23.11.2024
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Bundesgerichtshof Beschluss10.10.2018

Ehefrau der Kindesmutter wird durch Ehe nicht zum rechtlichen Mit-Elternteil des KindesBei verschieden­geschlecht­lichen Ehepaaren geltende Abstam­mungs­re­gelung gilt nicht bei gleich­geschlecht­lichen Ehepaaren

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die Ehefrau der das Kind gebärenden Mutter (allein) aufgrund der bestehenden Ehe als weiterer Elternteil des Kindes in das Gebur­ten­re­gister einzutragen ist. Er hat dies verneint, weil die bei verschieden­geschlecht­lichen Ehepaaren geltende Abstam­mungs­re­gelung des § 1592 Nr. 1 BGB* bei gleich­geschlecht­lichen Ehepaaren nicht gilt.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kindesmutter und die Antragstellerin lebten seit Mai 2014 in einer eingetragenen Leben­s­part­ner­schaft. Nach Einführung der "Ehe für alle" schlossen sie am 12. Oktober 2017 durch Umwandlung dieser Leben­s­part­ner­schaft die Ehe. Am 3. November 2017 wurde das Kind geboren, das aufgrund gemeinsamen Entschlusses der beiden Frauen durch medizinisch assistierte künstliche Befruchtung mit Spendersamen einer Samenbank gezeugt worden war. Im Geburtenregister wurde die Mutter eingetragen, nicht aber ihre Ehefrau als weiterer Elternteil. Diese beantragte daraufhin erfolglos beim Standesamt, den Geburtseintrag dahingehend zu berichtigen, dass sie als weitere Mutter aufgeführt werde.

Standesamt lehnt Eintragung der Antragstellerin als "weitere Mutter" ab

Dem Antrag der Ehefrau folgend hat das Amtsgericht den Standesbeamten angewiesen, sie "als weiteres Elternteil bzw. als weitere Mutter" einzutragen. Auf die hiergegen vom Standesamt und der Standes­amts­aufsicht eingelegten Beschwerden hat das Oberlan­des­gericht den amtsge­richt­lichen Beschluss aufgehoben und den Antrag der Ehefrau zurückgewiesen.

Abstam­mungsrecht wurde durch "Ehe für alle" (noch) nicht geändert

Die dagegen von der Standes­amts­aufsicht eingelegte Rechts­be­schwerde hatte keinen Erfolg. Das Gebur­ten­re­gister ist nicht unrichtig, weil die Ehefrau der Kindesmutter nicht mit der Geburt rechtlicher Elternteil des Kindes geworden ist. Die allein in Betracht zu ziehende Elternstellung gemäß oder entsprechend § 1592 Nr. 1 BGB scheidet aus, weil diese Vorschrift weder unmittelbar noch analog auf die Ehe zweier Frauen anwendbar ist. Mit dem am 1. Oktober 2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20. Juli 2017 ("Ehe für alle") hat der Gesetzgeber zwar die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt, jedoch das Abstam­mungsrecht (noch) nicht geändert. Die direkte Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Norm nach ihrem klaren Wortlaut allein die Vaterschaft regelt und diese aufgrund einer widerlegbaren Vermutung einem bestimmten Mann zuweist. Die Abstam­mungs­regeln der §§ 1591 ff. BGB haben nach wie vor die Eltern-Kind-Zuordnung zu einer Mutter und einem Vater zum Gegenstand. Das Gesetz nimmt ausgehend davon, dass ein Kind einen männlichen und einen weiblichen Elternteil hat, eine Zuordnung des Kindes zu zwei Elternteilen unter­schied­lichen Geschlechts vor.

Gesetzgeber hat bisher von Reform des Abstam­mungs­rechts bewusst Abstand genommen

Die Vorschrift ist auch nicht entsprechend anwendbar, weil die Voraussetzungen für eine Analogie nicht vorliegen. Das Gesetz weist schon keine planwidrige Regelungslücke zu der Frage einer Mit-Elternschaft bei gleich­ge­schlecht­lichen Ehepaaren auf. Zwar ist richtig, dass der Gesetzgeber mit der "Ehe für alle" bestehende Diskri­mi­nie­rungen von gleich­ge­schlecht­lichen Lebenspartnern und von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität beenden und hierzu rechtliche Regelungen, die gleich­ge­schlechtliche Leben­s­part­ner­schaften schlechter stellen, beseitigen wollte. Er hat aber bislang von einer Reform des Abstam­mungs­rechts bewusst Abstand genommen, wie der Umstand belegt, dass das Bundes­mi­nis­terium der Justiz und für Verbrau­cher­schutz einen Arbeitskreis eingesetzt hat, der eine umfassende Reform des Abstam­mungs­rechts vorbereiten sollte und sich dabei auch intensiv mit der Frage gleich­ge­schlecht­licher Elternschaft befasst hat. Dieser hat seinen Abschluss­bericht am 4. Juli 2017 und damit wenige Tage vor Erlass des Gesetzes zur "Ehe für alle" vorgelegt, sodass der Bericht nicht mehr in das Gesetz zur Neuregelung der Ehe vom 20. Juli 2017 einfließen konnte. Daneben fehlt es auch an der für eine entsprechende Anwendung erforderlichen Vergleich­barkeit der gleich­ge­schlecht­lichen Ehe zweier Frauen mit der von § 1592 Nr. 1 BGB geregelten Elternschaft des mit der Kindesmutter verheirateten Mannes. Denn die Vaterschaft kraft Ehe beruht darauf, dass diese rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung auch die tatsächliche Abstammung regelmäßig abbildet. Die der gesetzlichen Regelung zugrunde liegende widerlegbare Vermutung der Vaterschaft ist für die mit der Kindesmutter verheiratete Frau dagegen keinesfalls begründet.

Ehefrau einer Kindesmutter bleibt bis zu gesetzlicher Neuregelung auf Adoption angewiesen

Die bestehende Rechtslage verstößt auch nicht gegen das Grundgesetz oder die Europäische Menschen­rechts­kon­vention. Insbesondere stellt es keine Ungleich­be­handlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG dar, dass die Ehefrau der Kindesmutter anders als ein Ehemann nicht allein aufgrund der bei Geburt bestehenden Ehe von Gesetzes wegen rechtlicher Elternteil des Kindes ist. Vielmehr ist die Situation insoweit verschieden, als die Ehefrau rein biologisch nicht leiblicher Elternteil des Kindes sein kann. Dieser Unterschied rechtfertigt die im Rahmen des Abstam­mungs­rechts nach wie vor bestehende abweichende Behandlung gleich- und verschie­den­ge­schlecht­licher Ehepaare und deren Kinder. Die Ehefrau einer Kindesmutter bleibt daher jedenfalls bis zu einer gesetzlichen Neuregelung auf eine Adoption nach § 1741 Abs. 2 Satz 3 BGB verwiesen, um in die rechtliche Elternstellung zu gelangen.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1592 BGB Vaterschaft

Vater eines Kindes ist der Mann,

1. der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,

2. der die Vaterschaft anerkannt hat oder

3. dessen Vaterschaft nach § 1600 d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist.

§ 1741 Zulässigkeit der Annahme

(1) Die Annahme als Kind ist zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Wer an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zwecke der Annahme mitgewirkt oder einen Dritten hiermit beauftragt oder hierfür belohnt hat, soll ein Kind nur dann annehmen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(2) Wer nicht verheiratet ist, kann ein Kind nur allein annehmen. Ein Ehepaar kann ein Kind nur gemein­schaftlich annehmen. Ein Ehegatte kann ein Kind seines Ehegatten allein annehmen. Er kann ein Kind auch dann allein annehmen, wenn der andere Ehegatte das Kind nicht annehmen kann, weil er geschäfts­unfähig ist oder das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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