21.11.2024
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Dokument-Nr. 9797

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Urteil16.06.2010BundesgerichtshofVIII ZR 317/09
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DB 2010, 1639Zeitschrift: Der Betrieb (DB), Jahrgang: 2010, Seite: 1639
  • MDR 2010, 912Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2010, Seite: 912
  • NJ 2010, 469Zeitschrift: Neue Justiz (NJ), Jahrgang: 2010, Seite: 469
  • NJW 2010, 2798Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2010, Seite: 2798
  • NZM 2010, 796Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM), Jahrgang: 2010, Seite: 796
  • NZV 2010, 566Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2010, Seite: 566
  • VRS 119, 267Verkehrsrechts-Sammlung (VRS), Band: 119, Seite: 267
  • WM 2010, 1561Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 2010, Seite: 1561
  • zfs 2010, 499Zeitschrift für Schadenrecht (zfs), Jahrgang: 2010, Seite: 499
  • ZIP 2011, 437Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP), Jahrgang: 2011, Seite: 437
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Landgericht Berlin, Urteil28.02.2008, 23 O 384/07
  • Kammergericht Berlin, Urteil13.11.2009, 14 U 88/08
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil16.06.2010

BGH zum Zahlungs­ver­wei­ge­rungsrecht des Leasingnehmers nach Rücktritt wegen Mängeln des LeasingobjektsLeasingnehmer ist nur bei klageweisender Geltendmachung der ihm übertragenen Ansprüche gegen den Lieferanten zur voläufigen Einstellung der Ratenzahlung berechtigt

Der Bundes­ge­richtshof hatte zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Leasingnehmer berechtigt ist, die Zahlung der Leasingraten zu verweigern, wenn er wegen eines Mangels der Leasingsache gegenüber dem Lieferanten den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hat.

In dem entschiedenen Fall verlangt die Klägerin – eine Leasing­ge­sell­schaft – von dem Beklagten aus einer von ihm übernommenen Bürgschaft Zahlung aus einem abgerechneten Leasingvertrag über einen PKW. Der Leasingvertrag sieht – wie branchenüblich – vor, dass Ansprüche und Rechte der Leasingnehmerin gegen die Leasing­ge­sell­schaft wegen Fahrzeugmängeln ausgeschlossen sind und an deren Stelle der Leasingnehmerin die Ansprüche und Rechte abgetreten werden, die der Leasinggeberin wegen Fahrzeugmängeln aus dem Kaufvertrag gegen den Lieferanten des Leasing­fahrzeugs zustehen. Die Leasingnehmerin geriet mit der Zahlung der Leasingraten in Rückstand. Sie rügte gegenüber der Händlerin Mängel des Fahrzeugs und erklärte nach erfolgloser Fristsetzung zur Mangel­be­sei­tigung den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Händlerin war mit dem Rücktritt nicht einverstanden. Die Klägerin kündigte den Leasingvertrag wegen Zahlungs­verzuges und nahm den Beklagten als Bürgen in Anspruch. Ihre Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg.

Rücktritt ist vom Willen des Verkäufers unabhängig und deshalb mit Zugang der Rücktritts­er­klärung wirksam

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass der Leasingnehmer nur dann berechtigt ist, die Zahlung der Leasingraten vorläufig einzustellen, wenn er die ihm übertragenen Ansprüche und Rechte gegen den Lieferanten – hier den Anspruch auf Kaufpreis­rü­ck­zahlung an die Leasinggeberin aufgrund des erklärten Rücktritts vom Kaufvertrag – klageweise geltend macht, sofern der Lieferant den Rücktritt nicht akzeptiert. Dies entsprach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs vor der Schuld­rechts­reform (BGHZ 97, 135). Aufgrund der Änderung des kaufrechtlichen Gewähr­leis­tungs­rechts durch das Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­gesetz zum 1. Januar 2002 wurde die Fortgeltung dieser Rechtsprechung aber in Zweifel gezogen. Denn durch die Schuld­rechts­reform ist die Wandelung – die erst zustande kam, wenn der Verkäufer zustimmte oder verurteilt wurde – durch das Rücktrittsrecht gemäß § 437 Nr. 2, §§ 323, 326 Abs. 5 BGB* ersetzt worden. Der Rücktritt ist als Gestal­tungsrecht vom Willen des Verkäufers unabhängig und deshalb – sofern ein Rücktrittsrecht besteht – schon mit Zugang der Rücktritts­er­klärung wirksam.

Rücktritt hat im Gewähr­leis­tungs­ver­hältnis Leasingnehmer/Lieferant keine Auswirkungen auf Interessenlage im Verhältnis Leasinggeber/Leasingnehmer

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die Ersetzung der Wandelung durch den Rücktritt im Gewähr­leis­tungs­ver­hältnis Leasingnehmer/Lieferant keine Auswirkungen auf die Interessenlage im Verhältnis Leasinggeber/Leasingnehmer hat. Denn ob die Rücktritts­er­klärung des Leasingnehmers die Umgestaltung des Kaufvertrags über das Leasingobjekt in ein Rückge­währ­schuld­ver­hältnis und damit zugleich den Wegfall der Geschäfts­grundlage des Leasingvertrags bewirkt, muss, wenn der Lieferant den Rücktritt nicht akzeptiert, gerichtlich geklärt werden und steht daher – ebenso wie der Vollzug der Wandelung nach altem Recht – erst mit dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils im Gewähr­leis­tungs­prozess gegen den Lieferanten fest.

Prozessführung ist Sache des Leasingnehmers

Diesen Prozess zu führen, ist nach der leasing­ty­pischen Interessenlage, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Leasinggeber sich von der mietrechtlichen Sachmän­gel­haftung vollständig freizeichnet und dem Leasingnehmer die Gewähr­leis­tungs­rechte aus dem Kaufvertrag mit dem Lieferanten abtritt, Sache des Leasingnehmers. Es ist daher auch unter der Geltung des modernisierten Schuldrechts inter­es­sen­gerecht, dem Leasingnehmer für den Fall, dass der Lieferant den Rücktritt vom Kaufvertrag nicht akzeptiert, ein Recht zur vorläufigen Einstellung der Zahlung der Leasingraten schon, aber auch erst dann zuzugestehen, wenn er aus dem erklärten Rücktritt klageweise gegen den Lieferanten vorgeht.

*Bürgerliches Gesetzbuch

§ 437 Rechte des Käufers bei Mängeln

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1. nach § 439 Nacherfüllung verlangen,

2. nach den §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 441 den Kaufpreis mindern und

3. nach den §§ 440, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.

§ 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

1. der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,

2. der Schuldner die Leistung zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer bestimmten Frist nicht bewirkt und der Gläubiger im Vertrag den Fortbestand seines Leistungs­in­teresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hat oder

3. besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflicht­ver­letzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.

(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflicht­ver­letzung unerheblich ist.

(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.

§ 326 Befreiung von der Gegenleistung und Rücktritt beim Ausschluss der Leistungs­pflicht

(1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im Falle der nicht vertragsgemäßen Leistung die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht.

(2) Ist der Gläubiger für den Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich oder tritt dieser vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit ein, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, so behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

(3) Verlangt der Gläubiger nach § 285 Herausgabe des für den geschuldeten Gegenstand erlangten Ersatzes oder Abtretung des Ersatzanspruchs, so bleibt er zur Gegenleistung verpflichtet. Diese mindert sich jedoch nach Maßgabe des § 441 Abs. 3 insoweit, als der Wert des Ersatzes oder des Ersatzanspruchs hinter dem Wert der geschuldeten Leistung zurückbleibt.

(4) Soweit die nach dieser Vorschrift nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt ist, kann das Geleistete nach den §§ 346 bis 348 zurückgefordert werden.

(5) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger zurücktreten; auf den Rücktritt findet § 323 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass die Fristsetzung entbehrlich ist.

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof

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