Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Rechtsanwalt wurde im Jahr 2015 damit beauftragt gegen ein Urteil Berufung einzulegen. Zwar kam er dem nach, jedoch erfolgte die Berufungsbegründung verspätet. Dies hatte seine Ursache darin, dass ein Fristverlängerungsantrag bezüglich der Berufungsbegründungsfrist nicht an das Berufungsgericht abgeschickt wurde. Der Rechtsanwalt hatte die Fristenkontrolle in seiner Kanzlei selbst vorgenommen. Aufgrund einer hohen Arbeitsbelastung war es ihm nicht möglich, die Berufungsbegründung rechtzeitig zu erstellen. Er wies daher eine Mitarbeiterin an, den Fristverlängerungsantrag anzufertigen sowie diesen zunächst per Fax und dann per Post abzuschicken. Dem kam die Mitarbeiterin jedoch nicht nach. Zudem löschte der Rechtsanwalt nach der Weisung die Berufungsbegründungsfrist im Kalender. Aufgrund der versäumten Frist beantragte der Rechtsanwalt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück. Denn seiner Auffassung nach habe der Rechtsanwalt die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft versäumt. Gegen diese Entscheidung legte der Rechtsanwalt Rechtsbeschwerde ein.
Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung des Oberlandesgerichts und wies daher die Rechtsbeschwerde des Rechtsanwalts zurück. Dieser habe schuldhaft versäumt, rechtzeitig die Berufung zu begründen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei daher nicht möglich gewesen.
Ein Rechtsanwalt müsse nach Auffassung des Bundesgerichtshofs eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet werde, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen. Dieser Verpflichtung komme er nur nach, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteile, sich einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Frist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen. Dem sei der Rechtsanwalt aber nicht nachgekommen.
Der Rechtsanwalt hat die Frist zur Berufungsbegründung aus dem Fristenkalender gelöscht, so der Bundesgerichtshof, ohne sichergehen zu können, dass die Einhaltung der Frist ausreichend kontrolliert worden sei. Übernehme der Rechtsanwalt die Ausgangskontrolle selbst, müsse er auch selbst für eine wirksame Ausgangskontrolle sorgen. Dazu gehöre, dass sich der Anwalt vor Löschung einer Frist darüber Klarheit verschaffe, dass ein ordnungsgemäßes Sendeprotokoll und eine Empfangsbestätigung vorliegen. Dem sei der Anwalt hier aber nicht nachgekommen.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs sei der unterlassene Postversand des Fristverlängerungsantrags ebenfalls auf ein Verschulden des Rechtsanwalts zurückzuführen gewesen. Zwar dürfe ein Anwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass zuverlässiges Büropersonal seinen Anweisungen folge leisten. Betreffe aber die Weisung einen so wichtigen Vorgang wie die Absendung eines Fristverlängerungsantrags zur Wahrung einer Berufungsbegründungsfrist und werde sie nur mündlich erteilt, müssen ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Anweisung nicht in Vergessenheit gerät und die Absendung unterbleibt. Dazu genüge es zwar, wenn die Anweisung hinreichend klar und präzise sei und das Personal aufgefordert werde, den Auftrag sofort vor allen anderen Aufgaben zu erledigen. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.07.2016
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)