21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil19.12.2017

BGH zu Beratungs­pflichten einer Bank bei Abschluss eines strukturierten DarlehensAufklärungs­pflicht­verletzung aus Finanzierungs­beratungs­vertrag rechtfertigt nicht grundsätzlich Rückabwicklung des Darle­hens­vertrags

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich mit den Aufklärungs­pflichten einer Bank zu beschäftigen, die ihrem Kunden im Rahmen einer Finanzierungs­beratung den Abschluss eines im Hinblick auf die Zinsen wechsel­kurs­basierten Darle­hens­vertrags empfohlen hatte.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls, eine Gemeinde in Nordrhein-Westfalen mit rund 18.000 Einwohnern, und die beklagte Bank schlossen im Juni 2007 zur Ablösung eines noch laufenden Darlehens einen Darle­hens­vertrag über etwas mehr als 3 Mio. Euro bei einer Laufzeit von 38 Jahren ab. In den ersten 20 Jahren sollte der Zinssatz 3,99 % p.a. betragen, wenn der Wechselkurs des Euro zum Schweizer Franken (CHF) größer oder gleich 1,43 war. Sobald der Euro unter diese Grenze fiel, sollte der jährliche Zinssatz 3,99 % zuzüglich der Hälfte der Wechsel­kur­s­än­derung zu 1,43 betragen, wobei sich nach den vertraglichen Vereinbarungen die "Wechsel­kur­s­än­derung, dargestellt in Prozent, [...] aus der Division des Referenz­wech­sel­kurses von 1,43 CHF für 1 Euro und dem am Feststel­lungstag veröf­fent­lichten Wechselkurs des Euro in Schweizer Franken, minus 1" errechnen sollte. Dem Vertragsschluss waren mehrere Beratungs­ge­spräche zwischen den Parteien vorausgegangen, in denen die Beklagte der Klägerin als weitere Möglichkeiten einer Umschuldung eine Fortführung des bestehenden Darlehens zu aktuellen Konditionen und eine Finanzierung in Schweizer Franken zu etwas höheren festen Zinsen (als in dem letztendlich abgeschlossenen Darle­hens­vertrag) für die gesamte Laufzeit vorgestellt hatte. In den Präsentationen für den streit­ge­gen­ständ­lichen Darle­hens­vertrag wies die Beklagte unter anderem darauf hin, dass die Schweizerische Nationalbank bei einer Aufwertung des Schweizer Franken eine Nullzinspolitik verfolge und die Schwelle von 1 Euro zu 1,45 CHF deren Inter­ven­ti­o­nspunkt sei. Außerdem enthielt die Präsentation eine Tabelle, die für Wechselkurse von 1,39 bis 1,65 den jeweiligen Zinssatz aufwies. Dieser war für Kurse von 1,43 bis 1,65 mit 3,99 % angegeben und stieg ab einem Kurs von 1,42 bis zu einem Kurs von 1,39 schrittweise von 4,34 % auf 5,43 % an. Zwischen den Kursen von 1,43 und 1,42 war ein fettgedruckter Trennstrich eingezeichnet mit dem Hinweis "Barriere". Zu dem Wechselkurs von 1,44 erfolgte der Hinweis "Niedrigstes historisches Niveau", zu dem Wechselkurs von 1,45 der Hinweis "Untere Schwelle des Zielkorridors der SNB". Über dem Wechselkurs von 1,64 befand sich der Hinweis "Aktuelles Niveau". In der Folgezeit wertete der Schweizer Franken stark auf, so dass die von der Klägerin zu zahlenden Zinsen nach den Feststellungen des Berufungs­ge­richts zuletzt 18,99 % p.a. betrugen. Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Darle­hens­vertrag sittenwidrig und damit nichtig sei. Außerdem sei sie von der Beklagten insbesondere im Hinblick auf das Wechsel­kurs­risiko nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Mit der Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung der an die Beklagte geleisteten Zinsen und wendet sich gegen die weitere Inanspruchnahme aus dem Darle­hens­vertrag. Die Beklagte begehrt im Wege der Widerklage die Zahlung rückständiger Zinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage im Wesentlichen stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben.

Darle­hens­vertrag ist nicht wegen Sitten­wid­rigkeit nichtig

Auf die vom Kammergericht zugelassene Revision der Klägerin hat der Bundes­ge­richtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Kammergericht zurückverwiesen. Dabei hat der Bundes­ge­richtshof die Auffassung des Berufungs­ge­richts bestätigt, dass der Darle­hens­vertrag nicht nach § 138 BGB wegen Sitten­wid­rigkeit nichtig ist. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Kammergerichts lag zu dem für die Beurteilung der Sitten­wid­rigkeit maßgeblichen Zeitpunkt des Vertrags­schlusses der vertragliche Zinssatz unterhalb des Marktzinses; bei anderer Entwicklung des Wechselkurses hätte sich die Klägerin besser gestellt als bei Fortführung des umgeschuldeten Darlehens.

BGH bejaht zum Schadensersatz verpflichtende Aufklä­rungs­pflicht­ver­letzung

Dagegen hat der Bundes­ge­richtshof anders als die Vorinstanzen eine zum Schadensersatz verpflichtende Aufklä­rungs­pflicht­ver­letzung der Beklagten bejaht. Nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs trifft die Bank bei einem - wie hier zustande gekommenen - Finan­zie­rungs­be­ra­tungs­vertrag gegenüber dem Darlehensnehmer die Verpflichtung zur Aufklärung über die spezifischen Nachteile und Risiken und die vertrags­spe­zi­fischen Besonderheiten der empfohlenen Finan­zie­rungsform. Diese Pflicht hat die Beklagte verletzt. Die Abhängigkeit von Wechselkurs und Zinshöhe war zwar aus dem Vertrag ohne weiteres erkennbar. Die Beklagte hat aber in den Präsen­ta­ti­o­ns­un­terlagen die Risiken der von der Klägerin übernommenen wechsel­kurs­ba­sierten Zinszah­lungs­ver­pflichtung nicht hinreichend deutlich gemacht, indem sie weder auf das Fehlen einer Zinsobergrenze ausdrücklich hingewiesen noch im Hinblick auf die lange Laufzeit des Darlehens die zinsrelevanten Folgen einer nicht nur unerheblichen Aufwertung des Schweizer Franken gegenüber dem Euro ausreichend deutlich beschrieben hat. Ganz im Gegenteil hat sie das Wechsel­kurs­risiko durch die deutlich hervorgehobenen Hinweise auf die Politik der Schweizerischen Nationalbank und das Wechsel­kur­s­niveau der vergangenen Jahre im Hinblick auf die lange Laufzeit des Darlehens verharmlost und diesen Eindruck durch die einseitige Darstellung der Vorteile des empfohlenen Darlehens im Vergleich zu einer Fortführung des bestehenden Darlehens noch verstärkt.

Aufklä­rungs­pflicht­ver­letzung führt lediglich zum Anspruch auf Ersatz der durch die gewählte Finanzierung entstandenen Mehrkosten

Nach Aufhebung und Zurück­ver­weisung der Sache wird das Berufungs­gericht auf der Grundlage der Rechts­aus­füh­rungen des Bundes­ge­richtshofs die erforderlichen weiteren Feststellungen zu treffen haben. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Schadenshöhe. Entgegen der Auffassung des Berufungs­ge­richts rechtfertigt eine Aufklä­rungs­pflicht­ver­letzung aus einem Finan­zie­rungs­be­ra­tungs­vertrag eine Rückabwicklung des Darle­hens­vertrags grundsätzlich nicht. Vielmehr führt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs hier eine Aufklä­rungs­pflicht­ver­letzung lediglich zu einem Anspruch auf Ersatz der durch die gewählte Finanzierung entstandenen Mehrkosten.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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