18.10.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 9799

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Urteil16.06.2010BundesgerichtshofVIII ZR 99/09
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DWW 2010, 373Zeitschrift: Deutsche Wohnungswirtschaft (DWW), Jahrgang: 2010, Seite: 373
  • IMR 2010, 319Zeitschrift: Immobilien- und Mietrecht (IMR), Jahrgang: 2010, Seite: 319
  • NJW 2010, 2946Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2010, Seite: 2946
  • NZM 2010, 665Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM), Jahrgang: 2010, Seite: 665
  • ZMR 2010, 846Zeitschrift für Miet- und Raumrecht (ZMR), Jahrgang: 2010, Seite: 846
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Backnang, Urteil14.03.2008, 4 C 581/07
  • Landgericht Stuttgart, Urteil25.03.2009, 5 S 123/08
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil16.06.2010

BGH: Verwendung des Mietspiegels einer Nachbarstadt mit vergleichbarem Mietniveau bei Mieterhöhungen zulässigEinfacher Mietspiegel zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ausreichend

Ein Vermieter darf eine Mieterhöhung auf einen für die Nachbarstadt erstellten Mietspiegel stützen, der von dem örtlichen Mieterverein, dem örtlichen Haus- und Gründeigentümer­verein sowie dem Bürger­meis­teramt gemeinsam erstellt worden ist. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Der Beklagte des zugrunde liegenden Streitfalls ist Mieter einer Wohnung des Klägers in Backnang. Mit der Klage verlangt der Vermieter die Zustimmung zu einer Mieterhöhung um 76,69 € monatlich. Der Berechnung der Mieterhöhung hat der Vermieter den Mietspiegel der Nachbarstadt Schorndorf zugrunde gelegt und dies damit begründet, dass es sich dabei um eine mit Backnang vergleichbare Gemeinde handele. Das Amtsgericht hat der Klage nach Einholung eines Sachver­stän­di­gen­gut­achtens und unter Verwertung des Mietspiegels für Schorndorf stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung des Mieters zurückgewiesen.

Städte im Hinblick auf das Mietniveau vergleichbar

Die dagegen gerichtete Revision des Mieters hatte keinen Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass der Vermieter sein Mieter­hö­hungs­ver­langen ordnungsgemäß nach § 558 a BGB* begründet hat. Die Bezugnahme auf den Mietspiegel der Nachbarstadt Schorndorf war ausreichend, weil für die Stadt Backnang kein Mietspiegel erstellt worden ist und weil beide Städte, wie der Sachverständige ausgeführt hat, unter anderem im Hinblick auf das Mietniveau vergleichbar sind.

Auch nach Einführung des qualifizierten Mietspiegels kann einfacher Mietspiegel ausreichen

Der Bundes­ge­richtshof hat weiter entschieden, dass auch nach Einführung des qualifizierten Mietspiegels (§ 558d*** BGB) durch das Mietrechts­re­form­gesetz vom 19. Juni 2001 ein einfacher Mietspiegel (§ 558 c BGB**) alleinige Grundlage der dem Gericht obliegenden Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete sein kann. Zwar kommt dem einfachen Mietspiegel nicht die dem qualifizierten Mietspiegel vorbehaltene gesetzliche Vermu­tungs­wirkung dahingehend zu, dass die im Mietspiegel genannten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben (§ 558 d Abs. 3 BGB). Der einfache Mietspiegel stellt aber ein Indiz für diese Annahme dar. Das gilt auch dann, wenn der einfache Mietspiegel, wie im entschiedenen Fall, nicht von der Gemeinde, sondern gemeinsam von Inter­es­sen­ver­tretern der Mieter und Vermieter erstellt wurde. Ob diese Indizwirkung im Einzelfall zum Nachweis der Ortsüblichkeit der verlangten Miete ausreicht, hängt davon ab, welche Einwendungen der Mieter gegen den Erkenntniswert des Mietspiegels erhebt. Trägt er etwa substantiiert vor, den Verfassern habe es an der erforderlichen Sachkunde gefehlt oder sie hätten sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen oder unzureichendes Datenmaterial verwendet, muss das Gericht dem nachgehen. Bleiben danach Zweifel an der Verlässlichkeit des Mietspiegels, so ist die Indizwirkung erschüttert. Der Vermieter muss dann anderweit Beweis für seine Behauptung antreten, die von ihm verlangte Miete liege innerhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete.

Indizwirkung des – einfachen – Mietspiegels nicht erschüttert

Im entschiedenen Fall hat der Mieter jedoch keine Einwendungen erhoben, durch die die Indizwirkung des – einfachen – Mietspiegels für Schorndorf erschüttert worden ist. Das Landgericht hat sich somit zu Recht auf diesen Mietspiegel gestützt und die Ortsüblichkeit der vom Vermieter verlangten Miete festgestellt.

Erläuterungen

*§ 558 a BGB: Form und Begründung der Mieterhöhung

(1) Das Mieter­hö­hungs­ver­langen nach § 558 ist dem Mieter in Textform zu erklären und zu begründen.

(2) Zur Begründung kann insbesondere Bezug genommen werden auf

1. einen Mietspiegel (§§ 558c, 558d),

2. eine Auskunft aus einer Mietdatenbank (§ 558e),

3. ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachver­ständigen,

4. entsprechende Entgelte für einzelne vergleichbare Wohnungen; hierbei genügt die Benennung von drei Wohnungen.

**§ 558 c BGB: Mietspiegel

(1) Ein Mietspiegel ist eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete, soweit die Übersicht von der Gemeinde oder von Inter­es­sen­ver­tretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist.

(2) Mietspiegel können für das Gebiet einer Gemeinde oder mehrerer Gemeinden oder für Teile von Gemeinden erstellt werden.

(3) Mietspiegel sollen im Abstand von zwei Jahren der Markt­ent­wicklung angepasst werden.

(4) Gemeinden sollen Mietspiegel erstellen, wenn hierfür ein Bedürfnis besteht und dies mit einem vertretbaren Aufwand möglich ist. Die Mietspiegel und ihre Änderungen sollen veröffentlicht werden.

***§ 558 d BGB: Qualifizierter Mietspiegel

(1) Ein qualifizierter Mietspiegel ist ein Mietspiegel, der nach anerkannten wissen­schaft­lichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde oder von Inter­es­sen­ver­tretern der Vermieter und der Mieter anerkannt worden ist.

(2) Der qualifizierte Mietspiegel ist im Abstand von zwei Jahren der Markt­ent­wicklung anzupassen. Dabei kann eine Stichprobe oder die Entwicklung des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindexes für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland zugrunde gelegt werden. Nach vier Jahren ist der qualifizierte Mietspiegel neu zu erstellen.

(3) Ist die Vorschrift des Absatzes 2 eingehalten, so wird vermutet, dass die im qualifizierten Mietspiegel bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben.

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof

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