15.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 30831

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Urteil16.09.2021BundesgerichtshofVII ZR 190/20, VII ZR 286/20, VII ZR 321/20 und VII ZR 322/20
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Bundesgerichtshof Urteil16.09.2021

BGH: Kein Schadensersatz gegen die Daimler AG im Zusammenhang mit dem sogenannten "Thermofenster"Thermofenster an sich begründet keinen Schadens­ersatz­anspruch

Der unter anderem für Schadens­ersatz­ansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat in vier gleichzeitig verhandelten Sachen über Schadens­ersatz­ansprüche gegen die Daimler AG im Zusammenhang mit dem sogenannten "Thermofenster" entschieden und hierbei die klage­ab­wei­senden Entscheidungen der Vorinstanzen jeweils bestätigt.

Der Kläger im Verfahren VII ZR 190/20 erwarb im Januar 2016 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw Mercedes-Benz C 250 CDI zum Preis von 16.900 €. Der Kläger im Verfahren VII ZR 286/20 erwarb im Juli 2012 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw Mercedes-Benz GLK 250 CDI 4M BE zum Preis von 43.950 €. Der Kläger im Verfahren VII ZR 321/20 erwarb im November 2016 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4M BE zum Preis von 23.760 €. Der Kläger im Verfahren VII ZR 322/20 erwarb im August 2016 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw Mercedes-Benz B 180 zum Preis von 20.900 €. Die vier Fahrzeuge sind jeweils mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 ausgestattet und unterliegen keinem Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Für den jeweiligen Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schad­s­toff­klasse Euro 5 erteilt. Die Abgasreinigung erfolgt über die Abgas­rü­ck­führung, bei der ein Teil der Abgase zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt wird und dort erneut an der Verbrennung teilnimmt. Bei kühleren Temperaturen wird die Abgas­rü­ck­führung zurückgefahren ("Thermofenster"), wobei zwischen den Parteien streitig ist, bei welchen Außen-/Ladeluft­tem­pe­raturen dies der Fall ist.

Kläger begehrten Rückgabe der Kraftfahrzeuge gegen Erstattung des Kaufpreises

Die Kläger machen jeweils geltend, die Beklagte habe das Thermofenster in Form einer verbotenen Abschalt­vor­richtung exakt auf die Prüfbedingungen im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) abgestimmt und so im Rahmen des Typge­neh­mi­gungs­ver­fahrens unter Vorspiegelung der Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte die EG-Überein­stim­mungs­be­schei­nigung und die damit einhergehende Betrie­bs­er­laubnis erlangt. Mit ihren Klagen verlangen sie jeweils Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs die Erstattung des Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungs­ent­schä­digung nebst Zinsen, die Feststellung, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befindet, sowie die Erstattung vorge­richt­licher Rechts­an­walts­kosten. In allen vier Verfahren hatten die Klagen in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit ihren vom Berufungs­gericht jeweils zugelassenen Revisionen haben die Kläger ihre Klageziele weiterverfolgt.

BGH: Gesetzesverstoß allein nicht ausreichend

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revisionen der Kläger zurückgewiesen. Das Berufungs­gericht hat in allen vier Fällen einen Schaden­s­er­satz­an­spruch des jeweiligen Klägers aus § 826 BGB zu Recht verneint. Es hat zutreffend angenommen, das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen sei nicht bereits deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sie den in Rede stehenden Motortyp aufgrund einer grundlegenden unter­neh­me­rischen Entscheidung mit einer tempe­ra­tu­r­ab­hängigen Steuerung des Emissi­ons­kon­troll­systems (Thermofenster) ausgestattet und in den Verkehr gebracht haben. Dabei konnte zugunsten der Kläger in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass eine derartige tempe­ra­tur­be­ein­flusste Steuerung der Abgas­rü­ck­führung als unzulässige Abschalt­ein­richtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist. Denn der darin liegende - unterstellte - Gesetzesverstoß wäre für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steue­rungs­software durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Vielmehr würde die Annahme von Sitten­wid­rigkeit in diesen Fällen jedenfalls voraussetzen, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der tempe­ra­tu­r­ab­hängigen Steuerung des Emissi­ons­kon­troll­systems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalt­ein­richtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Ein solches Vorstel­lungsbild der für die Beklagte handelnden Personen hat das Berufungs­gericht rechts­feh­lerfrei verneint. Die hiergegen gerichteten Rügen der Revisionen blieben erfolglos.

Zulässigkeit des Thermofensters nicht geklärt

Unabhängig davon, dass schon damit der objektive Tatbestand der Sitten­wid­rigkeit des Verhaltens der für die Beklagte handelnden Personen nicht gegeben war, hat das Berufungs­gericht jeweils in revisi­ons­rechtlich nicht zu beanstandender Weise ein besonders verwerfliches Verhalten auch im Hinblick auf eine unsichere Rechtslage bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Thermofensters ausgeschlossen. Bei einer Abschalt­ein­richtung, die - wie hier - im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalt­ein­richtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Die Würdigung des Berufungs­ge­richts, die Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit eines Thermofensters sei zweifelhaft gewesen, war revisi­ons­rechtlich nicht zu beanstanden. Eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt aber für die Feststellung der besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten nicht. Ebenso fehlte es an dem erforderlichen Schädi­gungs­vorsatz. Allein aus der - unterstellten - objektiven Unzulässigkeit der Abschalt­ein­richtung in Form des Thermofensters folgt kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer. Im Hinblick auf die unsichere Rechtslage - hinsichtlich des unstreitig in den Fahrzeugen der Kläger verbauten Thermofenster fehlt es bis heute an einer behördlichen Stilllegung oder einem Zwang zu Umrüs­tungs­maß­nahmen - war nicht dargetan, dass sich den für die Beklagte tätigen Personen die Gefahr einer Schädigung des Klägers hätte aufdrängen müssen.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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