15.11.2024
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Dokument-Nr. 23357

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Urteil26.10.2016BundesgerichtshofVIII ZR 211/15
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • zfs 2017, 206Zeitschrift für Schadenrecht (zfs), Jahrgang: 2017, Seite: 206
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Wangen, Urteil22.05.2014, 4 C 91/14
  • Landgericht Ravensburg, Urteil25.08.2015, 1 S 86/14
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil26.10.2016

BGH bejaht Zurück­behaltungs­recht des Käufers bei Lieferung eines Neuwagens mit geringfügigem LackschadenVor Beseitigung des Mangels muss weder Kaufpreis gezahlt noch Fahrzeug abgenommen werden

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass ein Käufer, dem der gekaufte Neuwagen mit einem (geringfügigen) Lackkratzer angeliefert wurde, das Fahrzeug "zurückweisen" darf.

Der Beklagte des zugrunde liegenden Verfahrens bestellte im Jahr 2013 bei der Klägerin ein Neufahrzeug der Marke Fiat. Die Parteien vereinbarten kostenfreie Auslieferung des Fahrzeugs am Wohnsitz des Käufers. Bei der Auslieferung durch eine von der Klägerin beauftragte Spedition wies das Fahrzeug einen Lackschaden an der Fahrertür auf. Im Lieferschein der Spedition ist insoweit vermerkt: "Kleine Delle Fahrertür, Kosten für Ausbesserung werden von ... [der Klägerin] ... übernommen." Noch am gleichen Tag erklärte der Beklagte, dass er das Fahrzeug "zurückweise" und den Kaufpreis nicht freigebe. Die Klägerin machte geltend, dass es sich um einen "Bagatellschaden" handele und verlangte Überweisung des vollständigen Kaufpreises. Der Beklagte übersandte ihr daraufhin den Kosten­vor­an­schlag eines Autola­ckier­be­triebes, wonach Lackierkosten in Höhe von 528,30 Euro entstünden. Die Klägerin erklärte daraufhin, dass sie bei Vorlage des Originals der Repara­tur­rechnung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht maximal 300 Euro übernehmen werde.

Klägerin verlangt unter anderem Ersatz von Transportkosten

Da die Parteien sich nicht einigten, holte die Klägerin das Fahrzeug im August 2013 beim Beklagten ab, ließ den Lackschaden beheben und lieferte das Fahrzeug im Oktober 2013 wieder an den Beklagten aus, der daraufhin den gesamten Kaufpreis zahlte. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Ersatz von Transportkosten für die Rückholung und Wieder­aus­lie­ferung des Fahrzeugs, ferner "Standgeld" sowie Verzugszinsen auf den Kaufpreis, insgesamt 1.138,64 Euro.

Käufer muss Kaufpreis auch bei geringfügigen Mängeln nicht zahlen

Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass der Käufer auch bei geringfügigen (behebbaren) Mängeln - wie dem hier vorliegenden Lackschaden - grundsätzlich weder den Kaufpreis zahlen noch das Fahrzeug abnehmen muss, bevor der Mangel beseitigt ist. Nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB* hat der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Hieraus folgt das Recht des Käufers, vom Verkäufer die Beseitigung von Mängeln der Sache zu verlangen und bis dahin die Zahlung des (gesamten) Kaufpreises nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB** und die Abnahme des Fahrzeugs nach § 273 Abs. 1 BGB*** zu verweigern. Diese Rechte stehen dem Käufer bei einem behebbaren Mangel auch dann zu, wenn er - wie der hier vorliegende Lackschaden - geringfügig ist.

Klägerin hätte Reparatur im Rahmen der Erfüllung der Verkäu­fer­pflichten in eigener Verantwortung veranlassen müssen

Zwar können der Ausübung des Zurück­be­hal­tungs­rechts bei besonderen Umständen des Einzelfalls (ausnahmsweise) mit Rücksicht auf Treu und Glauben Schranken gesetzt sein. Derartige besondere Umstände lagen hier indes nicht vor. Im Gegenteil hatte die Klägerin dem Beklagten zunächst nicht einmal angeboten, selbst für eine ordnungsgemäße Behebung des Lackschadens zu sorgen und so ihrer Erfül­lungs­pflicht als Verkäuferin nachzukommen. Sie hatte sich nämlich lediglich zu einer Übernahme der Reparaturkosten bereit erklärt. Es oblag jedoch nicht dem beklagten Käufer, einen Repara­tu­r­auftrag zu erteilen, sondern die Klägerin hatte die Reparatur im Rahmen der Erfüllung ihrer Verkäu­fer­pflichten in eigener Verantwortung und auf eigenes Risiko zu veranlassen. Zudem hat die Klägerin selbst an der (unzureichenden) Bereitschaft zur Übernahme der Kosten nicht uneingeschränkt festgehalten, sondern eine Obergrenze von 300 Euro gesetzt, so dass den Beklagten das Risiko der Werkstattkosten, einschließlich eines etwaigen unwirt­schaft­lichen oder unsachgemäßen Arbeitens des Werkstatt­be­triebes, getroffen hätte.

Transportkosten und "Standgeld" waren ohnehin von Klägerin zu tragen

Bei den von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen (Transportkosten, "Standgeld") handelte es sich im Übrigen um Kosten, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Kaufvertrages erforderlich waren und die deshalb ohnehin von ihr als Verkäuferin zu tragen waren.

*§ 433 BGB Vertrags­ty­pische Pflichten beim Kaufvertrag

Erläuterungen
(1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

(2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.

§ 320 Einrede des nicht erfüllten Vertrags

(1) Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist. [...]

[...]

§ 273 Zurück­be­hal­tungsrecht

(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuld­ver­hältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurück­be­hal­tungsrecht).

[...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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