18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 33990

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Bundesgerichtshof Urteil15.05.2024

Teakinvestment: Verträge ohne Wider­rufs­be­lehrungWiderrufsrecht gemäß § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. nicht ausgeschlossen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass einem in Deutschland wohnhaften Verbraucher hinsichtlich über Fern­kommunikations­mittel mit einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen ohne Wider­rufs­be­lehrung abgeschlossener "Kauf- und Dienst­leistungs­verträge" über Teakbäume in Costa Rica ein Widerrufsrecht zusteht und dass dieses nicht zeitlich befristet ist.

Die Beklagte, ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen, bot über ihre Internet-Homepage Interessenten den Ankauf von Teakbäumen auf Plantagen in Costa Rica an, um nach Jahren mit dem Verkauf des Holzes dieser Bäume eine Rendite zu erzielen ("Teakinvestment - Das natürliche Kraftpaket für ihr Portfolio"). Zusätzlich offerierte die Beklagte ihren Kunden, die erworbenen Bäume während der Laufzeit des Vertrages zu bewirtschaften, zu verwalten, zu schlagen, aufzuforsten, zu ernten und zu verkaufen. Der in Deutschland wohnhafte Kläger schloss in den Jahren 2010 und 2013 jeweils einen "Kauf- und Dienst­leis­tungs­vertrag" über 800 beziehungsweise 600 Teakbäume für 37.200 € beziehungsweise 44.000 € mit einer Laufzeit von 17 beziehungsweise 14 Jahren ab. In den AGB der Beklagten ist bestimmt, das Vertragswerk unterstehe Schweizer Recht und Streitigkeiten unterstünden einzig der ordentlichen Gerichtsbarkeit am Sitz der Beklagten in der Schweiz; weiterhin wird die Anwendung des Wiener Kaufrechts (CISG) ausdrücklich ausgeschlossen. Über etwaige Widerrufsrechte wurde der Kläger nicht belehrt. Spätestens mit der Klageschrift vom August 2020 hat der Kläger seine auf die beiden Vertrags­ab­schlüsse gerichteten Willen­s­er­klä­rungen widerrufen. Die insbesondere auf die Rückzahlung der Entgelte abzüglich der bereits erhaltenen Holzerlöse (1.604,86 € beziehungsweise 2.467,07 €), insgesamt also auf Zahlung von 35.595,14 € beziehungsweise 41.532,93 €, Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Rechte des Klägers aus den Verträgen, gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen ganz überwiegend Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision hat die Beklagte ihr Klage­ab­wei­sungs­be­gehren weiterverfolgt. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Deutsche Gerichte zuständig und deutsches Recht anwendbar

Der BGH hat entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung der von ihm gezahlten Entgelte unter Abzug bereits erhaltener Erlöse, Zug um Zug gegen Rückübertragung der Rechte aus den Kauf- und Dienst­leis­tungs­ver­trägen zusteht. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für den vorliegenden Rechtsstreit folgt aus Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 Alt. 2 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Der Kläger hat in Bezug auf die Verträge vorliegend als Verbraucher gehandelt und die Beklagte hat ihre gewerbliche Tätigkeit auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungs­ge­richts auf Deutschland ausgerichtet. Die in den AGB der Beklagten enthaltene Regelung über die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte am Sitz der Beklagten in der Schweiz ist nach Art. 17 LugÜ II unwirksam. Die streit­ge­gen­ständ­lichen Verträge unterliegen dem materiellen deutschen Recht. Der Anwendbarkeit des materiellen deutschen Rechts steht die von den Parteien in Ziffer 27 der AGB gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO getroffene Wahl des Schweizer Rechts nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob diese Rechts­wahl­klausel überhaupt wirksam ist, denn die Anwendbarkeit des deutschen Rechts auf sämtliche im vorliegenden Fall maßgeblichen rechtlichen Fragestellungen ergibt sich unter den hier gegebenen Umständen bereits aus dem in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO verankerten Günstig­keits­prinzip.

Verträge wirksam widerrufen

Dem Kläger stand nach § 312 b Abs. 1 Satz 1, § 312 d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1 BGB aF ein Widerrufsrecht zu, das nicht gemäß § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF ausgeschlossen ist. Für die Anwendung dieser Ausnah­me­vor­schrift ist maßgeblich, dass der spekulative Charakter den Kern des Geschäfts ausmacht. Vorliegend geht es jedoch um eine langfristige Investition, der nur mittelbar spekulativer Charakter zukommt. Soweit § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF auf Preis­schwan­kungen innerhalb der Widerrufsfrist abstellt, richtet sich deren Länge insoweit nach der vom Gesetz für den Regelfall der ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung vorgesehenen Widerrufsfrist von 14 Tagen. Der Kläger hat das Widerrufsrecht auch wirksam ausgeübt; insbesondere war mangels ordnungsgemäßer Belehrung des Klägers über sein Widerrufsrecht die Widerrufsfrist im Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht abgelaufen. Bei den vorliegenden Verträgen handelt es sich um Finanz­dienst­leis­tungs­verträge im Sinne des § 312 b Abs. 1 Satz 2 BGB aF. Das Widerrufsrecht des Klägers ist deshalb nicht nach Art. 229 § 32 Abs. 2 (in Verbindung mit Abs. 4) EGBGB zu dem dort genannten Zeitpunkt erloschen.

Realisierung einer Rendite im Vordergrund

Der Begriff der Finanzdienstleistung jedoch bewusst weit gefasst und erstreckt sich nunmehr auch auf Dienst­leis­tungen im Zusammenhang mit einer Geldanlage. Ob dabei bereits der reine Verkauf von Sachgütern zum Zweck der Geldanlage als Finanz­dienst­leistung angesehen werden kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, denn die hier durch die "Kauf- und Dienst­leis­tungs­verträge" begründeten Pflichten der Beklagten sowie die zu Grunde liegende Interessenlage der Parteien unterscheiden sich wesentlich von denjenigen eines reinen Verkaufs von Sachgütern und rechtfertigen die Qualifikation des Gesamtvertrags als Finanz­dienst­leistung. Zum einen besteht nach der Gesamt­kon­zeption des von der Beklagten einheitlich angebotenen "Teakinvestments" die aus der Sicht des Verbrauchers wesentliche Leistung der Beklagten ersichtlich nicht in der für einen reinen Erwerb von Sachgütern charak­te­ris­tischen Verschaffung des Eigentums an den Bäumen, sondern in den zur Realisierung einer Rendite aus dem Investment bei lebensnaher Betrachtung erforderlichen Dienst­leis­tungen der Beklagten, insbesondere der Verwertung der Bäume am Ende der Vertrags­laufzeit. Zum anderen verfolgt die Beklagte als Anbieterin des "Teakinvestments" mit der von ihr angestrebten Bündelung von Anlegerkapital und der jahrelangen Vertrags­laufzeit ein Konzept, das über den reinen - auch insti­tu­ti­o­na­li­sierten - Verkauf von Sachgütern hinaus Parallelen beispielsweise zu einem Sachwertefonds aufweist.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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