23.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 30235

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Bundesgerichtshof Urteil05.05.2021

BGH zum Entschädigungs­anspruch wegen Versagung des Zutritts zu einer Musik­ver­an­staltungKein Anspruch auf Entschädigung wegen Verweigerung des Zutritts zu Musik­ver­an­staltung aufgrund des Alters

Der Bundes­ge­richtshof hat über eine Klage auf Zahlung einer Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleich­behandlungs­gesetz (AGG) wegen Versagung des Zutritts zu einer Musik­ver­an­staltung entschieden.

Der seinerzeit 44-jährige Kläger wollte im August 2017 ein von der Beklagten veranstaltetes Open-Air-Event in München besuchen, bei dem über 30 DJs elektronische Musik auflegten. Die Veranstaltung hatte eine Kapazität von maximal 1.500 Personen, ein Vorverkauf fand nicht statt. Ein Ticket konnte erst nach Passieren der Einlass­kon­trolle erworben werden. Dem Kläger sowie seinen beiden damals 36 und 46 Jahre alten Begleitern wurde der Einlass verwehrt.

Veranstaltung auf Personen zwischen 18 und 28 Jahren beschränkt

Die Beklagte teilte dem Kläger mit, Zielgruppe der Veranstaltung seien Personen zwischen 18 und 28 Jahren gewesen. Aufgrund der beschränkten Kapazität und um den wirtschaft­lichen Erfolg einer homogen in sich feiernden Gruppe nicht negativ zu beeinflussen, habe es die Anweisung gegeben, dem optischen Eindruck nach altersmäßig nicht zur Zielgruppe passende Personen abzuweisen.

Kläger fühlt sich wegen seines Alters diskriminiert

Der Kläger ist der Auffassung, dass in der Verweigerung des Zutritts eine Benachteiligung wegen des Alters liege und ihm daher ein Entschä­di­gungs­an­spruch gemäß § 19 Abs. 1, § 21 Abs. 2 AGG zustehe. Er hat von der Beklagten die Zahlung von 1.000 € sowie den Ersatz der Kosten eines vorangegangenen Schlich­tungs­ver­fahrens in Höhe von 142,80 €, jeweils nebst Zinsen, verlangt. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision hat der Kläger sein Klagebegehren weiterverfolgt.

BGH verneint Anwendung des zivil­recht­lichen Benach­tei­li­gungs­verbots

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Das Berufungs­gericht hat in revisi­ons­rechtlich nicht zu beanstandender Weise einen Schaden­s­er­satz­an­spruch des Klägers verneint, weil der sachliche Anwen­dungs­bereich des zivil­recht­lichen Benach­tei­li­gungs­verbots nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG nicht eröffnet ist.

Kein "Massengeschäft" im Sinne der gesetzlichen Regelung

Der Vertrag über den Zutritt zu der hier betroffenen Veranstaltung ist kein "Massengeschäft" im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 AGG. Hierunter sind zivilrechtliche Schuld­ver­hältnisse zu verstehen, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen. Das ist der Fall, wenn der Anbieter im Rahmen seiner Kapazitäten grundsätzlich mit jedermann abzuschließen bereit ist. Hingegen liegt ein Ansehen der Person vor, wenn der Anbieter seine Entscheidung über den Vertragsschluss erst nach Würdigung des Vertrags­partners trifft. Ob persönliche Merkmale typischerweise eine Rolle spielen, bestimmt sich nach einer allgemeinen, typisierenden Betrach­tungsweise, bei der auf die für vergleichbare Schuld­ver­hältnisse herausgebildete Verkehrssitte abzustellen ist.

Party-Event-Veranstaltungen durch Interaktion der Besucher geprägt

Eine Verkehrssitte, dass zu öffentlichen Veranstaltungen, die mit dem hier betroffenen Schuld­ver­hältnis vergleichbar sind, jedermann Eintritt erhält, hat das Berufungs­gericht rechts­feh­lerfrei nicht festgestellt. Soweit öffentlich zugängliche Konzerte, Kinovor­stel­lungen, Theater- oder Sport­ver­an­stal­tungen im Regelfall dem sachlichen Anwen­dungs­bereich des zivil­recht­lichen Benach­tei­li­gungs­verbots nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG unterfallen, weil es der Verkehrssitte entspricht, dass dort der Eintritt ohne Ansehen der Person gewährt wird, ist für diese Freizeit­an­gebote charak­te­ristisch, dass es den Veranstaltern - meist dokumentiert durch einen Vorverkauf - nicht wichtig ist, wer ihre Leistung entgegennimmt. Das unterscheidet sie maßgeblich von Party-Event-Veranstaltungen wie der vorliegenden, deren Charakter in der Regel auch durch die Interaktion der Besucher geprägt wird, weshalb der Zusammensetzung des Besucherkreises Bedeutung zukommen kann. Dass auch bei solchen Veranstaltungen gleichwohl nach der Verkehrssitte jedermann Eintritt gewährt wird, macht der Kläger nicht geltend.

Vertrag auch kein "massen­ge­schäft­s­ähn­liches" Schuld­ver­hältnis

Der Vertrag über den Zutritt zu der von der Beklagten durchgeführten Veranstaltung war auch kein "massen­ge­schäft­s­ähn­liches" Schuld­ver­hältnis im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 AGG. Diese Rechts­ver­hältnisse kennzeichnet, dass persönliche Eigenschaften des Vertrags­partners zwar bei der Entscheidung, mit wem der Vertrag geschlossen werden soll, relevant sind, sie aber angesichts der Vielzahl der abzuschlie­ßenden Rechtsgeschäfte an Bedeutung verlieren, weil der Anbieter, von atypischen Fällen abgesehen, bereit ist, mit jedem geeigneten Partner zu vergleichbaren Konditionen abzuschließen. In welchem Umfang ein Ansehen einer Person relevant ist, bestimmt sich nach der Art des zu betrachtenden Schuld­ver­hält­nisses in seiner konkreten Ausprägung.

Willen­s­ent­scheidung des Veranstalters hinzunehmen

Bei Schuld­ver­hält­nissen wie öffentlichen Party-Event-Veranstaltungen kann die Zusammensetzung des Besucherkreises deren Charakter prägen und daher ein anerken­nens­wertes Interesse des Unternehmers bestehen, hierauf Einfluss zu nehmen. Soweit der Veranstalter deshalb sein Angebot nur an eine bestimmte, nach persönlichen Merkmalen definierte Zielgruppe richtet und nur Personen als Vertragspartner akzeptiert, die die persönlichen Merkmale der Zielgruppe erfüllen, kommt diesen Eigenschaften nicht nur nachrangige Bedeutung zu. Diese Willen­s­ent­scheidung ist hinzunehmen; wenn dabei auch das Merkmal "Alter" betroffen ist, steht dies nicht entgegen.

Individuelle Auswahl der Vertragspartner von vornherein vorgesehen

Nach den in der Revisi­ons­instanz außer Streit stehenden Feststellungen des Berufungs­ge­richts lag eine solche Fallgestaltung bei der hier zu beurteilenden Veranstaltung vor. Ein Ansehen der Person hatte hiernach für die Gewährung des Zutritts nicht nur nachrangige Bedeutung, vielmehr war eine individuelle Auswahl der Vertragspartner nach dem Veran­stal­tungs­konzept der Beklagten von vornherein vorgesehen, wurde durchgeführt und durch die Einlass­kon­trolle sichergestellt.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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