23.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil27.09.2016

Fotos in privater Situation: Bild-Zeitung durfte Fotos von Klaus Wowereit bei Restau­rant­besuch am Vorabend einer Misstrauens­abstimmung veröffentlichenFotos dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen

Eine Bild­bericht­erstattung über den damaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit bei einem Restau­rant­besuch am Vorabend einer Misstrauens­abstimmung war rechtens. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Im vorliegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger, ehemaliger Regierender Bürgermeister der Stadt Berlin, gegen die Veröffentlichung von drei Bildern in der Berlin-Ausgabe der von der Beklagten verlegten "BILD"-Zeitung unter der Überschrift "Vor der Misstrau­ens­ab­stimmung ging´s in die Paris-Bar ...". Die Bilder zeigen den Kläger beim Besuch dieses Restaurants, einem bekannten Prominenten-Treff in Berlin, ferner einen Freund, den ""Bread & Butter"-Chef", und dessen Frau am Vorabend der Misstrau­ens­ab­stimmung im Abgeord­ne­tenhaus von Berlin. Diese war wegen des in die Kritik geratenen Managements beim Bau des neuen Berliner Flughafens (BER) beantragt worden. Im Bildtext heißt es unter anderem: "Der Regierende wirkt am Vorabend der Abstimmung im Parlament ersichtlich entspannt ... und genehmigt sich einen Drink in der Paris-Bar (Kantstraße)". Die Bilder sind eingeschoben in einen Artikel über die politische Vita des Klägers mit der Überschrift "Vom Party­bür­ger­meister zum Bruchpiloten", in dem über die Amtsjahre des Klägers und seinen "Absturz in 11,5 Jahren" berichtet wird.

Revision gegen Urteil auf Unterlassung der Veröf­fent­lichung erfolgreich

Das Landgericht hat der Klage auf Unterlassung der Veröf­fent­lichung der genannten Bilder stattgegeben. Das Berufungs­gericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundes­ge­richtshof nunmehr die Klage abgewiesen.

Fotover­öf­fent­lichung ohne Einwilligung des Klägers rechtens

Im Streitfall waren die veröf­fent­lichten Fotos dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG) zuzuordnen und durften von der Beklagten deshalb auch ohne Einwilligung des Klägers (§ 22 KunstUrhG) verbreitet werden, da berechtigte Interessen des Abgebildeten damit nicht verletzt wurden. Das Berufungs­gericht hatte bei der Beurteilung des Zeitgeschehens den Kontext der beanstandeten Bildberichterstattung nicht hinreichend berücksichtigt und deshalb rechts­feh­lerhaft dem Persön­lich­keitsrecht des Klägers den Vorrang vor der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Pressefreiheit eingeräumt. Im Zusammenhang mit der Presse­be­rich­t­er­stattung über ein bedeutendes politisches Ereignis (hier: Misstrau­ens­ab­stimmung im Berliner Abgeord­ne­tenhaus) kann die ohne Einwilligung erfolgende Veröf­fent­lichung von Fotos, die den davon betroffenen Regierenden Bürgermeister am Vorabend in einer für sich genommen privaten Situation zeigen, durch das Informationsinteresse der Allgemeinheit gerechtfertigt sein.

Keine Verletzung von berechtigten Interessen im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG

Die Bilder zeigten, wie der - von ihm unbeanstandet - als "Party­bür­ger­meister" beschriebene Kläger in der Öffentlichkeit am Vorabend des möglichen Endes seiner politischen Laufbahn mit dieser Belastung umging und zwar - wie im Kontext beschrieben - entspannt "bei einem Drink" in der Paris-Bar. Durch die beanstandete Bildbe­rich­t­er­stattung wurden auch keine berechtigten Interessen des abgebildeten Klägers im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG verletzt. Sie zeigte den Kläger in einer eher unverfänglichen Situation beim Abendessen in einem bekannten, von prominenten Personen besuchten Restaurant. Er konnte unter diesen Umständen - gerade am Vorabend der Misstrau­ens­ab­stimmung - nicht damit rechnen, den Blicken der Öffentlichkeit und der Presse entzogen zu sein.

Erläuterungen

§ 22 Satz 1 KunstUrhG lautet:

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.

§ 23 Absatz 1 Nr. 1 KunstUrhG lautet:

Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte.

§ 23 Absatz 2 KunstUrhG lautet:

Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten ...verletzt wird.

Quelle: Bundesgerichtshof/ ra-online

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