Dokument-Nr. 16865
Permalink https://urteile.news/
- MDR 2014, 14Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2014, Seite: 14
- NJW 2014, 861Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 861
- Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil20.04.2012, 29 C 222/12
- Landgericht Frankfurt am Main, Urteil29.11.2012, 2-24 S 111/12
- Amtsgericht Hannover, Urteil07.03.2012, 436 C 11054/11
- Landgericht Hannover, Urteil26.09.2012, 12 S 28/12
Bundesgerichtshof Urteil24.09.2013
Vogelschlag begründet außergewöhnliche Umstände im Sinne der FluggastrechteverordnungVogelschlag ist für das Luftverkehrsunternehmen nicht vorhersehbar und auch nicht beherrschbar
Der Bundesgerichtshof hat in zwei Fällen, in denen ein Flug aufgrund eines durch Vogelschlag verursachen Turbinenschadens erheblich verspätet war oder annulliert worden ist, über Ausgleichsansprüche von Flugreisenden nach der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) entschieden.
Der Kläger des Verfahrens X ZR 160/12 buchte bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen eine Flugreise von Frankfurt am Main über Brüssel nach Banjul (Gambia) und zurück. Der Rückflug von Banjul nach Brüssel sollte am 18. Januar 2010 um 21.00 Uhr Ortszeit starten und mit der Maschine durchgeführt werden, die an diesem Tag aus Brüssel ankam. Diese Maschine erlitt jedoch während des Landeanflugs in Banjul einen Vogelschlag, wodurch es zu einer Beschädigung an einem Triebwerk kam. Die Maschine konnte nicht rechtzeitig repariert werden. Die Beklagte musste ein Ersatzflugzeug aus Brüssel einfliegen, das am Abend des 19. Januar 2010 in Banjul landete. Mit diesem Flugzeug trat der Kläger am selben Abend den Rückflug an und landete am nächsten Tag in Frankfurt am Main.
Vogelschlag verhindert rechtzeitigen Abflug
Die Kläger des Verfahrens X ZR 129/12 buchten bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen einen Flug von Fuerteventura nach Hannover. Der Start wurde abgebrochen, weil Vögel in das Triebwerk geraten waren. Die Kläger wurden am Tag darauf von einer anderen Fluggesellschaft weiterbefördert und trafen ca. 24 Stunden später als geplant in Hannover ein.
Vorinstanzen wiesen Klage ab
In beiden Fällen haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen. Mit den von den Berufungsgerichten zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger die Ausgleichsansprüche weiter.
Vogelschlag stellt außergewöhnlichen Umstand dar
Im ersten Fall hat der Bundesgerichtshof die Revision zurückgewiesen. Vogelschlag sei ein Ereignis, das außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3* der Fluggastrechteverordnung begründen könne. Der Begriff der außergewöhnlichen Umstände bedeute nach seinem Wortlaut, dass die gegebenenfalls zu einem Wegfall der Ausgleichspflicht führenden Umstände nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden sei oder verbunden sein könne. Es sollen Ereignisse erfasst werden, die nicht zum Luftverkehr gehören, sondern als - jedenfalls in der Regel von außen kommende - besondere Umstände seine ordnungs- und plangemäße Durchführung beeinträchtigen oder unmöglich machen können.
Für Vogelvergrämungsmaßnahmen ist der Flughafenbetreiber zuständig
Vogelschlag wirke von außen auf den Flugverkehr ein, so der Bundesgerichtshof, er sei für das Luftverkehrsunternehmen nicht vorhersehbar und auch nicht beherrschbar; etwa mögliche Vogelvergrämungsmaßnahmen fallen nicht in den Verantwortungsbereich des Luftverkehrsunternehmens, sondern des Flughafenbetreibers. Die infolge des Vogelschlags eingetretene Verspätung oder Annullierung hätte sich auch bei Ergreifung aller zumutbaren Maßnahmen nicht vermeiden lassen, da das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen habe, dass die Beklagte auf dem Flughafen Banjul keine Ersatzmaschine vorhalten musste.
Neue Entscheidung durch das Berufungsgericht
Im zweiten Fall hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Da das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat, konnte der Bundesgerichtshof nicht beurteilen, ob die Beklagte alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um zu verhindern, dass infolge des Vogelschlags der Flug annulliert werden musste.
Erläuterungen
*Art. 5 der Verordnung [Annullierung]
(1)Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen…
(c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 eingeräumt
(3)Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Art. 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen getroffen worden wäre
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 25.09.2013
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil16865
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.