitig an.
Als Abfindung für ihren Verzicht erhält die Ehefrau die folgende Leibrente. Für diese Leibrente wird die entsprechende oder ergänzende Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über den nachehelichen Unterhalt ausdrücklich ausgeschlossen. Die Leibrente ist monatlich am 15. eines jeden Monats zu entrichten und beläuft sich auf monatlich 1.300 DM. Diese Leibrente erlischt mit dem Tode der Ehefrau. Sie erlischt weiter mit Beginn des ersten Monats, an dem die Ehefrau Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. Ferner ruht der Anspruch auf Leibrente, sobald und solange die Ehefrau Einkünfte aus einer Vollerwerbstätigkeit bezieht.
Verändert sich der Preisindex aller privaten Haushalte für ganz Deutschland, festgestellt vom statistischen Bundesamt, Basis 1991 = 100, gegenüber den im Monat dieses Vertragsabschluss gültigen Index, so erhöht oder ermäßigt sich der Rentenbetrag entsprechend. Eine Anpassung findet jedoch nur statt, wenn sich eine Veränderung dieses Index von mehr als 10 % eingestellt hat, wobei jeweils von der letzten Anpassung zu Grunde liegenden Indexzahl auszugehen ist. Die Rente erhöht oder ermäßigt sich ab dem der Anpassung folgenden Monatsfünfzehnten. Rückwirkende Anpassung kann nicht verlangt werden. Weiter gehende Anpassungen finden nicht statt. Insbesondere wird die Änderungsklage nach § 323 ZPO ausdrücklich ausgeschlossen.
Der Ehemann unterwirft sich wegen der Verpflichtung zur Zahlung obiger wertgesicherter Rente der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen.
Die Ehefrau verpflichtet sich jedoch ihrerseits, im Falle einer Ehescheidung sich nach Kräften um eine Vollerwerbstätigkeit als Bürokauffrau oder um eine vergleichbare Tätigkeit zu bemühen."
Auch Ehemann kann Inhaltskontrolle des Ehevertrages verlangen
Der Bundesgerichtshof führte aus, dass die Grundsätze, die er für die Inhaltskontrolle von Eheverträgen aufgestellt hat und die einer evident einseitigen, durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigten und für den belasteten Ehegatten unzumutbaren Lastenverteilung begegnen sollen (grundlegend: Senatsurteil BGHZ 158, 81 ff. = FamRZ 2004, 601 ff.), nicht nur für den unterhaltbegehrenden Ehegatten, sondern im Grundsatz auch für den auf Unterhalt in Anspruch Genommenen, gelten. Auch auf dessen Seite kann eine erhebliche Unterlegenheitsposition vorliegen, die zu einer offensichtlich einseitigen Aufbürdung vertraglicher Lasten führt. Den Gerichten obliege es insofern, den verfassungsrechtlichen Schutz vor einer mit dem Gedanken der ehelichen Solidarität nicht in Einklang zu bringenden unangemessenen Benachteiligung der im Einzelfall benachteiligten Partei zu gewähren.
Gericht prüft die Leistungsfähigkeit des Mannes
Da die Parteien einen etwaigen nachehelichen Unterhaltsanspruch der Beklagten nach Ziff. 7 des Ehevertrages ausdrücklich durch die Leibrente geregelt haben, kommt es für die Frage, ob durch die Leibrentenverpflichtung für den Kläger eine evident einseitige, seine Interessen nicht angemessen berücksichtigende Lastenverteilung begründet worden ist, ebenso wie bei einer unmittelbar unterhaltsrechtlichen Regelung auf die Voraussetzung der Leistungsfähigkeit an. Das Berufungsgericht hat hierzu festgestellt, dem Kläger seien nach den für die Wirksamkeitskontrolle maßgeblichen Einkommensverhältnissen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages unter Berücksichtigung der Leibrente monatlich allenfalls 810 DM von seinem bereinigten Nettoeinkommen für den eigenen Bedarf verblieben. Dies sei weniger als 2/3 des notwendigen Selbstbehalts (von 1.500 DM) der damals geltenden Düsseldorfer Tabelle. Dabei seien etwaige Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den in der Türkei lebenden Kindern des Klägers noch nicht einmal berücksichtigt.
Mann kann mit verbleibenden Einkommen seine Existenz nicht sichern
Bei einem verbleibenden Einkommen von allenfalls 810 DM monatlich wäre der Kläger aber nicht mehr in der Lage gewesen, seine eigene Existenz zu sichern. Das ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Betrag des notwendigen Selbstbehalts, da die betreffenden Sätze in der Regel geringfügig über dem nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen ermittelten Existenzminimum liegen. Angesichts des Umstandes, dass der dem Kläger verbleibende Teil seines Einkommens aber deutlich unter dem notwendigen Selbstbehalt liegt, ist von einem nicht mehr gewährleisteten Existenzminimum auszugehen. Das wird durch den doppelten Eckregelsatz der Sozialhilfe bestätigt, der zum 1. Juli 1999 für Alleinstehende in Baden-Württemberg monatlich 1.096 DM (548 DM x 2) betrug. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war mit einer erheblichen Einkommensverbesserung auf Seiten des Klägers auch nicht zu rechnen, erst recht nicht mit einer solchen, bei der sich die vereinbarten 1.300 DM monatlich als Beschränkung des gesetzlichen Unterhalts dargestellt hätten. Mit Rücksicht auf die Beeinträchtigung des Existenzminimums des Klägers begründet die vereinbarte Leibrente für diesen objektiv eine einseitige, durch die ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung.
Ehevertrag ist sittenwidrig
Der Bundesgerichthof stellte später in seinem Urteil fest, dass hier die Leibrentenvereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und daher nichtig sei, weil sie den Träger der Sozialleistung belasten würde.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.01.2009
Quelle: ra-online (pt)
der Leitsatz
BGB §§ 138 Abs. 1, 1585 c
a) Eine Inhaltskontrolle von Eheverträgen kann nicht nur zugunsten des unterhaltbegehrenden Ehegatten veranlasst sein, sondern im Grundsatz auch zugunsten des auf Unterhalt in Anspruch genommenen Ehegatten.
b) Für die Beurteilung, ob die subjektiven Elemente der Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages vorliegen, kann jedenfalls dann nicht auf konkrete Feststellungen hierzu verzichtet werden, wenn ein Ehegatte dem anderen Leistungen verspricht, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt. In solchen Fällen scheidet eine tatsächliche Vermutung für eine Störung der Vertragsparität aus.
c) Eine Unterhaltsvereinbarung kann sittenwidrig sein, wenn die Ehegatten damit auf der Ehe beruhende Familienlasten zum Nachteil des Sozialleistungsträgers regeln. Das kann auch dann der Fall sein, wenn durch die Unterhaltsabrede bewirkt wird, dass der über den gesetzlichen Unterhalt hinaus zahlungspflichtige Ehegatte finanziell nicht mehr in der Lage ist, seine eigene Existenz zu sichern und deshalb ergänzender Sozialleistungen bedarf.
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