18.10.2024
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Dokument-Nr. 11222

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Urteil03.11.1993BundesgerichtshofVIII ZR 106/93
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BB 1994, 24Zeitschrift: Betriebs-Berater (BB), Jahrgang: 1994, Seite: 24
  • BGHZ 124, 39Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 124, Seite: 39
  • JuS 1994, 434Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 1994, Seite: 434
  • MDR 1994, 136Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 1994, Seite: 136
  • NJW 1994, 188Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 1994, Seite: 188
  • NJW-RR 1994, 686Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 1994, Seite: 686
  • VersR 1994, 229Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 1994, Seite: 229
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil03.11.1993

Taschen­kon­trollen im Supermarkt sind ohne konkreten Verdacht unrechtmäßigKunden brauchen ihre Taschen nicht am Super­ma­rk­teingang abgeben oder Taschen­kon­trollen hinnehmen

Körperliche und sonstige Durchsuchungen wie die Kontrolle mitgeführter Taschen stellen in aller Regel erhebliche Eingriffe in das Persön­lich­keitsrecht dar. Ein Super­ma­rkt­be­treiber darf von seinen Kunden daher Taschen­kon­trollen nur bei einem konkreten Verdacht fordern. Ein Kunde, der eine Kontrolle verweigert, wenn es an einem konkreten gegen ihn gerichteten Verdacht fehlt, kann auch nicht wegen Störung des Geschäfts­be­triebes mit einem Hausverbot belegt werden. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Mit seinem Urteil gab der Bundes­ge­richtshof in der Revisi­ons­instanz einer Kundin Recht, die gegen das von einem Super­ma­rkt­be­treiber gegen sie verhängte Hausverbot geklagt hatte. Sie hatte es abgelehnt, ihre Taschen, in denen sie in der Regel Schlüssel und Geldbörse aufbewahrte, zur Aufbewahrung im Eingangsbereich des Supermarktes abzugeben. Da sie sich auch einer Taschenkontrolle durch Kassiererinnen oder Hausdetektive mehrfach widersetzte, sprach der stell­ver­tretende Marktleiter ein Hausverbot aus.

Kein Kontrollrecht bei fehlendem hinreichenden Verdacht auf Ladendiebstahl

Der Bundes­ge­richtshof führte aus, gegen die Klägerin habe kein konkreter Verdacht auf Ladendiebstahl bestanden. Allein der Umstand, dass an einer bestimmten Stelle viel gestohlen werde, begründe noch keinen hinreichenden Tatverdacht gegen die einzelnen Personen, die sich dort aufhalten. Dass die Klägerin der Bitte um Abgabe der Taschen nicht nachgekommen sei, könne einen hinreichenden Verdacht auf einen Ladendiebstahl ebenfalls nicht begründen.

Hinweisschild am Super­ma­rk­teingang ist für Kunden nicht verbindlich

Am Eingangsbereich zum Supermarkt war folgende Hinweistafel mit dem Titel "Information und Taschenannahme" angebracht: "Sehr geehrte Kunden, wir bitten Sie höflich, Ihre Taschen hier an der Information vor dem Betreten des Marktes abzugeben, andernfalls weisen wir Sie höflichst darauf hin, dass wir an den Kassen gegebenenfalls Taschen­kon­trollen durchführen müssen." Der Bundes­ge­richtshof stellte klar, dass diese Hinweistafel weder eine verbindliche Hausordnung noch eine Geschäfts­be­dingung sei.

Hinweistafel war als Bitte, nicht als verbindliche Anordnung formuliert

Denn nach seinem eindeutigen Wortlaut handele es sich bei dem Hinweis nur um eine Bitte. Eine andere Ausle­gungs­mög­lichkeit des Textes sei nicht ersichtlich. Eine Anordnung, mit der der Zutritt zu den dem allgemeinen Publi­kums­verkehr eröffneten Geschäftsräumen nur unter bestimmten Bedingungen gestattet werden solle, müsse hinreichend deutlich erkennen lassen, unter welchen Voraussetzungen der Inhaber des Hausrechts mit dem Betreten der Geschäftsräume nicht einverstanden sei.

Hinweistafel muss Kunden deutlich zu verstehen geben, worauf sie sich einlassen - höfliche Bitte reicht nicht aus

An die Bestimmtheit und Eindeutigkeit einer Anordnung seien hier schon deswegen strenge Anforderungen zu stellen, weil der Inhaber ein ihm von Gesetzes wegen nicht zustehendes und das Persönlichkeitsrecht seiner Kunden berührendes Kontrollrecht beanspruche. Das setze mindestens voraus, dass derjenige, der den Einkaufsbereich betrete, ohne seine Tasche abgegeben zu haben, unmiss­ver­ständlich erkennen könne, worauf er sich einlasse. Der "höflichen Bitte" um Abgabe der Taschen komme ein hinreichend deutlicher Regelung­s­cha­rakter im Sinne einer verbindlichen Hausordnung jedoch nicht zu. Einer Bitte nicht Folge zu leisten, stehe im Belieben des Kunden. Damit stimme überein, dass der Super­ma­rkt­be­treiber im Eingangsbereich des Marktes auch keine Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Bitte getroffen habe.

Hinweistafel lässt Kunden Inter­pre­ta­ti­o­nss­pielraum

Die bei Nichtbeachtung der Bitte angekündigten Folgen lassen nicht zweifelsfrei erkennen, dass Kunden generelle oder stich­pro­ben­artige Kontrollen ohne konkreten Diebstahl­s­verdacht hinnehmen müssen. Die Verwendung des Wortes "gegebenenfalls" könne vielmehr auch dahin verstanden werden, dass der Super­ma­rkt­be­treiber nur bei konkretem Verdacht kontrollieren wolle.

Als Bitte formulierte Hinweistafel hat keine rechts­ge­schäftliche Bedeutung

Das der Klägerin gegenüber ausgesprochene Hausverbot könne auch nicht auf eine vorsätzliche Vertrags­ver­letzung gestützt werden. Denn Empfehlungen oder Bitten der hier vorliegenden Art haben regelmäßig keine rechts­ge­schäftliche Bedeutung und seien demgemäß auch nicht als Allgemeine Geschäfts­be­din­gungen zu werten. Ohne eine rechts­ver­bindliche Grundlage könne der Klägerin auch kein wider­sprüch­liches Verhalten vorgeworfen werden, weil sie eine Regelung des Super­ma­rkt­be­treibers akzeptiert habe, wenn sie die Geschäftsräume trotz Kenntnis von dem Hinweis mit Tasche betrete, aber deren Kontrolle verweigere. Habe der Hinweis keinen rechtlichen Regelungsgehalt, so komme ein konkludentes Einverständnis nicht in Betracht.

Beleidigungen der Supermarkt-Mitarbeiter können Hausverbot rechtfertigen

Der Bundes­ge­richtshof stellte schließlich klar, dass solange der Super­ma­rkt­be­treiber einen Ausschluss­willen hinsichtlich Kunden, die ihre Tasche nicht abgeben oder kontrollieren lassen wollen, nicht unmiss­ver­ständlich erklärt habe, er sich an seinem generellen Einverständnis mit dem Betreten der Geschäftsräume festhalten lassen müsse. Das Gericht verwies den Rechtsstreit jedoch an die Vorinstanz zurück, da er noch nicht entschei­dungsreif sei. Der Super­ma­rkt­be­treiber hatte vorgetragen, die Klägerin habe Mitarbeiter beleidigt. Deshalb müsse das Berufungs­gericht noch prüfen, ob ein Hausverbot aus anderen Gründen gerechtfertigt sei.

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (vt/we)

der Leitsatz

BGB §§ 229, 903

Die Kontrolle der von den Kunden mitgeführten Taschen an der Kasse eines Einzel­han­dels­marktes ist nur zulässig, wenn ein konkreter Diebstahl­s­verdacht vorliegt. Fehlt es an einem derartigen Verdacht, so kann ein Kunde, der eine Kontrolle verweigert, auch nicht allein deswegen mit einem Hausverbot belegt werden.

BGB § 903; AGBG § 1

Die im Eingangsbereich eines Einzel­han­dels­marktes angebrachte Hinweistafel mit dem Text

"Information und Taschenannahme

Sehr geehrte Kunden,

wir bitten Sie höflich, Ihre Taschen hier an der Information vor dem Betreten des Marktes abzugeben, andernfalls weisen wir Sie höflichst darauf hin, dass wir an den Kassen gegebenenfalls Taschen­kon­trollen durchführen müssen."

stellt weder eine rechts­ver­bindliche Ausgestaltung des Hausrechts des Geschäfts­in­habers noch eine Allgemeine Geschäfts­be­dingung dar.

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