21.11.2024
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Dokument-Nr. 15785

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Urteil07.05.2013BundesgerichtshofX ZR 127/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2013, 1022Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2013, Seite: 1022
  • NJW-RR 2013, 1065Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2013, Seite: 1065
  • NZV 2013, 538Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2013, Seite: 538
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Wedding, Urteil31.03.2011, 8a C 10/10
  • Landgericht Berlin, Urteil20.09.2011, 85 S 113/11
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil07.05.2013

BGH zum Anspruch auf Ausgleichs­zahlung für verpassten AnschlussflugFluggäste haben nicht nur bei annullierten Flügen Recht auf eine Ausgleichs­zahlung

Fluggäste verspäteter Flüge haben einen Ausgleichs­an­spruch auf 600 Euro nach der Fluggastrechte­verordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004), wenn sie infolge der Verspätung ihr Endziel erst einen Tag später erreichen. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Reisenden buchten bei der beklagten Iberia S.A. für den 20. Januar 2010 eine Flugreise von Berlin-Tegel über Madrid nach San José (Costa Rica). Der Start des von der Beklagten durchgeführten Fluges von Berlin nach Madrid erfolgte mit einer Verspätung von eineinhalb Stunden, was dazu führte, dass die Reisenden den Anschlussflug nach San José nicht mehr erreichten, weil der Einstei­ge­vorgang bereits beendet war, als sie an dem betreffenden Ausgang ankamen. Sie wurden erst am folgenden Tag nach San José befördert.

Beklagte zur Zahlung verurteilt

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Auf ihre Revision hat der Bundes­ge­richtshof die Beklagte nunmehr antragsgemäß zur Zahlung verurteilt.

Große Verspätung begründet Klageforderung

Zwar haben die Vorinstanzen zu Recht angenommen, dass der Beklagten die von der Klägerin geltend gemachte Beför­de­rungs­ver­wei­gerung ("Nicht­be­för­derung" nach Art. 4 der Flugga­st­rech­te­ver­ordnung*) nicht zur Last fällt, weil der Einstei­ge­vorgang (Boarding) bereits beendet war, als die Reisenden den Ausgang erreichten. Die Klageforderung ist jedoch unter dem Gesichtspunkt der großen Verspätung begründet.

Verspäteter Abflug in Berlin als Ursache ausreichend

Wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in dem Urteil "Sturgeon" vom 19. November 2009 auf die Vorlage des Bundes­ge­richtshofs entschieden und im Fall "Nelson" mit Urteil vom 23. Oktober 2012 bestätigt hat, haben nicht nur, wie in Art. 5 der Verordnung** bestimmt, die Fluggäste annullierter Flüge, sondern auch die Fluggäste verspäteter Flüge den in Art. 7 der Verordnung*** vorgesehenen Ausgleichs­an­spruch, wenn sie infolge der Verspätung ihr Endziel erst drei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit oder noch später erreichen. Nach dem EuGH-Urteil vom 23. Februar 2013 in der Sache "Air France/Folkerts" (in der die gleichfalls für den 7. Mai 2013 zur Verhandlung terminierte Revision [s. Presse­mit­teilung 80/2013] von Air France zurückgenommen worden ist) setzt dieser Anspruch nicht voraus, dass die verspätete Erreichung des Endziels darauf beruht, dass sich der Abflug des verspäteten Flugs um die in Art. 6 Abs. 1 der Verordnung**** genannten Zeiten verzögert hat. Es genügt daher, dass der verspätete Abflug in Berlin dafür ursächlich war, dass die Reisenden den Anschlussflug von Madrid nach San José nicht mehr erreichen konnten und infolgedessen ihr Endziel erst mit eintägiger Verspätung erreicht haben.

Verspätung des Anschlussfluges unerheblich

In einem solchen Fall ist, wie der für das Reise- und Perso­nen­be­för­de­rungsrecht zuständige X. Zivilsenat klarstellt, unerheblich, ob der Anschlussflug selbst verspätet ist oder überhaupt in den Anwen­dungs­bereich der Verordnung fällt. Die Auffassung des beklagten Luftver­kehrs­un­ter­nehmens, der EuGH habe mit der Anerkennung eines Ausgleichs­an­spruchs für einen solchen Fall seine Kompetenzen überschritten, teilt der X. Zivilsenat nicht.

Hinweise zur Rechtslage

*Art. 4 der Verordnung [Nicht­be­för­derung]

(3) Wird Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigert, so erbringt das ausführende Luftfahrt­un­ter­nehmen diesen unverzüglich die Ausgleichs­leis­tungen gemäß Artikel 7 und die Unter­stüt­zungs­leis­tungen gemäß den Artikeln 8 und 9.

**Art. 5 der Verordnung [Annullierung]

(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen …

c) vom ausführenden Luftfahrt­un­ter­nehmen ein Anspruch auf Ausgleichs­leis­tungen gemäß Artikel 7 eingeräumt …

***Art. 7 der Verordnung [Ausgleichs­an­spruch]

(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichs­zah­lungen in folgender Höhe: …

c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a oder b fallenden Flügen. …

****Art. 6 der Verordnung [Verspätung]

(1) Ist für ein ausführendes Luftfahrt­un­ter­nehmen nach vernünftigem Ermessen absehbar, dass sich der Abflug

a) bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger um zwei Stunden oder mehr oder

b) bei allen inner­ge­mein­schaft­lichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km um drei Stunden oder mehr oder

c) bei allen nicht unter Buchstabe a oder b fallenden Flügen um vier Stunden oder mehr

gegenüber der planmäßigen Abflugzeit verzögert, so werden den Fluggästen vom ausführenden Luftfahrt­un­ter­nehmen

i) die Unter­stüt­zungs­leis­tungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a und Absatz 2 angeboten,

ii) wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit erst am Tag nach der zuvor angekündigten Abflugzeit liegt, die Unter­stüt­zungs­leis­tungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b und c angeboten und,

iii) wenn die Verspätung mindestens fünf Stunden beträgt, die Unter­stüt­zungs­leis­tungen gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a angeboten.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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