21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil09.07.2024

BGH legt Zinssatz zur Nachberechnung beim Prämiensparen fest - Sparkassen müssen Zinsen nachzahlenMaßstab zur Zinsanpassung ist rechtens

Der Bundes­ge­richtshof hat mit Urteilen im Rahmen von zwei Muster­feststellungs­klagen über die Revisionen von Verbraucher­schutz­verbänden gegen die Muster­feststellungs­urteile der Oberlan­des­ge­richte Dresden und Naumburg über den Referenzzins für Zinsanpassungen in Prämien­spar­verträgen entschieden.

Die Musterkläger in beiden Verfahren sind seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtungen in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragene Verbrau­cher­schutz­verbände. Die beklagten Sparkassen schlossen in den Jahren 1993 bis 2006 bzw. in der Zeit vor Juli 2010 mit Verbrauchern sogenannte Prämi­en­spa­r­verträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach - bis zu 50 % ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen. Die Musterkläger halten die Regelungen in den Sparverträgen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von den Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung für zu niedrig. Sie begehren mit ihren Muster­fest­stel­lungs­klagen u.a. die Bestimmung eines Referenzzinses, der für die von den Musterbeklagten vorzunehmenden Zinsanpassungen maßgebend ist. Der Musterkläger in dem Verfahren XI ZR 44/23 möchte darüber hinaus festgestellt wissen, dass sich die für die Ingangsetzung der dreijährigen Regelverjährung erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Verbraucher auf die Unwirksamkeit der in den Sparverträgen enthaltenen Zinsan­pas­sungs­klausel und auf die Parameter für die Zinsanpassung bezieht, die höchst­rich­terlich festgelegt worden sind. Beide OLG haben jeweils mit sachver­ständiger Hilfe festgestellt, dass die Musterbeklagten jeweils verpflichtet sind, die Zinsanpassungen in den Sparverträgen auf der Grundlage der Umlaufsrenditen börsennotierter Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von über 8 bis 15 Jahren vorzunehmen. Hinsichtlich der vom Musterkläger in dem Verfahren XI ZR 44/23 begehrten verjäh­rungs­recht­lichen Feststellung hat das OLG die Klage abgewiesen. Die Musterkläger verfolgen ihre Feststel­lungsziele mit der Revision jeweils weiter, soweit die OLG die Klagen abgewiesen haben. Sie möchten insbesondere die Feststellung erreichen, dass die Zinsanpassungen auf der Grundlage von gleitenden Durch­schnitts­werten der letzten zehn Jahre der Umlaufsrenditen inländischer Hypothe­ken­pfand­briefe mit einer garantierten Restlaufzeit von 10 Jahren vorzunehmen sind.

OLG-Urteile bestätigt

Der BGH hat beide Revisionen zurückgewiesen. Er hat entschieden, dass die in den Prämi­en­spa­r­ver­trägen infolge der Unwirksamkeit der Zinsan­pas­sung­klauseln entstandene Regelungslücke durch ergänzende Vertrags­aus­legung nach §§ 133, 157 BGB zu schließen ist. Die OLG haben jeweils rechts­feh­lerfrei angenommen, dass der danach zu bestimmende Referenzzins nicht nach der Methode gleitender Durchschnitte zu berechnen ist. Denn Sparer wären bei Anwendung der sogenannten Gleit­zins­methode entgegen ihrer Erwartung bereits im Zeitpunkt des Vertrags­schlusses überwiegend an die Zinsentwicklung zurückliegender Jahre gebunden, da künftige Zinsänderungen in den maßgeblichen Durch­schnittszins nur entsprechend ihrem Zeitanteil einfließen. Sparer vergleichen im Rahmen ihrer Anlage­ent­scheidung bei der maßgebenden objektiv-genera­li­sie­renden Sicht den ihnen angebotenen variablen Zins mit dem gegenwärtigen durch­schnitt­lichen Marktzins und nicht mit einem Zins, der aus überwiegend in der Vergangenheit liegenden Zinsen berechnet wird.

Beide OLG sind außerdem zutreffend davon ausgegangen, dass die Umlaufsrenditen von Hypothe­ken­pfand­briefen als Referenzzins für die variable Verzinsung risikoloser Spareinlagen nicht in Betracht kommen. Diese von den Musterklägern als Referenzzins befürworteten Umlaufsrenditen spiegeln trotz ihrer Besicherung durch Pfandbriefe nicht den "risikolosen" Marktzins wider, sondern enthalten einen Risikoaufschlag, der im Vergleich zu den Umlaufsrenditen von Bundesanleihen zu einer vergleichsweise höheren Verzinsung führt. Der typische Sparer, der Sparverträge der vorliegenden Art abschließt, zeigt allerdings keinerlei Risiko­be­reit­schaft, so dass der im Rahmen der ergänzenden Vertrags­aus­legung zu bestimmende Referenzzins ebenfalls keinen Risikoaufschlag enthalten darf.

Zinssatz begünstige weder Sparer noch die beklagten Sparkassen

Die von den OLG als Referenzzins herangezogenen Umlaufsrenditen inländischer Bundes­wert­papiere mit Restlaufzeiten von über 8 bis 15 Jahren genügen den Anforderungen, die im Rahmen der ergänzenden Vertrags­aus­legung an einen Referenzzins für die variable Verzinsung der Sparverträge zu stellen sind. Sie werden von der Deutschen Bundesbank, einer unabhängigen Stelle, nach einem genau festgelegten Verfahren ermittelt sowie in deren Monatsberichten regelmäßig veröffentlicht und begünstigen daher weder einseitig die Sparer noch die beklagten Sparkassen. Die Umlaufsrenditen von Bundesanleihen spiegeln zudem die jeweils aktuellen risikolosen Zinsen am Kapitalmarkt wider und enthalten in Ermangelung eines Ausfallrisikos keinen Risikoaufschlag. Zudem kommen die Restlaufzeiten von über 8 bis 15 Jahre der herangezogenen Umlaufsrenditen der typisierten Spardauer bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe nach 15 Jahren hinreichend nahe.

In dem Verfahren XI ZR 44/23 hat der XI. Zivilsenat darüber hinaus entschieden, dass sich die für die Ingangsetzung der dreijährigen Regelverjährung gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Verbraucher nicht auf die Unwirksamkeit der in den Sparverträgen enthaltenen Zinsan­pas­sungs­klausel und auf die Parameter für die Zinsanpassung beziehen muss, die höchst­rich­terlich festgelegt worden sind. Denn der Inhaber eines Anspruchs muss keine rechtlich zutreffenden Schlüsse nachvollziehen, damit der Lauf der Verjährung seines Anspruchs in Gang gesetzt wird.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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