21.11.2024
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Sie sehen, wie während einer Hochzeit die Ringe angesteckt werden.

Dokument-Nr. 7235

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Urteil05.11.2008BundesgerichtshofXII ZR 157/06
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DNotZ 2009, 294Deutsche Notar-Zeitschrift (DNotZ), Jahrgang: 2009, Seite: 294
  • FamRB 2009, 66Zeitschrift: Familien-Rechts-Berater (FamRB), Jahrgang: 2009, Seite: 66
  • FamRZ 2009, 198Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2009, Seite: 198
  • MDR 2009, 266Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2009, Seite: 266
  • NJ 2009, 115Zeitschrift: Neue Justiz (NJ), Jahrgang: 2009, Seite: 115
  • NJW 2009, 842Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2009, Seite: 842
  • NJW-Spezial 2009, 132Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2009, Seite: 132
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Bruchsal, Urteil14.10.2005, 3 F 188/05
  • Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil11.09.2006, 20 UF 164/05
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil05.11.2008

Ehevertrag ungültig: Geschiedener darf nicht zum Sozialfall werdenBGH entlässt erstmals einen Ex-Ehemann aus Ehevertrag

Ein Ehevertrag ist sittenwidrig, wenn ein Geschiedener wegen der hohen Unter­halts­zah­lungen in die Sozialhilfe getrieben wird. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden. Hätte der Mann die Forderungen seiner Ex-Frau erfüllt, hätte er auf staatliche Unterstützung zurückgreifen müssen.

Erstmals hat der Bundes­ge­richtshof einen Ehevertrag für ungültig erklärt, weil der zahlungs­pflichtige Mann überfordert sei. Der Mann, der türkischer Staats­an­ge­höriger ist, heiratete seine Frau im Jahre 1997. Die Ehe blieb kinderlos. 1999 schlossen die Eheleute einen notariellen Ehevertrag unter Hinzuziehung eines für die türkische Sprache allgemein vereidigten Dolmetschers. Der Mann klagte auf Feststellung, dass seiner früheren Frau (Beklagte) aus der notariellen Urkunde keine Leibrenten- oder Unter­halts­ansprüche zustehen, und die Regelung insoweit nichtig ist.

Ehevertrag

"Im Hinblick auf den Alters­un­ter­schied zwischen den Eheleuten regeln die Eheleute einen etwaigen nachehelichen Unter­halts­an­spruch der Ehefrau durch eine Leibrente. Für den Fall der Ehescheidung verzichten die Eheleute gegenseitig völlig auf jeden gesetzlichen Unterhalt und nehmen diesen Verzicht wechselseitig an.

Als Abfindung für ihren Verzicht erhält die Ehefrau die folgende Leibrente. Für diese Leibrente wird die entsprechende oder ergänzende Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über den nachehelichen Unterhalt ausdrücklich ausgeschlossen. Die Leibrente ist monatlich am 15. eines jeden Monats zu entrichten und beläuft sich auf monatlich 1.300 DM. Diese Leibrente erlischt mit dem Tode der Ehefrau. Sie erlischt weiter mit Beginn des ersten Monats, an dem die Ehefrau Altersrente aus der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung bezieht. Ferner ruht der Anspruch auf Leibrente, sobald und solange die Ehefrau Einkünfte aus einer Voller­wer­b­s­tä­tigkeit bezieht.

Verändert sich der Preisindex aller privaten Haushalte für ganz Deutschland, festgestellt vom statistischen Bundesamt, Basis 1991 = 100, gegenüber den im Monat dieses Vertrags­ab­schluss gültigen Index, so erhöht oder ermäßigt sich der Rentenbetrag entsprechend. Eine Anpassung findet jedoch nur statt, wenn sich eine Veränderung dieses Index von mehr als 10 % eingestellt hat, wobei jeweils von der letzten Anpassung zu Grunde liegenden Indexzahl auszugehen ist. Die Rente erhöht oder ermäßigt sich ab dem der Anpassung folgenden Monats­fünf­zehnten. Rückwirkende Anpassung kann nicht verlangt werden. Weiter gehende Anpassungen finden nicht statt. Insbesondere wird die Änderungsklage nach § 323 ZPO ausdrücklich ausgeschlossen.

Der Ehemann unterwirft sich wegen der Verpflichtung zur Zahlung obiger wertgesicherter Rente der sofortigen Zwangs­voll­streckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen.

Die Ehefrau verpflichtet sich jedoch ihrerseits, im Falle einer Ehescheidung sich nach Kräften um eine Voller­wer­b­s­tä­tigkeit als Bürokauffrau oder um eine vergleichbare Tätigkeit zu bemühen."

Auch Ehemann kann Inhalts­kon­trolle des Ehevertrages verlangen

Der Bundes­ge­richtshof führte aus, dass die Grundsätze, die er für die Inhaltskontrolle von Eheverträgen aufgestellt hat und die einer evident einseitigen, durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebens­ver­hältnisse nicht gerecht­fer­tigten und für den belasteten Ehegatten unzumutbaren Lasten­ver­teilung begegnen sollen (grundlegend: Senatsurteil BGHZ 158, 81 ff. = FamRZ 2004, 601 ff.), nicht nur für den unter­halt­be­geh­renden Ehegatten, sondern im Grundsatz auch für den auf Unterhalt in Anspruch Genommenen, gelten. Auch auf dessen Seite kann eine erhebliche Unter­le­gen­heits­po­sition vorliegen, die zu einer offensichtlich einseitigen Aufbürdung vertraglicher Lasten führt. Den Gerichten obliege es insofern, den verfas­sungs­recht­lichen Schutz vor einer mit dem Gedanken der ehelichen Solidarität nicht in Einklang zu bringenden unangemessenen Benachteiligung der im Einzelfall benachteiligten Partei zu gewähren.

Gericht prüft die Leistungs­fä­higkeit des Mannes

Da die Parteien einen etwaigen nachehelichen Unter­halts­an­spruch der Beklagten nach Ziff. 7 des Ehevertrages ausdrücklich durch die Leibrente geregelt haben, kommt es für die Frage, ob durch die Leibren­ten­ver­pflichtung für den Kläger eine evident einseitige, seine Interessen nicht angemessen berück­sich­tigende Lasten­ver­teilung begründet worden ist, ebenso wie bei einer unmittelbar unter­halts­recht­lichen Regelung auf die Voraussetzung der Leistungs­fä­higkeit an. Das Berufungs­gericht hat hierzu festgestellt, dem Kläger seien nach den für die Wirksam­keits­kon­trolle maßgeblichen Einkom­mens­ver­hält­nissen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages unter Berück­sich­tigung der Leibrente monatlich allenfalls 810 DM von seinem bereinigten Nettoeinkommen für den eigenen Bedarf verblieben. Dies sei weniger als 2/3 des notwendigen Selbstbehalts (von 1.500 DM) der damals geltenden Düsseldorfer Tabelle. Dabei seien etwaige Unter­halts­ver­pflich­tungen gegenüber den in der Türkei lebenden Kindern des Klägers noch nicht einmal berücksichtigt.

Mann kann mit verbleibenden Einkommen seine Existenz nicht sichern

Bei einem verbleibenden Einkommen von allenfalls 810 DM monatlich wäre der Kläger aber nicht mehr in der Lage gewesen, seine eigene Existenz zu sichern. Das ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Betrag des notwendigen Selbstbehalts, da die betreffenden Sätze in der Regel geringfügig über dem nach sozia­l­hil­fe­recht­lichen Grundsätzen ermittelten Existenzminimum liegen. Angesichts des Umstandes, dass der dem Kläger verbleibende Teil seines Einkommens aber deutlich unter dem notwendigen Selbstbehalt liegt, ist von einem nicht mehr gewährleisteten Existenzminimum auszugehen. Das wird durch den doppelten Eckregelsatz der Sozialhilfe bestätigt, der zum 1. Juli 1999 für Alleinstehende in Baden-Württemberg monatlich 1.096 DM (548 DM x 2) betrug. Nach den Feststellungen des Berufungs­ge­richts war mit einer erheblichen Einkom­mens­ver­bes­serung auf Seiten des Klägers auch nicht zu rechnen, erst recht nicht mit einer solchen, bei der sich die vereinbarten 1.300 DM monatlich als Beschränkung des gesetzlichen Unterhalts dargestellt hätten. Mit Rücksicht auf die Beein­träch­tigung des Existenz­mi­nimums des Klägers begründet die vereinbarte Leibrente für diesen objektiv eine einseitige, durch die ehelichen Lebens­ver­hältnisse nicht gerechtfertigte Lasten­ver­teilung.

Ehevertrag ist sittenwidrig

Der Bundes­ge­richthof stellte später in seinem Urteil fest, dass hier die Leibren­ten­ver­ein­barung nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und daher nichtig sei, weil sie den Träger der Sozialleistung belasten würde.

Quelle: ra-online (pt)

der Leitsatz

BGB §§ 138 Abs. 1, 1585 c

a) Eine Inhalts­kon­trolle von Eheverträgen kann nicht nur zugunsten des unter­halt­be­geh­renden Ehegatten veranlasst sein, sondern im Grundsatz auch zugunsten des auf Unterhalt in Anspruch genommenen Ehegatten.

b) Für die Beurteilung, ob die subjektiven Elemente der Sitten­wid­rigkeit eines Ehevertrages vorliegen, kann jedenfalls dann nicht auf konkrete Feststellungen hierzu verzichtet werden, wenn ein Ehegatte dem anderen Leistungen verspricht, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt. In solchen Fällen scheidet eine tatsächliche Vermutung für eine Störung der Vertragsparität aus.

c) Eine Unter­halts­ver­ein­barung kann sittenwidrig sein, wenn die Ehegatten damit auf der Ehe beruhende Familienlasten zum Nachteil des Sozia­l­leis­tungs­trägers regeln. Das kann auch dann der Fall sein, wenn durch die Unter­halts­abrede bewirkt wird, dass der über den gesetzlichen Unterhalt hinaus zahlungs­pflichtige Ehegatte finanziell nicht mehr in der Lage ist, seine eigene Existenz zu sichern und deshalb ergänzender Sozia­l­leis­tungen bedarf.

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