14.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 30827

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Bundesgerichtshof Urteil16.09.2021

Bewertung des Nutzungs­vorteils bei Leasing­fahr­zeugen im sogenannten DieselskandalKeine Erstattung der Leasing­zah­lungen bei Fahrzeug-Rückgabe

Der unter anderem für Schadens­ersatz­ansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat heute über Schadens­ersatz­ansprüche wegen des Leasings und anschließenden Kaufs eines von der beklagten Audi AG hergestellten Fahrzeugs entschieden.

Im hier vorliegenden Fall leaste der Kläger ab Juni 2009 für vier Jahre von der Volkswagen Leasing GmbH einen neuen Audi Q5. Er leistete monatliche Leasingraten in Höhe von 437 € und eine Leasing­son­der­zahlung in Höhe von 5.000 €. Im Mai 2013 erwarb er das Fahrzeug bei einem Kilometerstand von 80.000 für 25.680,74 € von einem Dritten. Bei einem Kilometerstand von 170.000 erlitt das Fahrzeug einen Motorschaden und wurde seitdem nicht mehr bewegt. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet. Dieser verfügte über eine Motor­steu­e­rungs­software, die erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchlief, und in diesem Fall eine höhere Abgas­rü­ck­füh­rungsrate und einen geringeren Stick­o­xid­ausstoß als im Normalbetrieb bewirkte. Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wesentlichen die Erstattung seiner für das Leasing und den Kauf gezahlten Beträge abzüglich einer Nutzungs­ent­schä­digung, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Die Beklagte erstrebt die vollständige Klageabweisung.

Vorinstanz: Nur Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises

Die Klage hatte in den Vorinstanzen teilweise Erfolg. Das Berufungs­gericht hat dem Kläger gegen die Beklagte einen Schaden­s­er­satz­an­spruch aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB zuerkannt, soweit er seine Ansprüche auf den Abschluss des Kaufvertrags im Mai 2013 stützt. Der Kläger habe Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises zuzüglich verschiedener Aufwendungen abzüglich einer Nutzungs­ent­schä­digung für die seit dem Kauf gefahrenen 90.000 Kilometer, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs. Hingegen könne er nicht Erstattung der aufgrund des Leasingvertrags geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 25.976 € verlangen. Ein etwaiger Anspruch scheitere jedenfalls daran, dass der gegebenenfalls anzurechnende Nutzungsvorteil der Höhe nach den Leasing­zah­lungen entspreche.

BGH: Unmittelbaren deliktischen Haftung der Beklagten noch zu klären

Die Revision der Beklagten war begründet und führte insoweit zur Aufhebung des Berufungs­urteils und zur Zurück­ver­weisung der Sache an das Berufungs­gericht. Mit der vom Berufungs­gericht gegebenen Begründung können Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB nicht bejaht werden. Das Berufungs­gericht hat nicht rechts­feh­lerfrei festgestellt, dass ein verfas­sungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten im Sinne von § 31 BGB die objektiven und subjektiven Tatbe­stands­vor­aus­set­zungen des § 826 BGB verwirklicht hat. Das Berufungs­gericht hat eine sogenannte sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu unter­neh­men­s­in­ternen Vorgängen angenommen, die auf eine Kenntnis ihrer verfas­sungs­mäßigen Vertreter von der Verwendung der unzulässigen Abschalt­ein­richtung schließen lassen sollen. Aus dem der Beurteilung des Bundes­ge­richtshofs unterliegenden Verfahrensstoff ergaben sich indes keine hinreichenden Anhaltspunkte, die einen solchen Schluss nahelegen. Das Berufungs­gericht wird daher erneut Feststellungen zur Frage einer unmittelbaren deliktischen Haftung der Beklagten zu treffen haben.

BGH verneint Anspruch auf Erstattung der Leasingraten

Die Revision des Klägers, mit der er in erster Linie geltend machte, das Berufungs­gericht habe den während der Leasingzeit erlangten Nutzungsvorteil zu hoch bewertet, war dagegen unbegründet. Die Annahme des Berufungs­ge­richts, ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Leasingraten bestehe nicht, weil der Wert der während der Leasingzeit erlangten Nutzungs­vorteile der Höhe nach den Leasing­zah­lungen entspreche, ließ - eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach unterstellt - keine Rechtsfehler erkennen. Aus den berufungs­ge­richt­lichen Feststellungen ergaben sich keine Anhaltspunkte, dass bereits bei Abschluss des Leasingvertrags ein späterer Erwerb des Fahrzeu­gei­gentums durch den Kläger vereinbart worden wäre. Jedenfalls vor diesem Hintergrund war die Annahme des Berufungs­ge­richts, der Kläger habe mit dem Abschluss des Leasingvertrags eine vom Kauf grund­ver­schiedene Inves­ti­ti­o­ns­ent­scheidung getroffen, die es rechtfertige, den anzurechnenden Nutzungsvorteil anders als beim Kauf zu bestimmen, nicht zu beanstanden.

Leasing­zah­lungen entsprachen Nutzungs­vor­teilen

Nach der in der oberge­richt­lichen Rechtsprechung vorherrschenden Auffassung entspricht im Rahmen der deliktischen Vorteils­aus­gleichung der Wert der während der Leasingzeit erlangten Nutzungs­vorteile eines Kraftfahrzeugs der Höhe nach den vertraglich vereinbarten Leasing­zah­lungen. Dieser Ansicht gebührt der Vorzug vor der Gegenmeinung, die auch beim Leasing die Nutzungs­vorteile im Rahmen des Vorteils­aus­gleichs nach der für den Fahrzeugkauf anerkannten Berech­nungs­formel (Fahrzeugpreis mal Fahrstrecke geteilt durch Laufleis­tungs­er­wartung) vornehmen möchte. Ob eine andere Betrachtung dann geboten ist, wenn aufgrund der Vertrags­ge­staltung von vornherein feststeht, dass der Leasingnehmer das Fahrzeug nach Ablauf der Leasingzeit übernimmt, konnte hier dahinstehen.

Fahrzeugnutzung bei Leasing grundsätzlich zeitraumbezogen

Der Käufer eines Fahrzeugs erwirbt die Möglichkeit, das Fahrzeug ohne zeitliche Begrenzung über die gesamte Laufleistung - bis zum Eintritt der Gebrauchs­un­taug­lichkeit - zu nutzen. Kaufpreis­zahlung und Gesamtnutzung stehen sich "kongruent" und daher anrechenbar gegenüber; sie sind bei wertender Betrachtung gewissermaßen zu einer Rechnungs­einheit verbunden. Der Leasingnehmer hingegen erwirbt die Möglichkeit, das Fahrzeug über einen konkreten Zeitraum zu bestimmten, mit dem Leasinggeber vereinbarten Bedingungen zu nutzen. Diese besondere Art der Fahrzeugnutzung hat einen eigenen, grundsätzlich zeitraum­be­zogenen Wert, der den Leasing­zah­lungen anrechenbar gegenübersteht und für den der vereinbarte Leasingpreis einen tauglichen Anhaltspunkt bildet.

Keine Erstattung bei Nutzung des Fahrzeugs über die gesamte Leasingzeit

Das entspricht dem Grundsatz, dass der objektive Wert eines heraus­zu­ge­benden Gebrauchs­vorteils regelmäßig anhand des marktüblichen Preises einer vertraglichen Gebrauchs­ge­stattung zu bemessen ist, sofern nicht die Herausgabenorm eine andere Bewertung erfordert, wie es insbesondere bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrags der Fall ist. Kann der Leasingnehmer das Fahrzeug - wie hier der Kläger - über die gesamte Leasingzeit ohne wesentliche Einschränkung nutzen, hat er den Vorteil, auf den der Abschluss des Leasingvertrags gerichtet war, in vollem Umfang realisiert. Der Vorteil kompensiert in diesem Fall den gesamten mit den Leasing­zah­lungen verbundenen finanziellen Nachteil. Dies entspricht der Situation eines Fahrzeugkäufers, der die Laufleis­tungs­er­wartung des Fahrzeugs ausgeschöpft hat.

Keine Kürzung um Finan­zie­rungs­kosten, den Gewinn des Leasinggebers oder andere Nebenkosten

Anhaltspunkte dafür, dass der objektive Leasingwert geringer gewesen wäre als der zwischen dem Kläger und der Leasinggeberin vereinbarte Leasingpreis, bestanden nicht. Nach den Feststellungen des Berufungs­ge­richts entsprachen die Leasingraten den üblichen Leasinggebühren und der Kläger hätte beim Leasing eines gleichwertigen Fahrzeugs entsprechende Zahlungen erbringen müssen. Der Leasingpreis ist für die Vorteil­s­an­rechnung nicht um die darin enthaltenen Finan­zie­rungs­kosten, den Gewinn des Leasinggebers oder andere Nebenkosten zu kürzen. Solche Kosten liegen in der Natur des Leasingvertrags und fließen in den objektiven Wert der leasingmäßigen Fahrzeugnutzung ein.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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