21.11.2024
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Dokument-Nr. 25490

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Bundesgerichtshof Urteil06.02.2018

Veröf­fent­lichung von Bildern des ehemaligen Bundes­prä­si­denten Christian Wulff bei Super­ma­rk­teinkauf zulässigFotos sind Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen und bedürfen für Veröf­fent­lichung keiner Einwilligung des Betroffenen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die Veröf­fent­lichung von Bildern des ehemaligen Bundes­prä­si­denten Christian Wulff, die ihn bei einem Super­ma­rk­teinkauf zeigen, zulässig war. Der Bundes­ge­richtshof verwies darauf, dass die veröf­fent­lichten Fotos dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen waren und deshalb auch ohne Einwilligung des Betroffenen verbreitet werden durften. Berechtigte Interessen des Abgebildeten wurden dadurch nicht verletzt.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist ehemaliger Bundespräsident, die Beklagte ein Zeitschrif­ten­verlag. Am 6. Mai 2015 bestätigte der Kläger in einer Presse­mit­teilung, dass er und seine Frau wieder zusammen lebten. Am 13. Mai 2015 veröffentlichte die Beklagte in der Illustrierten "People" unter der Überschrift "Liebes-Comeback" einen Artikel über den Kläger und seine Ehefrau und bebilderte diesen Artikel u.a. mit einem Foto, das den Kläger und seine Ehefrau am Auto zeigte. Am 20. Mai 2015 veröffentlichte die Beklagte in der Zeitschrift "Neue Post" unter der Überschrift "Nach der Versöhnung - Christian Wulff - Wer Bettina liebt, der schiebt!" einen weiteren Artikel über den Kläger und seine Ehefrau, wobei sie den Artikel u.a. mit einem Foto des Klägers mit einem gefüllten Einkaufswagen bebilderte.

Entscheidung der Vorinstanzen

Das Landgericht gab der auf Unterlassung der Bildbe­rich­t­er­stattung gerichteten Klage statt. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts verletzte die Veröffentlichung der Bilder den Kläger in seiner Privatsphäre. Mit der vom Bundes­ge­richtshof zugelassenen Revision verfolgte die Beklagte ihr Klage­ab­wei­sungs­be­gehren weiter.

Vorinstanzen räumen Persön­lich­keits­rechten des Klägers rechts­feh­lerhaft Vorrang ein

Der Bundes­ge­richtshofs hob die Vorent­schei­dungen auf und wies die Klage ab. Die veröf­fent­lichten Fotos waren dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG) zuzuordnen und durften deshalb von der Beklagten auch ohne Einwilligung des Klägers (§ 22 KunstUrhG) verbreitet werden, da berechtigte Interessen des Abgebildeten damit nicht verletzt wurden. Die Vorinstanzen hatten die in besonderer Weise herausgehobene Stellung des Klägers als ehemaliges Staatsoberhaupt, den Kontext der beanstandeten Bildbe­rich­t­er­stattung sowie das Ausmaß der vom Kläger in der Vergangenheit praktizierten Selbstöffnung nicht hinreichend berücksichtigt und deshalb rechts­feh­lerhaft dem Persön­lich­keitsrecht des Klägers den Vorrang vor der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Pressefreiheit der Beklagten eingeräumt.

Berechtigtes öffentliches Interesse an der Person endete nicht mit Rücktritt vom Amt des Bundes­prä­si­denten

Die herausgehobene politische Bedeutung des Klägers als Inhaber des höchsten Staatsamtes und das berechtigte öffentliche Interesse an seiner Person endeten nicht mit seinem Rücktritt vom Amt des Bundes­prä­si­denten; die besondere Bedeutung des Amtes wirkt vielmehr nach. Auch nach seinem Rücktritt erfüllt der Kläger, der als "Altbun­des­prä­sident" weiterhin zahlreichen politischen und gesell­schaft­lichen Verpflichtungen nachkommt, Leitbild- und Kontrast­funktion auch in der Normalität seines Alltagslebens. Im Zusammenhang mit der - nicht angegriffenen - Textbe­rich­t­er­stattung leisteten die Veröf­fent­li­chungen einen Beitrag zu einer Diskussion allgemeinen Interesses. Sie nehmen Bezug auf die vom Kläger selbst erst einige Tage zuvor durch Presse­mit­teilung bestätigte Versöhnung mit seiner Frau. Gegenstand der Berich­t­er­stattung ist darüber hinaus die eheliche Rollen­ver­teilung. Die Fotos bebildern dies und dienen zugleich als Beleg. Ferner war zu berücksichtigen, dass der Kläger sein Ehe- und Familienleben in der Vergangenheit immer wieder öffentlich thematisiert und sich dadurch mit einer öffentlichen Erörterung dieses Themas einverstanden gezeigt hat. Zudem betreffen die zur Einkaufszeit auf dem Parkplatz eines Supermarktes und damit im öffentlichen Raum aufgenommenen Fotos den Kläger lediglich in seiner Sozialsphäre.

Den entge­gen­ste­henden berechtigten Interessen des Klägers kommt demgegenüber kein überwiegendes Gewicht zu (§ 23 Abs. 2 KunstUrhG). Die Fotos weisen keinen eigenständigen Verlet­zungs­gehalt auf, sondern zeigen den Kläger in einer unverfänglichen Alltags­si­tuation und in der Rolle eines fürsorgenden Familienvaters.

§ 22 Satz 1 KunstUrhG

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.

§ 23 Absatz 1 Nr. 1 KunstUrhG

Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte.

§ 23 Absatz 2 KunstUrhG

Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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