21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil19.07.2017

Gebraucht­wagen­käufer darf Vorschuss für Transportkosten zur Nacherfüllung eines nicht fahrbereiten Pkw verlangenVerkäufer hat zum Zwecke der Nacherfüllung erforderliche Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass der Käufer eines gebrauchten Pkw dessen Verbringung an den Geschäftssitz des Verkäufers zum Zwecke der Nacherfüllung von der vorherigen Zahlung eines Transport­kosten­vorschusses abhängig machen darf.

Im zugrunde liegenden Verfahren kaufte die in Schleswig-Holstein ansässige Klägerin von der Beklagten, die in Berlin einen Fahrzeughandel betreibt, zum Preis von 2.700 Euro einen gebrauchten Pkw Smart, den die Beklagte in einem Internetportal angeboten hatte.

Kurze Zeit nach Übergabe des Fahrzeugs wandte sich die Klägerin wegen eines nach ihrer Behauptung aufgetretenen Motordefekts an die Beklagte, um mit ihr die weitere Vorgehensweise zur Schadens­be­hebung im Rahmen der Gewährleistung zu klären. Nachdem eine Reaktion der Beklagten ausgeblieben war, forderte die Klägerin sie unter Fristsetzung zur Mangel­be­sei­tigung auf. Hierauf bot die Beklagte telefonisch eine Nachbesserung an ihrem Sitz in Berlin an. Die Klägerin verlangte daraufhin unter Aufrecht­er­haltung der gesetzten Frist die Überweisung eines Trans­port­kos­ten­vor­schusses von 280 Euro zwecks Transports des nach ihrer Behauptung nicht fahrbereiten Pkw nach Berlin beziehungsweise die Abholung des Fahrzeugs durch die Beklagte auf deren Kosten. Nachdem diese sich nicht gemeldet hatte, setzte die Klägerin ihr eine Nachfrist zur Mängel­be­sei­tigung und ließ, als die Beklagte hierauf wiederum nicht reagierte, die Reparatur des Pkw in einer Werkstatt bei Kassel durchführen.

Klägerin verlangt Schadensersatz für Reparatur-, Transport- und Reisekosten

Für ihr entstandene Reparatur-, Transport- und Reisekosten verlangt die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 2.332,32 Euro. Ihre Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Schaden­s­er­satz­be­gehren weiter.

Verkäufer muss durch Vorschuss­zahlung den Transport einer mangel­be­hafteten Kaufsache zum Ort der Nacherfüllung ermöglichen

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass ein Verkäufer gemäß § 439 Abs. 2 BGB verpflichtet ist, einem Käufer durch Zahlung eines von diesem angeforderten Vorschusses den Transport der (vermeintlich) mangel­be­hafteten Kaufsache zum Ort der Nacherfüllung zu ermöglichen. Dementsprechend war es vorliegend für die Wirksamkeit des Nacher­fül­lungs­ver­langens der Klägerin - als Voraussetzung des von ihr geltend gemachten Schaden­s­er­satz­an­spruches (§ 281 Abs. 1 Satz 1 BGB) - ausreichend, dass diese (wenn auch ohne Erfolg) zeitnah einen nicht ersichtlich unangemessenen Trans­port­kos­ten­vor­schuss von der Beklagten angefordert hat sowie alternativ bereit war, ihr selbst die Durchführung des Transports zu überlassen beziehungsweise - was dies selbstredend eingeschlossen hat - eine vorgängige Untersuchung des Fahrzeugs an dessen Belegenheitsort zu ermöglichen.

Erfüllungsort der Nacherfüllung befindet sich in der Regel am Wohn- oder Geschäftssitz des Schuldners

Zwar muss ein taugliches Nacher­fül­lungs­ver­langen (§ 439 Abs. 1 BGB) nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs auch die Bereitschaft des Käufers umfassen, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen am rechten Ort, nämlich dem Erfüllungsort der Nacherfüllung, zur Verfügung zu stellen. Hierdurch soll es dem Verkäufer ermöglicht werden, die verkaufte Sache darauf zu überprüfen, ob der behauptete Mangel besteht, ob er bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat, auf welcher Ursache er beruht sowie ob und auf welche Weise er beseitigt werden kann. Dementsprechend ist der Verkäufer grundsätzlich nicht verpflichtet, sich auf ein Nacher­fül­lungs­ver­langen des Käufers einzulassen, bevor dieser ihm die Gelegenheit zu einer solchen Untersuchung der Kaufsache gegeben hat. Der Erfüllungsort der Nacherfüllung befindet sich, solange die Parteien nicht Abweichendes vereinbaren oder besondere Umstände vorliegen, am Wohn- oder Geschäftssitz des Schuldners (§ 269 Abs. 1 BGB), vorliegend mithin am Geschäftssitz der Beklagten in Berlin.

Käufer kann nach dem Schutzzweck des Unent­gelt­lich­keits­gebots vorab Vorschuss zur Abdeckung der Transportkosten beanspruchen

Jedoch hat der Verkäufer nach § 439 Abs. 2 BGB die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Kosten, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten, zu tragen. Hierbei handelt es sich um eine Kosten­tra­gungs­re­gelung mit Anspruch­s­cha­rakter, welche die Unent­gelt­lichkeit der Nacherfüllung gewährleisten soll. Dies begründet in Fällen, in denen - wie hier - eine Nacherfüllung die Verbringung des Fahrzeugs an einen entfernt liegenden Nacher­fül­lungsort erfordert und bei dem Käufer deshalb Transportkosten zwecks Überführung des Fahrzeugs an diesen Ort anfallen, aber nicht nur einen Erstat­tungs­an­spruch gegen den Verkäufer. Der Käufer kann nach dem Schutzzweck des Unent­gelt­lich­keits­gebots vielmehr grundsätzlich schon vorab einen (abrechenbaren) Vorschuss zur Abdeckung dieser Kosten beanspruchen. Denn die dem Verkäufer auferlegte Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands der Kaufsache unentgeltlich zu bewirken, soll den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könnten, solche Ansprüche geltend zu machen. Ein solcher Hinderungsgrund kann sich auch daraus ergeben, dass der Verbraucher mit entstehenden Transportkosten in Vorlage treten muss.

Klägerin hat zulässiges Nacher­fül­lungs­ver­langen erhoben

Dementsprechend hat die Klägerin durch ihre Bereitschaft, das Fahrzeug (nur) nach Zahlung eines dafür erforderlichen Trans­port­kos­ten­vor­schusses nach Berlin transportieren zu lassen, ein den Anforderungen des § 439 Abs. 1 BGB genügendes Nacher­fül­lungs­ver­langen erhoben. Der Bundes­ge­richtshof hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, welches nunmehr zu den von der Klägerin gerügten Mängeln und der Höhe des von ihr angesetzten Schadens weitere Feststellungen zu treffen haben wird.

§ 439 BGB Nacherfüllung

(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.

(2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.

[...]

§ 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung

1 Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger [...] Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. [...]

§ 269 BGB Leistungsort

(1) Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuld­ver­hält­nisses, zu entnehmen, so hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuld­ver­hält­nisses seinen Wohnsitz hatte.

[...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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