14.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil03.07.2018

Flugver­schiebung: Reisende können Mehrkosten für einen in Eigenregie gebuchten Ersatzflug erstattet verlangenReise­ver­an­stalter muss Reisende über Pflicht zur Anzeige von Reisemängeln aufklären

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass Reisende, deren ursprünglich vorgesehener Flug sich verschoben hatte, die Kosten für einen in Eigenregie gebuchten Ersatzflug vom Reise­ver­an­stalter erstattet verlangen können.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens buchte bei der beklagten Reise­ver­an­stalterin für sich, ihren Ehemann und ihre zwei Kinder für die Zeit vom 1. bis 7. Oktober 2014 eine Pauschalreise in die Türkei zu einem Gesam­t­rei­sepreis von 4.874 Euro.

Rückflug aufgrund technischer Probleme verschoben

Der Rückflug von Antalya nach Frankfurt war für den 7. Oktober 2014 um 20.05 Uhr vorgesehen. Am Abreisetag wurde der Klägerin am Flughafen mitgeteilt, dass sich der Rückflug aufgrund eines technischen Problems auf 22.40 Uhr verschiebt. Als neuer Zielort des Rückflugs wurde Köln angegeben; von dort wurde ein Bustransfer nach Frankfurt angeboten. Die Ankunfts­ver­spätung betrug ca. 6,5 Stunden.

Klägerin verlangt Kosten für eigenmächtig anderweitig gebuchten Rückflug erstattet

Die Klägerin buchte daraufhin in Eigenregie und ohne vorherige Kontaktaufnahme mit der Beklagten bei einer anderen Flugge­sell­schaft einen Ersatzflug für denselben Abend nach Frankfurt. Am 18. März 2015 meldete die Klägerin ihre Ersatzansprüche bei der Beklagten an. Sie begehrt Zahlung der durch den Ersatzflug entstandenen Mehrkosten in Höhe von 1.235 Euro.

AG und LG verneinen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Das Landgericht sah es zwar als unschädlich an, dass die Klägerin ihre Ansprüche erst nach Ablauf der einmonatigen Ausschlussfrist (§ 651 g BGB) geltend gemacht habe, weil die Beklagte insoweit ihrer Hinweispflicht nach § 6 Abs. 2 Nr. 7 der BGB-Infor­ma­ti­o­ns­ver­ordnung (im Folgenden BGB-InfoV) nicht genügt habe. Ersatz der Aufwendungen könne die Klägerin gleichwohl nicht geltend machen, da sie die Beklagte weder zur Abhilfe aufgefordert noch eine Frist dafür gesetzt habe. Der Reiseveranstalter habe auf diese Obliegenheiten nicht gesondert hinzuweisen. Ein Abhil­fe­ver­langen und eine Fristsetzung seien auch nicht entbehrlich gewesen. Die Klägerin habe die Beklagte vor der Selbstabhilfe telefonisch kontaktieren können und müssen. Besondere Umstände, die sie von dieser Verpflichtung befreiten, lägen im Streitfall nicht vor.

BGH bejaht Anspruch auf Erhalt des Ersatzbetrag

Der Bundes­ge­richtshof verurteilte die Beklagte, die in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, zur Zahlung des begehrten Ersatzbetrags. Das Gericht ließ offen, ob die Beklagte über den Wortlaut von § 6 Abs. 2 Nr. 7 BGB-InfoV hinaus verpflichtet war, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass sie die Kosten eines von ihr selbst gebuchten Rückflugs grundsätzlich nur dann ersetzt verlangen kann, wenn sie zuvor eine Frist zur Abhilfe gesetzt hat.

Beklagte hätte Reisende auf Pflicht zur Anzeige von Mängeln hinweisen müssen

Der Bundes­ge­richtshof hat eine relevante Pflichtverletzung schon darin gesehen, dass die Beklagte die Klägerin entgegen § 6 Abs. 2 Nr. 7 BGB-InfoV nicht darauf hingewiesen hat, dass sie einen Mangel grundsätzlich anzeigen muss. Diese Pflicht­ver­letzung hat zur Folge, dass sich die Beklagte gegenüber dem geltend gemachten Ersatzanspruch weder auf das Fehlen einer Mangelanzeige noch auf das Unterbleiben einer Fristsetzung berufen darf. Die Frage, ob die Klägerin unter den gegebenen Umständen überhaupt verpflichtet war, ein Abhil­fe­ver­langen an die Beklagte zu richten, hatte der Bundes­ge­richtshof demgemäß nicht zu entscheiden.

Entscheidung beruht trotz Versäum­ni­s­urteils auf vollständiger rechtlicher Prüfung

Weil die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundes­ge­richtshof nicht vertreten war, erging die Entscheidung durch Versäum­ni­s­urteil. Die Beklagte kann dagegen noch einen Rechtsbehelf einlegen. Inhaltlich beruht die Entscheidung auf einer vollständigen rechtlichen Prüfung.

Die maßgeblichen Vorschriften (in der bis 30. Juni 2018 geltenden Fassung) lauten:

Erläuterungen

§ 651 c Abs. 1 BGB

(1) Der Reise­ver­an­stalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.

(2) Ist die Reise nicht von dieser Beschaffenheit, so kann der Reisende Abhilfe verlangen. Der Reise­ver­an­stalter kann die Abhilfe verweigern, wenn sie einen unver­hält­nis­mäßigen Aufwand erfordert.

(3) Leistet der Reise­ver­an­stalter nicht innerhalb einer vom Reisenden bestimmten angemessenen Frist Abhilfe, so kann der Reisende selbst Abhilfe schaffen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen. Der Bestimmung einer Frist bedarf es nicht, wenn die Abhilfe von dem Reise­ver­an­stalter verweigert wird oder wenn die sofortige Abhilfe durch ein besonderes Interesse des Reisenden geboten wird.

§ 651 g BGB

(1) Ansprüche nach den §§ 651 c bis 651f hat der Reisende innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise gegenüber dem Reise­ver­an­stalter geltend zu machen. § 174 ist nicht anzuwenden. Nach Ablauf der Frist kann der Reisende Ansprüche nur geltend machen, wenn er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert worden ist.

[...]

§ 6 BGB-InfoV

(1) Der Reise­ver­an­stalter hat dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss eine Urkunde über den Reisevertrag (Reise­be­stä­tigung) auszuhändigen.

(2) Die Reise­be­stä­tigung muss, sofern nach der Art der Reise von Bedeutung, außer den in § 4 Abs. 1 genannten Angaben über Reisepreis und Zahlungs­mo­da­litäten sowie über die Merkmale der Reise nach § 4 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4, 5 und 7 folgende Angaben enthalten:

[...]

7. über die Obliegenheit des Reisenden, dem Reise­ver­an­stalter einen aufgetretenen Mangel anzuzeigen, sowie darüber, dass vor der Kündigung des Reisevertrags (§ 651 e des Bürgerlichen Gesetzbuchs) dem Reise­ver­an­stalter eine angemessene Frist zur Abhilfeleistung zu setzen ist, wenn nicht die Abhilfe unmöglich ist oder vom Reise­ver­an­stalter verweigert wird oder wenn die sofortige Kündigung des Vertrags durch ein besonderes Interesse des Reisenden gerechtfertigt wird,

[...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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