Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls begehrt die Rückabwicklung eines mit dem beklagten BMW-Vertragshändler im März 1996 abgeschlossenen Kaufvertrages über einen ausweislich des Vertragstextes als "neues BMW-Fahrzeug" verkauften BMW 730 i A. Das Modell 730 i A wurde bei Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr produziert; es war durch das äußerlich unveränderte, aber mit einem stärkeren Motor ausgestattete Nachfolgemodell 735 i A abgelöst worden. Das an den Kläger verkaufte Fahrzeug hatte bis zum Verkauf bereits 18 Monate beim Händler gestanden.
Während die Klage in erster Instanz erfolgreich war, wurde sie im Berufungsrechtszug abgewiesen. Das Oberlandesgericht vertrat die Ansicht, der Kläger könne – da Mängel des verkauften Fahrzeuges nicht nachgewiesen seien – seinen Anspruch allenfalls darauf stützen, dass ihm fälschlicherweise zugesichert worden sei, das verkaufte Fahrzeug sei "fabrikneu". Von einer solchen Zusicherung, die der Händler beim Verkauf eines Neufahrzeugs in der Regel stillschweigend abgebe, könne jedoch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht ausgegangen werden, weil der Kläger, der über BMW-Fahrzeuge allgemein gut informiert gewesen sei, über das Modell 730 i A verhandelt habe, obwohl bekannt gewesen sei, dass bereits das Nachfolgemodell 735 i A auf dem Markt gewesen sei.
Der Bundesgerichtshofe dieser Auffassung allerdings nicht gefolgt. Nach seiner Rechtsprechung ist ein nicht benutztes Kraftfahrzeug, auch wenn es erst einige Zeit nach seiner Herstellung verkauft wird, "fabrikneu", wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, also keinerlei Änderungen in der Technik und der Ausstattung aufweist, und durch das Stehen keine Mängel entstanden sind. Hiernach war das verkaufte Fahrzeug bereits deshalb nicht mehr "fabrikneu", weil es im Zeitpunkt des Verkaufs nicht mehr Bestandteil der aktuellen Modellpalette des Herstellers BMW war. Dabei kommt es auf den Umstand, dass das Nachfolgemodell (735 i A) ein äußerlich unverändertes Erscheinungsbild aufweist, schon deshalb nicht an, weil mit der Änderung der Modellbezeichnung zugleich eine technische Änderung – die Ausstattung mit einem größeren und leistungsstärkeren Motor – verbunden war und das bisherige Modell (730 i A) nicht mehr gebaut wurde. Die weitere, in den Vorinstanzen ausgiebig erörterte Frage, ob darüber hinaus bereits die eineinhalbjährige Standzeit des Fahrzeugs dessen "Fabrikneuheit" hatte entfallen lassen, war unter diesen Umständen nicht mehr entscheidungserheblich und konnte daher offen bleiben.
Das Gericht stellte weiter fest, dass der Kläger wegen des Fehlens der Eigenschaft "fabrikneu" berechtigt ist, die Wandelung (Rückgängigmachung) des Kaufvertrages zu verlangen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt im Verkauf eines Neuwagens durch einen Kraftfahrzeughändler in der Regel die konkludente Zusicherung, dass das verkaufte Fahrzeug "fabrikneu" ist. Auch der beklagte Händler hat dem Kläger diese Eigenschaft des Fahrzeuges stillschweigend zugesichert, indem er unter Verwendung der üblichen Formulare einen Kaufvertrag über ein "neues" Fahrzeug der von ihm vertriebenen Marke abgeschlossen hat, ohne dass für den Käufer Veranlassung bestand, die Begriffe "neu" oder "Neuwagen" im Einzelfall nicht als Zusicherung der "Fabrikneuheit" zu werten. Dafür ist es ohne Bedeutung, dass das verkaufte Fahrzeug aus dem Lagerbestand des Beklagten stammte. Auch aus der Tatsache, dass dem Kläger für seinen in Zahlung gegebenen Gebrauchtwagen ein um etwa 7 % höherer Betrag angerechnet wurde, als dies beim Kauf eines BMW 735 i A der Fall gewesen wäre, ergibt sich nichts anderes. Ein Preisnachlass in einer solchen Höhe ist auch beim Verkauf fabrikneuer Fahrzeuge jedenfalls nicht so außergewöhnlich, dass sich dem Käufer Zweifel an der Fabrikneuheit des Fahrzeuges aufdrängen mussten. Schließlich war nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht davon auszugehen, dass der Kläger bei Vertragsabschluss Kenntnis von dem zwischenzeitlichen Modellwechsel gehabt hatte.
Da noch weitere Feststellungen im Hinblick auf die vom Kläger zu vergütenden Gebrauchsvorteile und zu der vom Beklagten in zweiter Instanz erklärten Hilfsaufrechnung zu treffen sind, hat der Bundesgerichtshof die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Kammergericht in Berlin zurückverwiesen.
Erläuterungen
Das Urteil ist aus dem Jahre 2000 und erscheint im Rahmen der Reihe "Wissenswerte Urteile".
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.12.2011
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online