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- Amtsgericht Köln, Urteil14.03.2016, 142 C 393/15
- Landgericht Köln, Urteil01.08.2017, 11 S 158/16
- Fluggesellschaft muss Fluggäste klar und vollständig über Rechte aufklärenLandgericht Berlin, Urteil08.10.2015, 52 O 102/15
- Zur Anrechnung von Schadensersatzansprüchen wegen Flugannullierung auf den Ausgleichsanspruch nach der FluggastrechteverordnungBundesgerichtshof, Beschluss30.07.2013, X ZR 111/12
Bundesgerichtshof Urteil03.07.2018
Flugverschiebung: Reisende können Mehrkosten für einen in Eigenregie gebuchten Ersatzflug erstattet verlangenReiseveranstalter muss Reisende über Pflicht zur Anzeige von Reisemängeln aufklären
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Reisende, deren ursprünglich vorgesehener Flug sich verschoben hatte, die Kosten für einen in Eigenregie gebuchten Ersatzflug vom Reiseveranstalter erstattet verlangen können.
Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens buchte bei der beklagten Reiseveranstalterin für sich, ihren Ehemann und ihre zwei Kinder für die Zeit vom 1. bis 7. Oktober 2014 eine Pauschalreise in die Türkei zu einem Gesamtreisepreis von 4.874 Euro.
Rückflug aufgrund technischer Probleme verschoben
Der Rückflug von Antalya nach Frankfurt war für den 7. Oktober 2014 um 20.05 Uhr vorgesehen. Am Abreisetag wurde der Klägerin am Flughafen mitgeteilt, dass sich der Rückflug aufgrund eines technischen Problems auf 22.40 Uhr verschiebt. Als neuer Zielort des Rückflugs wurde Köln angegeben; von dort wurde ein Bustransfer nach Frankfurt angeboten. Die Ankunftsverspätung betrug ca. 6,5 Stunden.
Klägerin verlangt Kosten für eigenmächtig anderweitig gebuchten Rückflug erstattet
Die Klägerin buchte daraufhin in Eigenregie und ohne vorherige Kontaktaufnahme mit der Beklagten bei einer anderen Fluggesellschaft einen Ersatzflug für denselben Abend nach Frankfurt. Am 18. März 2015 meldete die Klägerin ihre Ersatzansprüche bei der Beklagten an. Sie begehrt Zahlung der durch den Ersatzflug entstandenen Mehrkosten in Höhe von 1.235 Euro.
AG und LG verneinen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen
Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Das Landgericht sah es zwar als unschädlich an, dass die Klägerin ihre Ansprüche erst nach Ablauf der einmonatigen Ausschlussfrist (§ 651 g BGB) geltend gemacht habe, weil die Beklagte insoweit ihrer Hinweispflicht nach § 6 Abs. 2 Nr. 7 der BGB-Informationsverordnung (im Folgenden BGB-InfoV) nicht genügt habe. Ersatz der Aufwendungen könne die Klägerin gleichwohl nicht geltend machen, da sie die Beklagte weder zur Abhilfe aufgefordert noch eine Frist dafür gesetzt habe. Der Reiseveranstalter habe auf diese Obliegenheiten nicht gesondert hinzuweisen. Ein Abhilfeverlangen und eine Fristsetzung seien auch nicht entbehrlich gewesen. Die Klägerin habe die Beklagte vor der Selbstabhilfe telefonisch kontaktieren können und müssen. Besondere Umstände, die sie von dieser Verpflichtung befreiten, lägen im Streitfall nicht vor.
BGH bejaht Anspruch auf Erhalt des Ersatzbetrag
Der Bundesgerichtshof verurteilte die Beklagte, die in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, zur Zahlung des begehrten Ersatzbetrags. Das Gericht ließ offen, ob die Beklagte über den Wortlaut von § 6 Abs. 2 Nr. 7 BGB-InfoV hinaus verpflichtet war, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass sie die Kosten eines von ihr selbst gebuchten Rückflugs grundsätzlich nur dann ersetzt verlangen kann, wenn sie zuvor eine Frist zur Abhilfe gesetzt hat.
Beklagte hätte Reisende auf Pflicht zur Anzeige von Mängeln hinweisen müssen
Der Bundesgerichtshof hat eine relevante Pflichtverletzung schon darin gesehen, dass die Beklagte die Klägerin entgegen § 6 Abs. 2 Nr. 7 BGB-InfoV nicht darauf hingewiesen hat, dass sie einen Mangel grundsätzlich anzeigen muss. Diese Pflichtverletzung hat zur Folge, dass sich die Beklagte gegenüber dem geltend gemachten Ersatzanspruch weder auf das Fehlen einer Mangelanzeige noch auf das Unterbleiben einer Fristsetzung berufen darf. Die Frage, ob die Klägerin unter den gegebenen Umständen überhaupt verpflichtet war, ein Abhilfeverlangen an die Beklagte zu richten, hatte der Bundesgerichtshof demgemäß nicht zu entscheiden.
Entscheidung beruht trotz Versäumnisurteils auf vollständiger rechtlicher Prüfung
Weil die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof nicht vertreten war, erging die Entscheidung durch Versäumnisurteil. Die Beklagte kann dagegen noch einen Rechtsbehelf einlegen. Inhaltlich beruht die Entscheidung auf einer vollständigen rechtlichen Prüfung.
Die maßgeblichen Vorschriften (in der bis 30. Juni 2018 geltenden Fassung) lauten:
§ 651 c Abs. 1 BGB
(1) Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.
(2) Ist die Reise nicht von dieser Beschaffenheit, so kann der Reisende Abhilfe verlangen. Der Reiseveranstalter kann die Abhilfe verweigern, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert.
(3) Leistet der Reiseveranstalter nicht innerhalb einer vom Reisenden bestimmten angemessenen Frist Abhilfe, so kann der Reisende selbst Abhilfe schaffen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen. Der Bestimmung einer Frist bedarf es nicht, wenn die Abhilfe von dem Reiseveranstalter verweigert wird oder wenn die sofortige Abhilfe durch ein besonderes Interesse des Reisenden geboten wird.
§ 651 g BGB
(1) Ansprüche nach den §§ 651 c bis 651f hat der Reisende innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise gegenüber dem Reiseveranstalter geltend zu machen. § 174 ist nicht anzuwenden. Nach Ablauf der Frist kann der Reisende Ansprüche nur geltend machen, wenn er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert worden ist.
[...]
§ 6 BGB-InfoV
(1) Der Reiseveranstalter hat dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss eine Urkunde über den Reisevertrag (Reisebestätigung) auszuhändigen.
(2) Die Reisebestätigung muss, sofern nach der Art der Reise von Bedeutung, außer den in § 4 Abs. 1 genannten Angaben über Reisepreis und Zahlungsmodalitäten sowie über die Merkmale der Reise nach § 4 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4, 5 und 7 folgende Angaben enthalten:
[...]
7. über die Obliegenheit des Reisenden, dem Reiseveranstalter einen aufgetretenen Mangel anzuzeigen, sowie darüber, dass vor der Kündigung des Reisevertrags (§ 651 e des Bürgerlichen Gesetzbuchs) dem Reiseveranstalter eine angemessene Frist zur Abhilfeleistung zu setzen ist, wenn nicht die Abhilfe unmöglich ist oder vom Reiseveranstalter verweigert wird oder wenn die sofortige Kündigung des Vertrags durch ein besonderes Interesse des Reisenden gerechtfertigt wird,
[...]
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 04.07.2018
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
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